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Schmidbauer für schnelle Aussage Steinmeiers im Fall Kurnaz

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Bernd Schmidbauer wendet sich gegen eine Vorverurteilung Frank-Walter Steinmeiers im Fall Murat Kurnaz. Um die derzeitigen Spekulationen zu stoppen, sollte der BND-Untersuchungsausschuss schnellstmöglich eine Anhörung des Außenministers ermöglichen, sagte Schmidbauer, der in der Regierungszeit Helmut Kohls als Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt tätig war.

    Gerd Breker: Es gibt Klärungsbedarf im Fall Kurnaz. Der Verdacht steht im Raum, dass die rot-grüne Bundesregierung in Gestalt des damaligen Kanzleramtes sich nicht für die Freilassung des Bremer Türken Murat Kurnaz eingesetzt hat. Ja, im Gegenteil: Es gibt offensichtlich Unterlagen, nach denen man aktiv in der Verhinderung einer Überstellung des von den US-Amerikanern verschleppten und auch von ihnen gefolterten Guantanamo-Häftlings gearbeitet hat. Die US-Amerikaner jedenfalls waren seit Ende 2002 von der Unschuld ihres Häftlings überzeugt und wussten nicht, wohin mit ihm. Einer der damaligen Hauptakteure ist heute Außenminister: Frank-Walter Steinmeier. Er steht unter Druck.

    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Bernd Schmidbauer. Er ist Mitglied im BND-Untersuchungsausschuss, und er war selber unter Helmut Kohl Koordinator für die Geheimdienste im Bundeskanzleramt. Guten Tag, Herr Schmidbauer!

    Bernd Schmidbauer: Guten Tag!

    Breker: Alle sagen es. Wir hören es von jeder Seite. Es gibt Klärungsbedarf, möglichst bald möge doch Frank-Walter Steinmeier aussagen. Finden Sie das auch?

    Schmidbauer: Ich finde, Bosbach hatte Recht, als er sagte, Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Und was mich im Moment stört ist, dass alle etwas wissen. Im Grunde genommen weiß niemand etwas. Im Grunde genommen ist das nicht untersucht. Im Grunde genommen kann sich niemand vorstellen, dass es um kollegiale Entscheidungen geht, wenn im Kanzleramt über solche Dinge debattiert wird. Jetzt sucht man Herrn Steinmeier heraus. Das ist wieder etwas Neues, die neue Sau, die durchs Dorf gejagt wird. Ich finde das nicht ordentlich. Ich finde das auch journalistisch nicht immer mit der nötigen Sorgfaltspflicht bearbeitet und behandelt. Da weiß die eine Zeitung etwas, die andere etwas, aber wir sollten abwarten, was im Hinblick auf Kurnaz und die Entscheidung der Amerikaner und was Entscheidungsgründe waren, die vielleicht nicht dafür sprachen, hier entsprechend sich einzusetzen.#

    Nach meiner Erfahrung - und die geht immerhin schon einige Jahrzehnte jetzt; aktiv selber über acht Jahre Koordinator und Kanzleramtsminister -, wir haben solche Dinge immer sehr ernst genommen. Hier stand der humanitäre Aspekt im Vordergrund, und ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass es jemand gegeben hat, der, wenn dies so richtig ist, dass die Amerikaner angeboten haben, dies abgelehnt hätte. Da gab es Komplikationen, das ist klar: Staatsangehörigkeit Türkei, geboren in Deutschland, da gab es dieses Elend und dieses Leiden in Guantanamo. Das ist ein wichtiger Punkt, und das geht vor manchen taktischen oder strategischen Überlegungen, dass man jemand aus einer solchen Folterkammer herausholt.

    Breker: Herr Schmidbauer, Sie sagen selbst: alle reden darüber und keiner weiß so recht etwas Genaues. Wäre es in diesem Sinne dann nicht vonnöten, dass möglichst bald Frank-Walter Steinmeier aussagt und Klarheit bringt?

    Schmidbauer: Doch, das glaube ich auch, und das wird auch die Intention vom Außenminister sein, der ja jetzt jeden Grund hat zu sagen, endlich mal sollte diese Vorverurteilung aufhören. Da wird doch schon so getan, als ob er die Schuld zu übernehmen hätte. Ich bin davon weit entfernt, dies zu sagen, aber ich stimme zu: Der Ausschuss muss sich bemühen, möglichst schnell eine Klärung herbeizuführen, vielleicht andere Terminkalender aufbauen, um auch Vorverurteilungen ebenfalls entgegenzutreten. Das wird sicher auch gemacht. Nur diejenigen, die damals dabei waren in der Verantwortung wie Ströbele und andere, die sollten sich heute nicht zum Richter aufspielen, sondern die sollten in aller Geduld sich üben. Damals hätten sie die Chance gehabt, in den entsprechenden Kontrollgremien sich dafür einzusetzen. Sie haben das damals nicht gemacht. Ich war ja Mitglied und bin Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium.

