Als herausragender Ringer konnte Donald Rumsfeld mit einem Stipendium an der Eliteuniversität Princeton studieren. Er ringt immer noch: mit Fakten, ihrer Bedeutung und mit der Ahnungslosigkeit der anderen.
In der Administration des außenpolitisch unerfahrenen George W. Bush war er der Erfahrenste: Er war NATO-Botschafter unter Nixon, Stabschef des Weißen Hauses unter Ford, Verteidigungsminister unter Ford, und 24 Jahre später noch einmal Verteidigungsminister. Er machte sich daran, die Bürokratie des Pentagon und die Struktur der Streitkräfte zu reformieren. Dann der Terror des 11. September, der Krieg in Afghanistan, der Einmarsch in den Irak. Nicht der Krieg als solcher, die stümperhafte Planung der Nachkriegszeit machte Rumsfeld zum Symbol dieses Debakels. Demokraten machten Rumsfeld für grobe Irrtümer und Fehler verantwortlich und forderten ihn zum Rücktritt auf.
Er habe seinen Rücktritt zweimal angeboten, antwortete Rumsfeld; der Präsident habe vorgezogen, ihn nicht zu akzeptieren. Das sei seine Entscheidung.
Im Gefolge des Skandals von Abu Ghraib nicht zurückgetreten zu sein, das ist es, was Rumsfeld heute wirklich bedauert. Sonst sehr wenig. Im ersten Interview nach Jahren wurde ihm vorgehalten, Robert McNamara habe seinen Krieg, den in Vietnam, später als groben Fehler bezeichnet. Rumsfeld:
"Für den Irak gilt das nicht. Die Welt ist besser dran ohne Saddam Hussein, ohne die Taliban und al Qaeda nicht mehr in Afghanistan."
George Bush und Dick Cheney sagen übrigens dasselbe. Und was die vermeintlichen irakischen Massenvernichtungswaffen betrifft, habe niemand gelogen, schreibt Rumsfeld: Colin Powell nicht, der Präsident nicht, der Vizepräsident nicht, der CIA-Chef und die Sicherheitsberaterin nicht, der Kongress nicht. Die weniger dramatische Wahrheit sei: "Wir hatten unrecht." Andere übrigens auch. Rumsfeld zitiert den deutschen Geheimdienstchef: "Unsere Einschätzung ist, dass der Irak in drei Jahren die Atombombe hat."
Rumsfeld bedauert, dass er die Welt nicht über Guantánamo wirklich aufklären konnte. Kein Gefangener sei dort dem "waterboarding", dem simulierten Ertrinken, unterzogen worden; kein Soldat habe diese Verhörmethode je angewendet, Methoden der CIA habe er verboten. Rumsfeld untermauert dies und vieles mehr mit Memoranden, eigenen Aufzeichnungen und dem Endlosstrom der Mitteilungen, Anregungen und kritischen Anmerkungen, die seine Mitarbeiter "Schneeflöckchen" tauften.
Das komplette Rumsfeld-Archiv ist ab sofort unter rumsfeld.com im Internet einzusehen. Seine Memoiren sind - um im Bilde zu bleiben - ein einziges Schneegestöber. Immer wieder regt er an und stellt in Frage; nur dass er wirklich durchgreift, sieht man nicht.
Die wichtigsten Fragen bleiben unbeantwortet: Wer hat denn nun die fahrlässige Nachkriegsplanung im Irak zu verantworten? Wie konnte Rumsfeld übersehen, dass sich hinter dem Massenplündern ein Aufstand zusammenbraute? Warum wurde die Verlegung einer ganzen Division nach dem Fall Bagdads abgeblasen? Wie war es möglich, dass Paul Bremer, der Chef der amerikanischen Zivilverwaltung, handstreichartig die irakischen Streitkräfte auflöste und Mitglieder der Baath Partei von öffentlichen Ämtern ausschloss?
Selbst George Bush scheint das nicht mehr zu verstehen. Wie war es möglich, dass die Neokonservativen im zweiten Glied, voran Rumsfelds Stellvertreter Wolfowitz, ihre These umsetzen konnten, dass eine militärische Invasion die Demokratisierung einer ganzen Region garantiere?
Der regierungsinterne Entscheidungsprozess ist zerbrochen, hatte Colin Powell bei seinem Ausscheiden Präsident Bush gesagt. Rumsfeld sieht die Schuldigen in Powell und der schwachen Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice. Nur welche Fäden Vizepräsident Cheney eigentlich zog, bleibt auch bei Rumsfeld ungeklärt. Es empfiehlt sich, noch einmal Bob Woodwards "Die Macht der Verdrängung" oder Thomas Ricks "Fiasco" in die Hand zu nehmen.
