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Schlacht bei Bouvines
Der Triumph von König Philipp II.

Vor 800 Jahren standen sich an einer Brücke im Norden Frankreichs die Truppen des französischen Königs und des deutschen Kaisers gegenüber. Die Schlacht bei Bouvines entschied für lange Zeit über die Machtverhältnisse in Frankreich, in England und im Deutschen Reich.

Von Winfried Dolderer | 27.07.2014
    Eine Landkarte mit Blick auf Frankreich
    Die Schlacht bei Bouvines schuf die Grundlage für die Entwicklung Frankreichs zu einem zentral regierten Nationalstaat. (AFP/Joel Saget)
    Eine Brücke über das Flüsschen Marcq, eine dem heiligen Petrus geweihte Kapelle, ein paar Bäume, das war Bouvines vor 800 Jahren. Es war zugleich ein strategischer Punkt. Der Ort im äußersten Norden des heutigen Frankreich liegt auf einer traditionsreichen Invasionsroute, wie der französische Historiker Pierre Monnet erklärt:
    "Jahrtausendelang ist dieser Weg von Norden, also sprich Flandern oder Ostgebiete Richtung Paris, das ist der Weg immer der Invasoren oder der Armeen, die Frankreich erobern können. Und wenn man so will, das dauert bis 1940."
    Damals, am 27. Juli 1214, kam von Norden der römisch-deutsche Kaiser Otto IV. mit seinem Heer. An seiner Seite die Grafen von Boulogne und Flandern, abtrünnige Vasallen des französischen Königs. Die Herzöge von Brabant und Limburg, die Grafen von Dortmund und Tecklenburg. Eine imposante Streitmacht. Die Truppen des französischen Königs Philipp August zogen seit dem frühen Morgen über die Brücke von Bouvines, um sich jenseits der Sumpfniederung in Sicherheit zu bringen. Der König machte im Schatten eines Baumes Rast. Da erreichte ihn die Nachricht, dass seine Nachhut bereits mit den Verfolgern im Gefecht war.
    "Er legte seine Rüstung an. Dann schwang er sich aufs Ross, heiter und mit so großer Freude, als müsste er zu einer Hochzeit oder einem Fest, zu dem er eingeladen wäre",
    schreibt Philipp Augusts Hofkaplan Wilhelm, der die Schlacht von Bouvines an der Seite des Königs erlebte. Kaiser Otto war der Neffe und Verbündete des englischen Königs Johann Ohneland. Dieser wiederum war der größte und gefährlichste Vasall des französischen Monarchen. Englands Herrscher geboten über die Herzogtümer Normandie und Aquitanien sowie die Grafschaft Anjou. In etwa also über halb Frankreich. Für Philipp August ging es bei Bouvines darum, Herr im eigenen Königreich zu werden. Einige Jahre zuvor hatte er sich die Normandie und die Grafschaft Anjou aneignen können. Jetzt holte Johann zum Gegenschlag aus. Er selbst landete im Südwesten Frankreichs. Kaiser Otto marschierte im Norden ein.
    Missglückte Dolch-Attacke
    "Er hatte als Feldzeichen einen vergoldeten Adler auf einem Drachen aufrichten lassen, der auf einer hohen Stange angebracht war",
    erzählt der Chronist Wilhelm. Von Mittag bis fünf Uhr nachmittags dauerte das Getümmel. Philipp August geriet in eine prekäre Lage, als deutsche Kriegsknechte ihn umzingelten und vom Pferd holten. Doch er konnte sie abwehren, sprang wieder in den Sattel und preschte mit seinen Rittern auf Otto los. Ein Franzose versuchte, den Kaiser zu erdolchen, traf aber nur dessen Pferd ins Auge. Dieses wendete und galoppierte in Panik mit seinem Reiter vom Schlachtfeld.
    "Otto flieht. Heute werden wir ihm nicht mehr ins Gesicht sehen",
    kommentierte lakonisch der Sieger Philipp August. Nach damaligem Verständnis war dies ein Gottesurteil, sagt Pierrre Monnet:
    "Die Schlacht im Mittelalter ist weniger ein Mittel dazu, Krieg zu gewinnen als Frieden zu sichern, Treue zu sichern und natürlich immer zu bestätigen: Auf welcher Seite steht Gott?"
    Für den Welfen Otto hatte die Niederlage dramatische Folgen. Er verlor die Macht in Deutschland an seinen Rivalen Friedrich II. von Hohenstaufen, den Enkel Barbarossas. Der französische König schickte Friedrich vom Schlachtfeld den ramponierten goldenen Adler als Trophäe. Bouvines brachte die Entscheidung in der letzten Episode des Konflikts zwischen Staufern und Welfen. In England wurde die Stellung des Königtums dauerhaft geschwächt.
    Rebellische Barone trotzten dem Verlierer Johann 1215 den großen Freiheitsbrief ab, die Magna Charta. Damit waren die Weichen in Richtung Rechtsstaat und Parlamentarismus gestellt. Für die französische Monarchie hätte das 13. Jahrhundert kaum glorreicher beginnen können, meint Monnet:
    "Man muss auch nicht vergessen, dass ab dem Moment alle französischen Chronisten den Philipp August und nach ihm alle Kapetinger und dann die Valois nicht mehr "rex Francorum" nennen, also König der Franken beziehungsweise Franzosen, sondern "rex Franciae", also König von Frankreich."
    Die Schlacht schuf die Grundlage für die Entwicklung Frankreichs zu einem zentral regierten Nationalstaat. Und sie wurde zum Kernstück einer patriotischen Geschichtserzählung. Nicht zuletzt 700 Jahre später im Ersten Weltkrieg.