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Schiffbruch verhindern
Der schwierige Kampf gegen Unfälle auf See

Vor 20 Jahren kam es vor Amrum zur Katastrophe: Der Holzfrachter "Pallas" lief brennend auf Grund und verlor Öl. Tausende Seevögel verendeten. Bund und Länder haben seitdem viel unternommen, um solche Unfälle künftig zu verhindern. Aber nicht alle Probleme sind gelöst.

Von Lutz Reidt | 24.10.2018
    . Die Havarie des Holzfrachters Pallas hat 1998 zu einer der größten Ölverschmutzungen im Naturpark Wattenmeer geführt
    Die Havarie des Holzfrachters "Pallas" 1998 führte zu einer der größten Ölverschmutzungen im Naturpark Wattenmeer (picture alliance/dpa/Ingo Wagner)
    Moderat ist der Seegang an diesem trüben Sommertag, die Wellen leisten dem orangefarbenen Schlauchboot nur wenig Widerstand. Mit gut 20 Knoten düsen André Blötz und seine Kollegen von der Küstenwache über die Wogen der Nordsee, wenige Seemeilen vor der Südspitze der Insel Amrum. Das Ziel der halbstündigen Bootsfahrt taucht schemenhaft im Dunst auf. Rostiger Stahl - meterhoch ragt er aus der grauen Nordsee empor. Ein paar Seevögel fliegen auf. Weiß-graue Kotspuren auf dem rostroten Stahlskelett signalisieren, dass sie häufiger auf dem Wrack des Schiffes hocken, das vor 20 Jahren die Schlagzeilen bestimmte:
    Die "Pallas" - Sinnbild der größten Ölkatastrophe in der Geschichte des Wattenmeeres. Argwöhnisch mustert André Blötz das rostige Wrack. Viel davon ist nicht mehr übrig:
    "Von diesen 180 Metern sieht man jetzt vielleicht noch 20 Meter, die in der Mitte auseinander gebrochen sind, was von den Vögeln jetzt als Brutplatz genutzt wird; und über die nächsten Jahre wird der Rest dann auch versanden beziehungsweise verschwinden; ein Kollege hat das mal bezeichnend dargestellt: Das ist das Mahnmal der Nordsee, und wenn man die Bilder so sieht, das trifft das ziemlich gut."
    Vor 20 Jahren - der Holzfrachter Pallas brennt auf See
    Vor 20 Jahren, am 25. Oktober 1998, bricht vor der dänischen Nordsee-Küste auf dem Holzfrachter "Pallas" ein Feuer aus, das nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist. Dänische und deutsche Marine-Hubschrauber können zwar die Besatzung in einer dramatischen Rettungsaktion evakuieren. Doch die tosenden Herbststürme treiben die führerlose Pallas nach Süden, vor die deutsche Küste. An Sylt vorbei driftet das lichterloh brennende Schiff weiter, bis es vier Tage später vor Amrum auf Grund läuft. Jürgen Jungclaus – damals Amtsvorsteher und viele Jahre Bürgermeister auf Amrum – erinnert sich:
    "Es war nach wie vor noch sehr, sehr stürmisch, und der Wind trieb dann also diese Brandwolken hier über die Insel. Es war also ein beißender Holzgeruch, also von verbranntem Holz zu spüren. Und gleichzeitig dann also dieses Schiff dort vor der Tür - es war also beängstigend, weil jeder, der hier auf Amrum lebt, weiß, dass die Sande vor unserer Insel sehr gefährlich sind. Es ging also nicht nur um das Schiff, das dort brennend vor der Küste lag, sondern auch das Wissen, dass so ein Schiff sich dort nicht halten kann. Es wird also durch die Strömungen, durch die Wasserverhältnisse so verändert, dass also die Gefahr bestand, dass es auseinanderbricht. Und das war unsere größte Sorge, weil wir ja wussten, dass auf diesem Schiff normale Betriebsstoffe mitgeführt werden, die dann wahrscheinlich an den Strand geschwemmt werden würden."
