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Schavan: Bildungschancen für Jugendliche erhöhen

Bundesbildungsministerin Annette Schavan gibt sich in der Debatte um eine Verschärfung des Jugendstrafrechts entgegen der Forderung ihrer CDU-Parteispitze zurückhaltend. "Ob das, was wir gesetzlich haben, ausreicht oder nicht, müssen die Fachleute prüfen", sagte Schavan.

Moderation: Christoph Heinemann | 11.01.2008
    Christoph Heinemann: Fachkräfte ausbilden und 100.000 zusätzliche Ausbildungsplätze für schwer vermittelbare Jugendliche: Das sind zwei der Ziele der Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung. Kritiker meinen, ein Malus für Ausbildungsmuffel sei wirksamer als eine einmalige Bonuszahlung an die Betriebe, die schwer vermittelbare junge Menschen einstellen. Bundesbildungs- und -forschungsministerin Annette Schavan (CDU) überzeugt diese Kritik nicht?

    Annette Schavan: Nein, überhaupt nicht, denn im Zweifelsfall ist es dann wie bei anderen Abgaben. Sie werden gezahlt, weil eine Abgabe zu zahlen immer preiswerter und weniger anstrengend ist, als einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen. Und das Ziel ist, dass Jugendliche in Ausbildung kommen, vor allen Dingen die, die sich schwer tun.

    Heinemann: Aber dann ist doch die Gefahr da, dass Arbeitgeber sagen, wir sind nicht an den Jugendlichen, sondern an dem Geld interessiert - Stichwort Mitnahmeeffekte.

    Schavan: Wir sprechen über Jugendliche, die mehrfach versucht haben, eine Stelle zu bekommen. Angesichts der hohen Ausbildungsbereitschaft zum Beispiel vieler Handwerksbetriebe, finde ich, sollten wir da nicht so skeptisch sein. Viele Ausbilder in Deutschland sind interessiert an Jugendlichen, und vor allen Dingen die Betriebe wissen: Sie brauchen Fachkräfte.

    Heinemann: Bei dieser Initiative geht es um schwer vermittelbare Jugendliche, und von dort ist der Weg nicht weit zum Jugendstrafrecht. Ist die Bundesbildungsministerin dafür, straffällige Jugendliche härter zu bestrafen?

    Schavan: Die Bundesbildungsministerin ist dafür, viel zu tun zur Vorbeugung, viel zu tun, um Bildungschancen zu stärken und dafür zu sorgen, dass jeder Jugendliche die Erfahrung macht, auch eine Perspektive zu haben. Und dann weiß ich auch, dass es Situationen gibt, in denen besonders schwerwiegende Strafgeschichten vorhanden sind, und da müssen Jugendliche wissen, dass es vor allen Dingen rasch zur Strafe kommt. Ob das, was wir gesetzlich haben, ausreicht oder nicht, müssen die Fachleute prüfen.

    Heinemann: Sie sprechen eine andere Sprache als Roland Koch?

    Schavan: Wir sprechen alle unsere je eigene Sprache aus dem eigenen Verantwortungsbereich heraus, aber der Konsens ist ja in Wiesbaden klar geworden. Den haben wir zu Papier gebracht. Drei Schritte sind da genannt: Vorbeugen, genau Hinsehen und alle Möglichkeiten des Strafrechtes aussuchen.

    Heinemann: Nun sind auch die Mängel in Wiesbaden klar geworden. Ausgerechnet in Hessen dauert es ja bundesweit am längsten, bis Straftaten von Jugendlichen gerichtlich geahndet werden. Das hat Roland Koch jetzt selbst sogar eingeräumt - ganz schön peinlich.

    Schavan: Es wird auch behauptet, in Hessen seien Polizistenstellen abgebaut. Tatsache ist, dass Roland Koch viele zusätzliche Stellen für Polizisten und Justiz geschaffen hat.

    Heinemann: Hat Sie eigentlich überrascht, dass Angela Merkel sich so früh auf seine Seite geschlagen hat? Die wartet doch normalerweise lieber ab.

