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Schadenersatz für Medienkonzern Kirch

2002 brach der damals hoch verschuldete Kirch-Konzern zusammen. Nach Ansicht des inzwischen verstorbenen Unternehmers Leo Kirch trägt die Deutsche Bank eine Mitschuld an der Pleite. Er verklagte sie auf Schadenersatz. Nach zehn Jahren zeichnet sich nun eine Wende vor Gericht ab.

Von Michael Watzke | 13.02.2012
    Das Dach des Münchner Oberlandesgerichts an der Prielmayerstraße ist schlecht isoliert. Im Winter wird es hier oben empfindlich kühl, im Sommer unangenehm warm. Auch den Herren der Deutschen Bank muss es hier oben abwechselnd heiß und kalt geworden sein. Jahrelang saßen sie in dem großen Dachgeschoss-Verhandlungssaal vor Richter Guido Kotschy. Und der ließ in seiner Verhandlungsführung erkennen, dass er durchaus Sympathien für die Schadenersatzforderungen der Kirch-Gruppe hegt. Nicht mal ein Befangenheitsantrag der Frankfurter Banker schien den Richter zu beeindrucken.

    Der Münchner Medienzar Leo Kirch hatte kurz vor seinem Tod im Juli letzten Jahres noch einen denkwürdigen Auftritt vor Gericht. Im Rollstuhl und mit leiser, kaum hörbarer Stimme sagte er als Zeuge gegen die Deutsche Bank aus. Vielleicht ist Ex-Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer schon damals klar geworden: Dieser Schadenersatzprozess dürfte schwer zu gewinnen, aber leicht zu verlieren sein. Und vielleicht reifte beim aktuellen Deutsche-Bank-Vorstand damals der Entschluss, sich auf einen Vergleich einzulassen, wie ihn Richter Kotschy vorschlug.

    Nun soll genau das passiert sein, meldet die Deutsche Presse-Agentur mit Verweis auf das Manager-Magazin. Eine offizielle Bestätigung gibt es bisher weder von der Deutschen Bank noch von der Kirch-Seite. Aber Dementis gibt es auch nicht. Angeblich muss der Vorstand der Deutschen Bank heute oder morgen noch offiziell zustimmen. Aber das gilt als Formsache.

    Von 800 Millionen Euro Schadenersatz ist die Rede. Das wäre etwas mehr als die 775 Millionen, die Richter Guido Kotschy beiden Seiten vorgeschlagen hatte. Aber es wäre deutlich weniger als jene 3,6 Milliarden Euro, die Kirch ursprünglich gefordert hatte.

    Der hochbetagte und schwerkranke Leo Kirch hatte den Prozess gegen Breuer und die Deutsche Bank als Versuch betrachtet, finanzielle und persönliche Wiedergutmachung zu erlangen für die Zerstörung seines Lebenswerkes, des riesigen Kirch- Medienkonzerns. Der war vor fast genau zehn Jahren pleite gegangen, just nachdem der damalige Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer in einem Reuters-TV-Interview die Kreditwürdigkeit der Kirch-Gruppe infrage gestellt hatte.

    "Nach allem, was man hören kann", so hatte Breuer damals vor laufender Kamera gesagt, "ist der Finanzsektor nicht mehr bereit, Kirch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen". Dieses Gespräch dürfte seit heute Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde finden - als das teuerstes TV-Interview der Weltgeschichte.

    Aber für die Deutsche Bank könnte der Vergleich mit Kirch am Ende die kostengünstigere Alternative sein. Josef Ackermann, der scheidende Vorstand der Deutschen Bank, hatte schon Anfang des Monats angekündigt, er wolle noch einige Rechtsstreitigkeiten lösen, um seinen Nachfolgern ein "intaktes Haus" zu überlassen.

    Vielleicht dachte Ackermann dabei auch an die Haus-Durchsuchung, die die Münchner Staatsanwaltschaft letztes Jahr bei der Deutschen Bank durchgeführt hatte. Solche peinlichen Schlagzeilen dürften nach einem 800-Millionen-Euro-Deal der Vergangenheit angehören.