    "Das war schon ein Schock für uns, damals"
    Bereits drei Tage nach der Strandung entweichen erstmals ölhaltige Gemische aus dem Frachter. Das weiterhin stürmische Wetter mit hohen Wellen verhindert eine Aufnahme der Schadstoffe. Der tagelange Brand hat auch den Stahl des Rumpfes aufgeweicht. Die Folge: Beim Versuch, die Pallas in tieferes Wasser zu ziehen, bricht das Schiff auseinander.
    Auch auf dem Festland bleiben diese Ereignisse unvergessen. So etwa in Husum. Dort leitet Hans-Ulrich Rösner das Wattenmeer-Büro der Naturschutzorganisation WWF:
    "Das war schon ein Schock für uns, damals, dass da ein harmloser kleiner Holzfrachter anfängt zu brennen; die gesamte maritime Sicherheits-Schifffahrt nicht in der Lage ist, dieses Feuer an Bord zu löschen, auch nicht in der Lage ist, dieses Schiff auf den Haken zu nehmen und dorthin zu schleppen, wo es sicherer ist; sondern dass man erkennbar nicht wusste, was man tun soll. Das trieb dann also tagelang durch die Gegend, alles Mögliche ging schief, Taue rissen, Funkverkehr war eigenartig und zeigte auch, dass man mit so was nicht gerechnet hatte. Letztlich strandete das Teil und es war dann ganz schön schwierig, es zu löschen. Und ebenso schwierig war, das Öl von Bord zu kriegen und das zu sichern, was noch nicht ausgelaufen war. Und es ist tatsächlich so, dass ungefähr 16.000 Seevögel ums Leben kamen hier."
    Landtag in Kiel reagiert mit Untersuchungsausschuss
    Einige Wochen nach der Havarie setzt der schleswig-holsteinische Landtag einen Untersuchungsausschuss ein. Der später vorgelegte Bericht wird mehr als 600 Seiten stark sein. Der damalige Bürgermeister auf Sylt und heutige Bevollmächtigte des Landes Schleswig-Holstein beim Bund in Berlin, Ingbert Liebing von der CDU, erinnert sich:
    "Das ist ja einer der Punkte, der dann offenkundig wurde, dass es keine irgendwie geartete organisierte Zusammenarbeit der Behördenstrukturen gegeben hat - innerhalb der Landesregierung, wo der Umweltminister versucht hatte, das zu regeln; aber der Umweltminister ist nicht derjenige, der Katastrophen händeln kann; das ist der Innenminister mit seinem Stab; und der war anfangs gar nicht eingebunden, sondern der Umweltminister, der das Wattenmeer schützen wollte. Er war zuständig dann für den Küstenschutz, aber hatte eben nicht die Erfahrung und die ganzen Instrumente für den Katastrophenschutz."
    Ab 2003 gibt es das Havariekommando in Cuxhaven
    Das Bundesverkehrsministerium beauftragt nach der "Pallas"-Havarie eine unabhängige Kommission, ein verbessertes Notfall-Konzept für die deutschen Küsten an Nord- und Ostsee zu erarbeiten. Kompetenzgerangel sowie mangelnde Koordination der Sicherheitskräfte werden auch hier für den ausufernden Verlauf der Katastrophe verantwortlich gemacht.
    Unter anderem deswegen wird im Jahr 2003 das Havariekommando in Cuxhaven eingerichtet – als zentraler Baustein des neuen Notfall-Konzeptes für einen besseren Katastrophenschutz:

    "Es ist bitter, dass dies erst durch solch ein schweres Unglück ausgelöst wurde. Aber das haben wir ganz häufig so, das haben wir auf europäischer Ebene, dass bestimmte Pakete zur Sicherheit auf See immer nach einem Unfall umgesetzt werden: Das Havariekommando mit einem hauptamtlichen Stab, der permanent einsatzfähig ist in einer komplexen Schadenslage, hat dann Zugriffsmöglichkeiten auf andere Behördenstrukturen und kann sich dann auch der Marine bedienen oder anderer, die mithelfen könnten, 24 Stunden, jeden Tag, 365 Tage im Jahr."
