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Schleierdebatte im Sommerloch

Der eigentlich machtlose Hohe Integrationsrat in Frankreich empfiehlt, das Tragen von Schleiern an Universitäten zu verbieten. Auch wenn eigentlich niemand diesen Vorschlag umsetzen will, ist in der sonst nachrichtenarmen Zeit eine Diskussion entbrannt.

Von Ursula Welter | 09.08.2013
    Die Zeitung "Le Monde" hatte zu Wochenbeginn einen Text aus dem April ausgegraben. Verfasst vom Hohen Integrationsrat HCI, der noch in konservativen Regierungszeiten geschaffen worden war. In dem Text wird empfohlen, das Tragen des Schleiers auch an Universitäten zu verbieten. An Frankreichs staatlichen Schulen gilt das Verbot bereits seit dem Jahr 2004.
    Der Text ist also aus dem Frühjahr, mithin nicht mehr ganz frisch, wäre aber erst im Herbst ans Tageslicht gekommen, dann legt der Integrationsrat seinen Jahresbericht vor. Viel Einfluss hat die Institution aber ohnedies nicht mehr, der sozialistische Präsident Hollande hat eine eigene Kommission zur "Beobachtung der Laizität" ins Leben gerufen. Sie soll nun die Arbeiten an einer Neufassung des "Laizitätsgesetzes von 1905" voranbringen, das in Frankreich die Trennung von Staat und Kirche regelt.

    "Für uns steht das nicht auf der Tagesordnung","

    erklärte Nicolas Cadene für die nun zuständige Kommission.

    ""Wir haben wichtige Arbeit zu leisten, aber das steht nicht auf der Tagesordnung","

    sagte er dem Sender "France Info" von seinem Urlaubsort aus.

    Auch der Vorsitzende der Konferenz der Universitätspräsidenten sah sich zu einer Klarstellung gezwungen: Die Hochschulen seien keineswegs erpicht auf ein Schleierverbot, schrieb Jean-Loup Salzmann. Das habe er dem Integrationsrat im Frühjahr auch schon mitgeteilt.

    Dabei hatte der Rat sich auf Klagen aus den Universitäten bezogen, als er schrieb, der Einfluss religiöser Gruppierungen, ob muslimischer oder christlicher, wachse besorgniserregend an, es lasse sich ein zunehmender "Bekehrungseifer" beobachten und die Gefahr von "Parallelgesellschaften" an den Hochschulen nehme zu.

    Er teile die Schlussfolgerungen des Integrationsrates nicht, stellte Salzmann für die Universitätspräsidenten klar, ein Schleierverbot sei keine gute Idee, außerdem fuße das Papier auf einer Studie aus dem Jahr 2004. Die Zeitung "Libération" spürte daraufhin im sommerlichen Frankreich einen der Mitverfasser beim Integrationsrat HCI auf, Alain Seksig, und zitierte auch den mit den Worten: Er sei erstaunt, dass die Vorschläge des HCI plötzlich ausgegraben worden seien. Eine Polemik für das Sommerloch, schlussfolgerte das Blatt.

    Dennoch, die Arbeiten am "Laizitätsgesetz" laufen und werden in den kommenden Monaten in einen konkreten Vorschlag der sozialistischen Regierung münden. Sicher, sagt Nicolas Cadene für die tonangebende Kommission, es sei nicht auszuschließen, dass der Vorschlag wieder auf den Tisch komme.

    ""Aber wir sehen das vorerst nicht. Es gibt andere Dringlichkeiten."

    Der Integrationsrat hatte in seinem Bericht nicht nur den zunehmenden "Bekehrungseifer" muslimischer Gruppen an den Hochschulen Frankreichs beklagt, sondern auch christliche Eiferer erwähnt, der Reflex der öffentlichen Debatte aber galt dem "Kopftuchverbot". "Eine alte Debatte, der wir nicht nur reserviert gegenüberstehen", sagte für den Dachverband der französischen Muslime, Dalil Boubakeur:

    "Das heißt, wir schätzen, das ist nicht aktuell, nicht nötig und vor allem stigmatisiert der Vorschlag die Gesamtheit der Muslime einmal mehr."

    Anders als an den Schulen gehe es an den Universitäten außerdem um Erwachsene, nicht um Kinder, kein Grund also, einzuschreiten, meint Boubakeur, der auch Rektor der Großen Moschee von Paris ist. Natürlich gebe es Erscheinungen und Übertreibungen in der Gesellschaft, die Statistiken seien ja da. Der Dachverband arbeite auch deshalb gerade an einer Art Charta, die Rechte und Pflichten der Muslime umreißen solle, um zu sagen:

    "Volia, das ist mein Leben als muslimischer Mitbürger, als Landsmann in Frankreich, um in Frieden zusammenzuleben."