Dienstag, 30. April 2024

Archiv

Schengen-Reform
Europäische Freizügigkeit in Krisenzeiten

Geschlossene Grenzen, Passkontrolle, eingeschränkte Reisefreiheit: 30 Jahren nach der Unterzeichnung des Schengen-Abkommens sehen viele Menschen die wichtigste Errungenschaft der EU bedroht. Doch wie kann die europäische Freizügigkeit trotz wachsender Flüchtlingsströme gewahrt werden?

Von Tonia Koch | 08.10.2015
    Ein Polizist an einem Grenzzaun.
    Ein Polizist an einem Grenzzaun. (Robert Ghement, dpa picture-alliance)
    Der Verkehr braust über die Goldene Bremm, den deutsch-französischen Grenzübergang bei Saarbrücken, die Rednerin muss gegen den Lärm ankämpfen. Dutzend Demonstranten, allesamt überzeugte Europäer, hatten sich vor zwei Wochen hier eingefunden, nachdem die Bundesrepublik beschlossen hatte, an ihren Grenzen wieder Reisende zu kontrollieren.
    "Meine Tochter ist Deutsche und Französin und ich kann mir nicht vorstellen, dass wir einen solchen Rückschritt über uns ergehen lassen müssen. Wir dürfen nicht wieder zurückfallen in diese Kleinstaaterei in dieses: Jeder lebt für sich. Diese Region wirbt und lebt vom gemeinsamen Arbeitsmarkt von den Grenzgängerinnen und Grenzgängern, die höchste Zahl in Europa 215.000 täglich, die in dem einen Land leben und in dem anderen ihre Arbeitsstätte haben, wenn das nicht mehr reibungslos funktioniert, ist hier Schicht im Schacht. Grenzkontrollen, das ist eine Panikmaßnahme und eher ein Kniefall vor den EU-Gegnern. Ich denke nicht, dass wir so etwas hart Erkämpftes wie Freiheit der Personen so leicht aufgeben dürfen."
    Schutz der europäischen Freizügigkeit
    Dass die europäische Freizügigkeit, die eng mit dem Namen Schengen verbunden ist, geschützt werden muss, da sind sich wohl die meisten Schengen-Staaten einig. Nur wie. Mit einem Rückgriff auf nationale Sicherheitsmuster?. Wenn es sein muss ja, argumentiert die slowenische Innenministerin Vesna Znidar.
    "Das Schengen System steht in der Tat vor seiner größten Bewährungsprobe und wir sollten den EU-Mitgliedstaaten erlauben, flexibler zu reagieren."
    Was genau das bedeutet, ließ Znidar offen. Fest steht, dass auch Slowenien angesichts Tausender Flüchtlinge, die über die Balkan-Route nach Westeuropa kamen, seine Grenzen geschlossen hat. Der Vertrag von Schengen sieht diese Möglichkeit ausdrücklich vor. Allerdings sind solche Einschnitte in die europäische Reisefreiheit zeitlich beschränkt, das dürfe nicht vergessen werden. Darauf wies der für Migration zuständige EU-Kommissar, Dimitris Avramopoulos ausdrücklich hin. Die Europäische Union müsse schnellmöglich wieder Ordnung ins System bringen, sagte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. Die EU müsse den Blick viel stärker nach außen, denn nach innen richten.
    "Wenn wir verhindern wollen, dass wieder die Kontrollen an den internen Grenzen hergestellt werden, dann müssen wir die Kontrollen an den Außengrenzen funktionieren. Um das zu tun, brauchen wir Solidarität. Wir können das den Griechen und Italienern nicht alleine überlassen."
    Instrumente, wie etwa die europäische Grenzpolizei Frontex, seien vorhanden. Aber diese müsste mit mehr Geld und mehr Personal ausgestattet werden. Europa habe auch den Kampf gegen skrupellose Menschenhändler aufgenommen, auch wenn es noch ein weiter Weg sei, den Schlepper-Banden das Handwerk zu legen, ergänzte EU Kommissar Avramopoulos.
    "Dieser Kampf ist noch längst nicht gewonnen. Wir brauchen dafür die Hilfe dritter Staaten, das können wir nicht alleine machen."
    Treffen der EU-Außenminister
    Heute Abend treffen sich die Außenminister der EU in Luxemburg deshalb mit Vertretern der Westbalkanstaaten, der Türkei, dem Libanon und Jordanien. Diese Länder müssten, das dürfe nicht vergessen werden, weitaus mehr Flüchtlinge versorgen, als dies aktuell in der Europäischen Union der Fall sei, mahnte der luxemburgische Außenminister.