    "Die Gefahr ist unverändert auch heute noch so"
    Das Havariekommando ist Bestandteil des Maritimen Sicherheitszentrums MSZ, das Anfang 2007, seine Arbeit aufnimmt. Hier sind die Einheiten des Bundes und der Küstenländer gemeinsam untergebracht - mit den Einsatzleitstellen der Bundespolizei, des Zolls und der Fischereiaufsicht, ergänzt durch die Leitstelle der Wasserschutzpolizeien der Küstenländer sowie die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Durch die räumliche Konzentration in Cuxhaven erhoffen sich die Beteiligten ein effizientes Miteinander und somit auch ein höheres Maß an maritimer Sicherheit.
    Grundsätzlich begrüßt auch Hans-Ulrich Rösner vom WWF diesen Ansatz, verweist aber auch auf die schwer kalkulierbaren Risiken auf hoher See:
    "Die Gefahr ist unverändert auch heute noch so: Das Zusammentreffen unglücklicher Umstände! Da muss nur jemand an der falschen Stelle betrunken sein, ein Maschinenschaden entstehen, das Steuer eines Schiffes nicht mehr funktionieren, das Wetter schlecht sein - dann kann auch heute eine Katastrophe passieren."
    "Dieser Fall wäre ohne Havariekommando viel schlimmer ausgegangen"
    Vor genau einem Jahr wäre es beinahe wieder passiert:
    Vor den Ostfriesischen Inseln treibt das Sturmtief "Herwart" die "Glory Amsterdam" in Richtung Küste. Ebenso wie die Pallas vor Amrum läuft auch der gut 220 Meter lange Schüttgutfrachter auf Grund, kurz vor Langeoog, im "Niedersächsischen Nationalpark Wattenmeer" - mit 140 Tonnen Marinediesel und 1.800 Tonnen Schweröl an Bord.
    Wie vor 20 Jahren gelingt es auch hier den Bergungsschiffen zunächst nicht, den leeren Frachter an den Haken zu nehmen. Die Glory Amsterdam kann zwar – trotz etlicher Pannen – einige Tage später nach Wilhelmshaven geschleppt werden – ohne dass Öl oder andere Gefahrstoffe auslaufen. Trotz dieses glimpflichen Ausgangs wird Kritik laut am Havariekommando in Cuxhaven.
    "So ist es. Aber das ist jetzt auch ein Fall von ganz vielen. Es gibt ja viele, die reibungslos abgewickelt worden sind. Und selbst dieser Fall Glory Amsterdam wäre mit Sicherheit ohne Havariekommando, ohne diese Struktur, noch viel schlimmer ausgegangen. Insofern ist es kein Argument zu sagen, das hätte sich nicht bewährt. Trotzdem ist ja jeder Fall ein Einzelfall für sich und muss dann überprüft werden: Wo kann das auch wieder verbessert werden."
    Mangelnde Kooperationsbereitschaft des Kapitäns?
    Diese Überprüfung ist Aufgabe der BSU, der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung in Hamburg. Seit einem Jahr werden dort bis ins kleinste Detail jene Abläufe untersucht, die zur Strandung der Glory Amsterdam geführt hatten. Aufgabe der BSU ist es nicht, einen Schuldigen im rechtlichen Sinne ausfindig zu machen. Vielmehr ist es das Ziel, Empfehlungen für alle Beteiligten auszuarbeiten, die den Schiffsverkehr als Ganzes sicherer machen können.
    Foto aus dem Hubschrauber auf das rot-schwarze Schiff, das in aufgewühlter See festsitzt und Anker geworfen hat.