    Breker: Herr Schmidbauer, Sie haben darauf hingewiesen: acht Jahre lang haben Sie die Arbeit der Geheimdienste im Kanzleramt sozusagen kontrolliert, überwacht, koordiniert. Wie läuft das eigentlich ab, wenn ein Staat jemanden hat und würde den gerne nach Deutschland überstellen? Wie werden da Kontakte hergestellt? Geht das übers Außenministerium, oder läuft das über Geheimdienste, sprich über den Tisch des Koordinators im Kanzleramt?

    Schmidbauer: Ja, das läuft über den Tisch im Normalfall. Das bedeutet aber, dass kollegiale Entscheidungen getroffen werden. Ich darf an einem Beispiel: zwei Geiseln im Libanon. Da erzählt zwar heute noch jemand etwas völlig Anderes, weil es nicht total aufgedeckt wurde, was da passierte, aber das waren über 100 Stunden Verhandlungen mit der Spitze der Staaten. Da war der Bundeskanzler involviert mit Assad. Da war der Bundeskanzler involviert mit Rafsandschani. Dann werden im Außenministerium auf Staatssekretärsebene und auf Abteilungsleiterebene im Kanzleramt Verhandlungen weitergeführt. Das ist nicht die einsame Entscheidung eines Koordinators. Der hat die Fäden in der Hand. Der versucht, über entsprechende Verhandlungen das Klima zu verbessern, natürlich. Aber es ist immer eine Leistung von vielen, die hier zusammenwirken.

    Und so war es auch im Fall Kurnaz. Da hat sich das Gremium, das jeweils wöchentlich tagt, im Kanzleramt koordiniert und hat abgesprochen, hat abgewogen und sicher die Entscheidung, wie sie auch immer getroffen wurde, nicht sehr leicht gemacht. Das muss erläutert werden. Da gibt es aber auch Dinge, die nicht zu erläutern sind. Da gibt es Punkte, über die eben nicht gesprochen wird, eben im Interesse des Betroffenen oder im Interesse der Bundesrepublik Deutschland.

    Breker: Bleiben wir noch kurz bei dem Verfahren, Herr Schmidbauer. Das heißt, das Außenministerium war zu jedem Zeitpunkt informiert?

    Schmidbauer: Ja logisch. Das Außenministerium muss informiert sein und sitzt bei diesen Sitzungen auf Staatssekretärsebene oder was auch immer dabei. Das war bei uns so, das ist in der letzten Bundesregierung so gewesen und das ist heute so.

    Breker: Es ist sicherlich auch so, Herr Schmidbauer, dass man, wenn man so einen Antrag vorliegen hat, überprüfen muss, inwieweit der rechtlich in Ordnung geht. Das ist sicherlich auch im Fall Kurnaz geschehen?

    Schmidbauer: Hat sicherlich nicht Vorrang. Vorrang hat eher der humane Aspekt in den Fällen. Aber der rechtliche Aspekt hat natürlich auch eine riesengroße Bedeutung und dann vor allen Dingen die Sicherheitsaspekte: Welche Folgen entstehen daraus, was war da alles zu bedenken? Das sollten wir alles hören von den Leuten, die betroffen waren. Steinmeier war nicht der einzige, der an dieser Entscheidung teilgenommen hat. Das war der Staatssekretär, das waren im Bundeskanzleramt Leute, das war der Koordinator im Bundeskanzleramt. Das war nicht einer, der einsam entschieden hat, es würde so gemacht. Überhaupt nicht.

    Breker: Ist es denkbar, Herr Schmidbauer, dass Sicherheitserwägungen dazu führen, dass man sich überlegt, ob eine Aufenthaltsgenehmigung zurückgezogen wird?

    Schmidbauer: Ja. Ein Sicherheitsaspekt könnte das sein. In diesem Fall will ich das mal auch mit ins Kalkül und ins Gespräch bringen. Da war das sicher einer der Punkte, weil die ungeklärten Fragen da waren und weil viele andere Dinge zu bedenken waren. Das könnte durchaus sein, aber das wird sich erläutern. Der Außenminister hat gute Gründe, jetzt zu sagen, ich will aussagen. Bevor weiter diese Verurteilungen, Vorverurteilungen losgehen, kann ja mal die erste Anhörung stattfinden, damit endlich mal dem Eisberg die Spitze gebrochen wird. Ich hätte allen Grund zu sagen, das ist ein Oppositionsmann, der es uns auch in seiner Regierungszeit vom Kanzleramt aus mit der Suche nach verschwundenen Akten nicht leicht gemacht hat. Das sind Dinge, die zählen hier überhaupt nicht. Das ist eine reine objektive Untersuchung, die hier angestellt werden muss. Ich habe Herrn Steinmeier kennen gelernt und verstehe dieses Gewusel jetzt nicht, was einige aus welchen Gründen auch immer zurzeit anzetteln.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das Bernd Schmidbauer. Er ist Mitglied im BND-Untersuchungsausschuss und war unter Helmut Kohl Koordinator für die Geheimdienste im Kanzleramt. Herr Schmidbauer, danke für diese Aufklärung.

    Schmidbauer: Bittesehr.