    Schavan: Hier geht es nicht um Seiten, auf die sich der eine oder andere von uns schlägt, sondern darum, dass viele Bürger die Frage beschäftigt, gibt es genügend Sicherheit, wird dafür gesorgt, dass wir uns sicher in unseren Städten bewegen können? Deshalb hat die Bundeskanzlerin das getan, was wir alle getan haben zu sagen, lasst uns nicht das Thema verengen auf dieses und jenes. Aber es kann auch nicht sein, dass, sobald ein Begriff fällt, der dem einen oder anderen nicht passt, ein ganzes Thema tabuisiert wird.

    Heinemann: Der SPD-Vorsitzende nennt die Kanzlerin populistisch und führungsschwach. Die SPD spricht von Zickereien der Union. Der CDU-Generalsekretär stellt die Regierungsfähigkeit des Koalitionspartners infrage. Ist diese Koalition noch arbeitsfähig?

    Schavan: Selbstverständlich ist sie arbeitsfähig. Sie hat viele gemeinsame Projekte. Vor allen Dingen trägt sie Verantwortung dafür, dass in diesen vier Jahren der Legislaturperiode, für die wir gewählt sind, das Land vorankommt. Und wer die Zwischenbilanz nach zwei Jahren liest, der weiß: Wir sind gut vorangekommen und müssen daran weiter arbeiten.

    Heinemann: Im Übrigen ist die SPD doch regierungsfähig?

    Schavan: Die SPD regiert mit uns, und das, was wir gemeinsam tun, hat das Land voran gebracht. Im Übrigen sollte die SPD nicht so nervös sein und sich aufregen, sondern vor der eigenen Türe kehren.

    Heinemann: Wie bleihaltig ist die Luft gegenwärtig im Kabinett?

    Schavan: Natürlich ist das anstrengend, gut zusammenzuarbeiten und gleichzeitig in vielen Wahlkämpfen zu sein. Aber wir alle sind erfahren genug zu wissen, dass man das eine vom anderen unterscheidet und beides zur politischen Verantwortung gehört, sich auseinanderzusetzen, aber auch die gemeinsamen Projekte, das, was für das Land wichtig ist, dass wir es gemeinsam tun, verantwortungsbewusst zu leisten.

    Heinemann: Frau Schavan, Sie haben Wahlkämpfe vor allen Dingen in Baden-Württemberg geführt. Vor gut zwei Jahren hat die Südwest-CDU Günther Oettinger und nicht Sie zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl bestimmt. Der Ministerpräsident sorgt mittlerweile politisch wie privat für wenig schmeichelhafte Schlagzeilen. Stünden Sie als Nachfolgerin bereit, sollte der Regierungschef straucheln oder gestürzt werden?

    Schavan: Die Frage stellt sich nicht.

    Heinemann: Das sagt man immer!

    Schavan: Sie stellt sich dennoch nicht, und ich habe eine Aufgabe in Berlin, die ich mit großer Leidenschaft wahrnehme und von der ich überzeugt bin, dass da viel zu tun ist.

    Heinemann: Dennoch: Wenn die Situation sich ergäbe, stünden Sie dann bereit? Vielleicht mit einer einsilbigen Antwort.

    Schavan: Das ist keine Frage, die sich stellt, und auf Situationen, die es nicht gibt, muss man nicht Antworten finden.

    Heinemann: Wir sprechen gleich in dieser Sendung mit Professor Günter Ziegler, dem Koordinator des Mathematikjahres 2008, eine Idee Ihres Ministeriums. Waren Sie eigentlich eine gute Mathematikschülerin?

    Schavan: Nein, nicht die ganze Schulzeit. Es gab gute Phasen, aber es gab auch schwierige Phasen, und deshalb freue ich mich auf das Jahr der Mathematik, wo sich ja auch für mich noch vielleicht Manches klärt, was noch ungeklärt ist.

    Heinemann: Lebenslang lernen! - Das Gespräch mit Bundesbildungs- und -forschungsministerin Annette Schavan haben wir vor dieser Sendung aufgezeichnet.