    Der Frachter Glory Amsterdam lief 2017 durch den Sturm "Herwart" vor Langeoog auf Grund (dpa)
    Im Mittelpunkt der Untersuchungen dürfte auch die Rolle des Kapitäns stehen. Von verschiedenen Seiten wurde dem Schiffsführer der Glory Amsterdam unter anderem mangelnde Kooperationsbereitschaft unterstellt, als die deutschen Bergungsschiffe versuchten, seinen Frachter zu sichern.
    Vor 20 Jahren, bei der Havarie der Pallas, habe es ähnliche Probleme gegeben, erinnert sich Jürgen Jungclaus. Der Amrumer Kreistagsabgeordnete von der "Wählergemeinschaft Nordfriesland - Die Unabhängigen" fordert daher zukünftig ein konsequenteres Vorgehen der maritimen Sicherheitskräfte:
    "Es muss also nicht nur geklärt sein, sondern auch umgesetzt werden können, dass die nationalen Behörden Befugnisse bekommen – oder wenn sie sie schon haben, auch nutzen – um auch gegen den Willen eines Reeders, gegen den Willen eines Kapitäns, Anweisungen durchzusetzen. Es kann also nicht angehen, wie hier im Fall Pallas, dass der Reeder aus Italien verhandelt hat, bis dann überhaupt deutsche Behörden eingreifen durften. Das kann es nicht sein."
    "Wir haben viele Zuständigkeiten auf hoher See"
    Jürgen Jungclaus unterstützt zudem eine Forderung von rund 200 Küstenkommunen, den Landkreisen und verschiedener Verbände, die in der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste, kurz SDN, organisiert sind. Der SDN zufolge sollten die im Maritimen Sicherheitszentrum vorhandenen Kräfte als "Deutsche Küstenwache" zusammengefasst werden. Diese Küstenwache soll dann dem Bundesinnenministerium zugeordnet werden. Und die vorhandenen Kräfte noch besser bündeln. Staatssekretär Ingbert Liebing kennt diese Idee:
    "In den Jahren, als ich Mitglied im Deutschen Bundestag war, habe ich mich für eine solche einheitliche nationale Küstenwache eingesetzt. Ich habe aber feststellen müssen, dass dies ein verdammt dickes Brett ist, das zu bohren ist."
    Der Grund: Zum Einen sei es ein sehr spezielles Thema, das eigentlich nur norddeutsche Abgeordnete aus den Küstenregionen auf der Agenda hätten.
    "Das zweite ist eben: die beteiligten Ressorts. Daher kommen ja die größten Widerstände, weil kein Ressort seine eigenen Zuständigkeiten abgeben möchte. Das Bundesverkehrsministerium mit der Zuständigkeit für die Wasserschifffahrtsverwaltung, das Bundesfinanzministerium für den Zoll, das Landwirtschaftsministerium mit der Fischereiaufsicht. Wir haben ja viele Zuständigkeiten auf hoher See."
    Diese vielen Zuständigkeiten – so die Küstenanrainer – seien bis heute Kern des Problems. Behörden und Organisationen auf Bundes- und Landesebene mit teilweise überlappenden Zuständigkeiten machten ein koordiniertes Handeln bei komplexen Einsätzen schwierig und kostspielig.
    Ein zweiter hochseetauglicher Bergungsschlepper müsste her
    Eine weitere Forderung der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste: Ein zweiter hochseetauglicher Bergungsschlepper müsse her. Dieser fehlt bis heute, und das ist auch in jenen stürmischen Herbsttagen vor zwanzig Jahren ein großes Problem gewesen: Das einzige Schiff, das die "Pallas" gegebenenfalls hätte sichern können, war bereits anderweitig im Einsatz. Nämlich die "Oceanic". Die ist:
    "Ein Bergungsschiff, ein Schiff, was also auch zum Schleppen gebaut ist. Also über den entsprechenden Tiefgang verfügt, und vor allen Dingen über den nötigen Pfahlzug. Das ist also die Kraft, die dann also umgesetzt wird, um so ein Schiff überhaupt zu bewegen."
