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Schlaganfälle
Unter Umständen bis zu neun Stunden behandelbar

Bei Anzeichen eines Schlaganfalls ist höchste Eile geboten. Nach neuen Erkenntnissen ist das Zeitfenster für eine nutzbringende Lyse-Therapie allerdings bei bestimmten Patienten doppelt so groß wie bisher angenommen.

Armin Grau im Gespräch mit Martin Winkelheide |
Ein sepzieller Schlaganfall-Notarztwagen auf dem Gelände des Krankenhauses Charté in Berlin
Wer Symptome eines Schlaganfalls hat, gehört auf schnellstem Wege in die Klinik (picture alliance / dpa / Foto: Stephanie Pilick)
In Deutschland erleiden jedes Jahr etwa 260.000 Menschen einen Schlaganfall; fast die Hälfte von ihnen behält bleibende Beeinträchtigungen. In der Mehrzahl der Fälle wird eine Gehirnarterie durch einen Blutpfropfen blockiert, was dahinterliegende Gehirnbereiche von der Durchblutung abschneidet und damit schädigt. Bislang galt: Nach Einsetzen der ersten Schlaganfallsymptome bleiben nur viereinhalb Stunden Zeit für den Versuch, den Blutspropfen medikamentös aufzulösen - danach ist der Schaden irreversibel.
Patienten müssen Glück im Unglück haben
Die neue Erkenntnis nun: Eine "intravenöse Lyse-Therapie" kann bis zu neun Stunden nach dem Schlaganfall noch nutzbringend sein: "Voraussetzung ist, dass diese Patienten das Glück haben, gute Umgehungskreisläufe zu haben, die um einen Infarktkern herum das geschädigte Gewebe noch aufrecht erhalten." Bei welchen Patienten diese Voraussetzung vorliegt, lässt sich mit bildgebenden Verfahren wie Computertomogramm (CT) und Kernspintomogramm (MRT) feststellen.
Neue Hoffnung auch bei Schlaganfall im Schlaf
Bislang waren Patienten von einer Lyse-Therapie ausgeschlossen, die den Hirninfarkt während des Schlafs erlitten hatten - hier ging man bislang davon aus, das die Frist für einen nutzbringenden Behandlungsbeginn bereits als verstrichen gelten musste. Auch hier gilt nach den neuen Studienergebnissen: Lag die Mitte der Schlafphase bis zu neun Stunden vor der Schlaganfall-Diagnose, besteht eine Chance für eine erfolgreiche Therapie.
Weiterhin gilt: "Jede Minute zählt"
Ganz wichtig: Die neuen Erkenntnisse bedeuten nicht, dass sich das Zeitfenster für eine Schlaganfall-Therapie für alle Patienten generell ausweitet. Die Wahrscheinlichkeit, ohne bleibendes Defizit davonzukommen, sinkt mit jeder verstrichenen Minute ab dem Hirninfarkt ab: "Je früher, desto besser, gilt für alle Patienten."
Prof. Armin Grau ist Erster Vorsitzender der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft und Direktor der Neurologischen Klinik am Klinikum Ludwigshafen.