Donald Rumsfeld: "Known and unknown. A Memoir", Sentinel HC, 832 Seiten, 26,70 Euro.
In der Administration des außenpolitisch unerfahrenen George W. Bush war er der Erfahrenste: Er war NATO-Botschafter unter Nixon, Stabschef des Weißen Hauses unter Ford, Verteidigungsminister unter Ford, und 24 Jahre später noch einmal Verteidigungsminister. Er machte sich daran, die Bürokratie des Pentagon und die Struktur der Streitkräfte zu reformieren. Dann der Terror des 11. September, der Krieg in Afghanistan, der Einmarsch in den Irak. Nicht der Krieg als solcher, die stümperhafte Planung der Nachkriegszeit machte Rumsfeld zum Symbol dieses Debakels. Demokraten machten Rumsfeld für grobe Irrtümer und Fehler verantwortlich und forderten ihn zum Rücktritt auf.
Er habe seinen Rücktritt zweimal angeboten, antwortete Rumsfeld; der Präsident habe vorgezogen, ihn nicht zu akzeptieren. Das sei seine Entscheidung.
Im Gefolge des Skandals von Abu Ghraib nicht zurückgetreten zu sein, das ist es, was Rumsfeld heute wirklich bedauert. Sonst sehr wenig. Im ersten Interview nach Jahren wurde ihm vorgehalten, Robert McNamara habe seinen Krieg, den in Vietnam, später als groben Fehler bezeichnet. Rumsfeld:
"Für den Irak gilt das nicht. Die Welt ist besser dran ohne Saddam Hussein, ohne die Taliban und al Qaeda nicht mehr in Afghanistan."
George Bush und Dick Cheney sagen übrigens dasselbe. Und was die vermeintlichen irakischen Massenvernichtungswaffen betrifft, habe niemand gelogen, schreibt Rumsfeld: Colin Powell nicht, der Präsident nicht, der Vizepräsident nicht, der CIA-Chef und die Sicherheitsberaterin nicht, der Kongress nicht. Die weniger dramatische Wahrheit sei: "Wir hatten unrecht." Andere übrigens auch. Rumsfeld zitiert den deutschen Geheimdienstchef: "Unsere Einschätzung ist, dass der Irak in drei Jahren die Atombombe hat."
Rumsfeld bedauert, dass er die Welt nicht über Guantánamo wirklich aufklären konnte. Kein Gefangener sei dort dem "waterboarding", dem simulierten Ertrinken, unterzogen worden; kein Soldat habe diese Verhörmethode je angewendet, Methoden der CIA habe er verboten. Rumsfeld untermauert dies und vieles mehr mit Memoranden, eigenen Aufzeichnungen und dem Endlosstrom der Mitteilungen, Anregungen und kritischen Anmerkungen, die seine Mitarbeiter "Schneeflöckchen" tauften.
Das komplette Rumsfeld-Archiv ist ab sofort unter rumsfeld.com im Internet einzusehen. Seine Memoiren sind - um im Bilde zu bleiben - ein einziges Schneegestöber. Immer wieder regt er an und stellt in Frage; nur dass er wirklich durchgreift, sieht man nicht.
Die wichtigsten Fragen bleiben unbeantwortet: Wer hat denn nun die fahrlässige Nachkriegsplanung im Irak zu verantworten? Wie konnte Rumsfeld übersehen, dass sich hinter dem Massenplündern ein Aufstand zusammenbraute? Warum wurde die Verlegung einer ganzen Division nach dem Fall Bagdads abgeblasen? Wie war es möglich, dass Paul Bremer, der Chef der amerikanischen Zivilverwaltung, handstreichartig die irakischen Streitkräfte auflöste und Mitglieder der Baath Partei von öffentlichen Ämtern ausschloss?
Selbst George Bush scheint das nicht mehr zu verstehen. Wie war es möglich, dass die Neokonservativen im zweiten Glied, voran Rumsfelds Stellvertreter Wolfowitz, ihre These umsetzen konnten, dass eine militärische Invasion die Demokratisierung einer ganzen Region garantiere?
Der regierungsinterne Entscheidungsprozess ist zerbrochen, hatte Colin Powell bei seinem Ausscheiden Präsident Bush gesagt. Rumsfeld sieht die Schuldigen in Powell und der schwachen Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice. Nur welche Fäden Vizepräsident Cheney eigentlich zog, bleibt auch bei Rumsfeld ungeklärt. Es empfiehlt sich, noch einmal Bob Woodwards "Die Macht der Verdrängung" oder Thomas Ricks "Fiasco" in die Hand zu nehmen.
Donald Rumsfeld: "Known and unknown. A Memoir", Sentinel HC, 832 Seiten, 26,70 Euro.