    Statt der "Oceanic" kamen jedoch Mehrzweckschiffe zum Einsatz, die so konstruiert sind, dass sie zum Beispiel bei günstigen Witterungsbedingungen Öl von der Meeresoberfläche aufnehmen können:
    "Die 'Mellum', die 'Neuwerk', die ja dann auch mit der 'Pallas' zu tun hatten und es nicht ganz geschafft haben. Und da muss man auch ganz klar betonen: Das hat also nichts mit den Personen zu tun, die dort an Bord waren, sondern das hat einfach mit diesem Objekt 'Mehrzweckschiff' zu tun. Bei diesen extremen Verhältnissen ist es also diesen Schiffen nicht gelungen, die Pallas auf den Haken zu nehmen und in sichere, tiefere Gewässer zu schleppen."
    Ein zweiter Schlepper wäre teuer
    Jürgen Jungclaus bedauert noch heute, dass die "Oceanic" damals nicht verfügbar war und somit die "Pallas" auf seine Insel zutreiben konnte. Der einzige Fortschritt seitdem: Vor knapp acht Jahren hat ein neuer Bergungsschlepper die "Oceanic" abgelöst - die "Nordic".
    Aber das 78 Meter lange und knapp 50 Millionen Euro teure Schiff ist nördlich der Insel Norderney stationiert, also vor den ostfriesischen Inseln – und somit fernab der Inseln und Halligen im nordfriesischen Wattenmeer. Was dort für Unbehagen sorgt.
    CDU-Staatssekretär Ingbert Liebing hat Verständnis dafür. Er bezweifelt jedoch, dass die Mittel für einen zweiten, teuren Bergungsschlepper - zusätzlich zur "Nordic" - bewilligt werden könnten:
    "Nun ist es ja so, dass die 'Nordic' ab einer bestimmten Windstärke nicht mehr vor Norderney liegt, sondern vor Helgoland, um dann von dort aus in jede Ecke der Deutschen Bucht so schnell wie möglich auch auslaufen zu können und helfen zu können. Allein die Beschaffung der 'Nordic' ist ja schon ein gewaltiger Kraftakt gewesen; dafür zu sorgen, dass dieses Schiff wirklich hochseetauglich ist, aber auch im flachen Wasser besser arbeiten kann. Wenn es nur hochseetauglich wäre, dann hätte ein solches Schiff auch die 'Pallas' direkt vor Amrum da nicht mehr abschleppen können im flachen Wattenmeer."
    Analyse zum Fall Glory Amsterdam steht noch aus
    Der "Nordic" ist es aber vor einem Jahr auch nicht gelungen, die "Glory Amsterdam" rechtzeitig auf den Haken zu nehmen. Was konkret schiefgelaufen ist, soll die Fallanalyse der BSU klären, also der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung.
    Für den Amrumer Kreistagsabgeordneten Jürgen Jungclaus steht fest: Langeoog und das ostfriesische Wattenmeer hatten nach Strandung der "Glory Amsterdam" deutlich mehr Glück als "seine" Insel und das nordfriesische Wattenmeer vor 20 Jahren. Darüber ist er erleichtert. Aber er sieht darin keine Garantie für die Zukunft:
    "'Pallas' - ich muss es noch einmal deutlich sagen: ein normaler Holzfrachter, der seine ganz normalen Betriebsstoffe an Bord hatte! Es war kein Tankschiff, er hatte nur seine Betriebsstoffe an Bord. Jeder hat genug Fantasie und kann sich ausmalen, was also hier in unseren Küstenbereichen passiert, wenn ein großer Öltanker oder Chemietanker ein ähnliches Schicksal erleidet. Die ganzen Watten, die Sände - es wäre also alles tot. Denn Sie haben ja hier keinen glatten Küstenstrich, den man dann wieder reinigen kann mit großen Gerätschaften, sondern hier gibt es Ecken, wo Sie also nur zu Fuß hin können. Und das auch nur sehr, sehr beschwerlich."
