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Schleswig-Holstein
Region leidet unter Windkraft-Krise

Einst versprach die Windkraft Aufschwung für das schleswig-holsteinische Rendsburg – doch heute leidet die Region darunter. Denn der Windanlagenhersteller Senvion ist insolvent und der Schwerlasthaften macht Verluste, die die Gemeinden als Gesellschafter schultern müssen.

Von Johannes Kulms | 31.10.2019
Zwei Männer in Arbeitskleidung stehen auf einer Wiese vor einer Windkraftanlage. Symbolfoto.
Die Ursachen für die Krise der Windanlagenbauer sind vielfältig (imago images / Westend61)
Noch ragt in Osterrönfeld ein riesiges weißes Rotorenblatt in den Himmel. Darauf zu lesen ist der Schriftzug Senvion. Lange Zeit stand dieser Name für eine Erfolgsgeschichte. Hier, vor den Toren Rendsburgs, betreibt der Windanlagenbauer gleich zwei Standorte. In Osterrönfeld sitzt die Entwicklungsabteilung von Senvion, ein paar Kilometer weiter in Büdelsdorf der Service. Laut IG Metall waren noch zum Ende des vergangenen Jahres an beiden Standorten zusammen etwa 900 Mitarbeiter beschäftigt.
Doch seitdem klar ist, dass das insolvente Unternehmen an Siemens-Gamesa verkauft wird, erscheint das Rotorenblatt heute eher wie ein Mahnmal. Zurück bleiben eine 5.000-Einwohnergemeinde am Nord-Ostsee-Kanal - und der Bürgermeister Hans-Georg Volquardts, der sich an einen regelrechten Hype erinnert.
"Natürlich war das Goldgräberstimmung. Und Senvion war ja damals - ich weiß gar nicht, wann es gewesen ist, 2006/2007 – eine der größten Industrieansiedlung überhaupt. Wenn wir als Osterrönfeld damals gesagt hätten, das machen wir nicht, das wäre wie David gegen Goliath gewesen, wir hätten uns dem nicht verschließen können."
Gemeinde brechen Gewerbeeinnnahmen weg
Dem CDU-Politiker tun die vielen Mitarbeiter leid, die sich mit ihren Familien in der Region niedergelassen haben und von denen nun viele ihren Job verlieren dürften. Gerade mal 240 Stellen werden laut IG Metall in Büdelsdorf und in Osterrönfeld insgesamt erhalten bleiben. Hinzu kämen noch einmal 100 Servicekräfte an weiteren Standorten in Schleswig-Holstein, die wohl weitermachen. Die Gewerbeeinnahmen durch Senvion sind schon lange eingebrochen.
"Ein Unternehmen, das in die Insolvenz schlittert, macht natürlich keine Gewinne. Sonst wären sie nicht insolvent. Und alles andere hängt dann dran."
Auch im 2012 eröffneten Schwerlasthafen ist die Krise der Windanlagenbauer schon lange zu spüren. Die beiden riesigen blau-orangefarbenen Kräne, die bis zu 250 Tonnen schwere Güter wuchten können, kommen nur noch selten zum Einsatz.
Am Schwerlasthaften Rendsburg tauchen immer seltener Windanlagenelemente auf.
Am Schwerlasthaften Rendsburg tauchen immer seltener Windanlagenelemente auf (Johannes Kulms/Deutschlandradio)
Als Senvion wegen der Finanzkrise 2008 seine Pläne aufgab, hier eine Produktionshalle zu errichten, war bald schon ein neuer Player aus der Windenergiebranche in Sicht. Das bayrische Bauunternehmen Max Bögl entschied sich für Osterrönfeld, um hier seine Türme für Windräder vorfertigen zu lassen. Für den An- und Weitertransport der Teile konnte Osterrönfeld mit dem Schwerlasthafen und dem nahen Autobahnzugang locken. Auch der Windanlagenbauer Enercon nutzte den Hafen am Nord-Ostsee-Kanal und brachte die in Magdeburg gefertigten Teile per Schiff hierher.
Doch die Enercon-Transporte sind seltener geworden. Und der Turmbauer Max Bögl hat nach jahrelanger Kurzarbeit gerade angekündigt, Stellen im Osterrönfelder Werk zu streichen. Wie viele das sind, will das Unternehmen nicht verraten.
Sorgt die Krise der Industrie für Akzeptanzprobleme der Windkraft?
Wenders sehe es für die beiden anderen Gesellschafter aus, die Gemeinden Osterrönfeld und Rendsburg, sagt Brunkert.
"Ich erinnere daran, dass wir andere Pflichtaufgaben haben wie zum Beispiel Kita-Plätze und so weiter zu schaffen, dazu sind wir gesetzlich verpflichtet. Und da wird der Haushalt irgendwann mal sehr eng werden!"
Brunkert hofft auf neue Kunden, um so das Defizit des mit Millionen an Steuergeldern geförderten Schwerlasthafens zu verringern.
Die Ursachen für die Krise der Windanlagenbauer sind vielfältig. Die Bundesregierung agiere zu zögerlich, auch die Landesregierung in Kiel hinke mit der Planung für künftige Anlagen hinterher, sagt Martin Bitter, Geschäftsführer der IG Metall in Rendsburg. Bundesweit ist die Zahl der Genehmigungsverfahren eingebrochen. Doch gerade für ein industriearmes Land wie Schleswig-Holstein sei das ein Problem.
"Nach wie vor finden wir in Regionen, wo relativ viele Anlagen stehen, auch eine relativ hohe Akzeptanz. Und ich glaube, in dem Moment, wo die Industrie da wegbricht, erodiert auch ein Stück weit die Akzeptanz."
Die Krise der Windkraftbranche würde sich damit also selbst beschleunigen.