Er wurde mit Verve bewundert und angefeindet: Der Regisseur, Autor und Aktionskünstler hat die deutsche Kulturlandschaft geprägt wie kaum ein anderer. Er lud sechs Millionen Arbeitslose zum Baden im Wolfgangsee ein, um dort das Ferienhaus des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl zu überfluten. Er gründete die Partei "Chance 2000" und stellte bei den Wiener Festwochen einen Container auf, in dem sich angeblich Geflüchtete befanden. Das Publikum sollte per Abstimmung entscheiden, wer abgeschoben wird. Schlingensief war auch abseits dessen nie medienscheu und ein gefragter Talkshow-Gast, dem gerne vorgeworfen wurde, es ginge ihm nur um Provokation. Nun kommt zum zehnten Todestag ein Film in die Kinos, der an Christoph Schlingensief erinnert. "Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien" heißt er, zum ersten Mal führt die Cutterin Bettina Böhler, eine Weggefährtin Schlingensiefs, Regie.
Schon als Kind ein Entertainer
Bettina Böhler benutzt ausschließlich Material, das schon vorhanden war, aufschlussreich sind vor allem die Super-8-Filme, die der Vater des Künstlers von seinem damals noch kleinen, aber schon Entertainment-begabten Sohn gemacht hat. "Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien" ist kein Rückblick von heute aus, er ist eher so gemacht, "als ob aus dem Material eine weitere Aktion von Schlingensief’scher Sprengkraft entstehen würde", sagte Filmkritikern Katja Nicodemus. "Der Gestus ist nicht der nostalgische Rückblick, sondern der Blick auf die Gegenwart".
Schlingensief auch heute noch visionär
Denn aktuell sind die Filme und auch die Aktionen von Christoph Schlingensief nach wie vor, daran lässt Böhlers Film keinen Zweifel. Die politische Sprengkraft des in Oberhausen geborenen Regisseurs, der sich sowohl mit der aktuellen Politik Deutschlands als auch mit dem Nationalsozialismus immer wieder auseinandersetzte, sei bis heute nahezu unerreicht. "Es wird klar, wie visionär diese Filme waren und es immer noch sind", meint Katja Nicodemus. "Ordnen Sie folgende Konzentrationslager von Nord nach Süd", sagte Showmaster Schlingensief in seinem Theaterabend Quiz 3000. Letztlich, so Katja Nicodemus, habe Christoph Schlingensief "permanente Selbstprovokation betrieben".