    "Glory Amsterdam" ankerte "auf Reede"
    "Die Furcht vor so was ist unverändert groß; sie war es damals, sie ist es heute. Und wir haben auch heute große Öltanker, die regelmäßig in den Jadebusen einfahren und dort in Wilhelmshaven, am größten Ölterminal für Deutschland, ihr Öl abladen. Dort kann jeden Tag was passieren. Und es ist noch nicht lange her, da ist so ein Öltanker auf Grund gelaufen vor Wilhelmshaven. Der konnte dann wieder freikommen. Aber allein die Tatsache, dass der auf eine Sandbank aufläuft, und das trotz aller Sicherheitsmaßnahmen, zeigte schon, wie leicht etwas schiefgehen kann", sagt Hans-Ulrich Rösner vom WWF.
    Deswegen sei Prävention umso wichtiger: Unfallverhütung müsse zukünftig eine größere Bedeutung haben. Die "Glory Amsterdam" lag damals ohne Fracht in der Nordsee "auf Reede". Um teure Hafengebühren zu sparen, ankern die leeren Schiffe an bestimmten Stellen und warten auf Aufträge.
    Hans-Ulrich Rösner fordert, dieses "Ankern auf Reede" zumindest dann zu verbieten, wenn schwere Stürme vorhergesagt sind. Stattdessen sollten die leeren Frachter rechtzeitig einen sicheren Hafen ansteuern, bis sich das Unwetter verzogen hat. Gegebenenfalls müsste dieses sogenannte "Abwettern" attraktiver gestaltet werden, durch Anreize wie etwa ermäßigte Liegegebühren.
    Kostendruck "ist das eigentliche Problem"
    Diese Maßnahme diene vor allem dem Küstenschutz und sollte eigentlich auch im Sinne der Reeder sein – die jedoch befinden sich in einem geradezu ruinösen globalen Wettbewerb:
    "Im Grunde darf der Transport eines Containers von China nach Europa eigentlich so gut wie nichts mehr kosten. Und wenn es nichts mehr kostet, dann hat man auch kein Geld, um Besatzungen ordentlich zu bezahlen, dann hat man auch kein Geld, das Schiff sicher zu machen, dann hat man auch kein Geld, so zu fahren, dass man keine unnötigen Risiken eingeht, zum Beispiel bei schweren Stürmen, bei denen natürlich viel leichter Havarien passieren, nicht zu fahren und und und. Und dieser letztlich vom Welthandel ausgelöste Druck, dass Transport nichts mehr kosten darf, das ist das eigentliche Problem, was all diese Probleme letztendlich hervorruft."
    Und die dann dafür sorgen, dass vor den Küsten ausgebrannte Wracks über Jahre hinweg im Schlick versinken.
    Respekt vor den rostigen Resten des Rumpfes
    Respektvoll hält André Blötz von der Küstenwache das orangefarbene Schlauchboot auf Abstand zum Wrack der Pallas, obwohl er jetzt – bei Hochwasser – ganz nah ranfahren könnte. Aber er will kein unnötiges Risiko eingehen! Niemand weiß, wie es unter Wasser aussieht.
    Die Schiffsaufbauten wurden nach der Havarie entfernt. Was jetzt noch von der "Pallas" zu sehen ist, sind die rostigen Reste des Rumpfes: Besonders markant der vordere Teil, der dominant aus dem Wasser ragt. In der Mitte eine Bruchstelle, und im hinteren Teil scheint ein überdimensionierter Nagel zu stecken:
    "Und hinten sieht man noch einen Dalben – das wurde genutzt, um das Wrack zu fixieren, damit das in dieser Position vor Ort bleibt."