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Schramma: Idee der Moschee hat einen "Knacks" bekommen

Der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma nennt die Kündigung des Moscheen-Architekten Paul Böhm durch den Bauträger "schockierend". Der amtierende Oberbürgermeister Jürgen Roters habe ihn gebeten, die Moderation der Streitparteien zu übernehmen, sagte Schramma.

Fritz Schramma im Gespräch mit Christoph Heinemann | 10.11.2011
    Christoph Heinemann: Es ist beileibe keine Notiz aus der Provinz. Bevor der Grundstein der großen Moschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld gelegt wurde, stritten nicht nur Bürgerinnen und Bürger der Domstadt erbittert über den Plan, die Höhe der Türme und die Bauherrin, die Ditib, die Türkisch-Islamische Union, hinter der die türkische Religionsbehörde steht. Der neue Vorstand der Ditib hat überraschend dem Architekten des Bauwerks die Kündigung ausgesprochen. Begründung: schwerwiegende Baumängel. Architekt Paul Böhm setzte sich gestern zur Wehr.

    Paul Böhm: "Die Ditib lässt ja öffentlich verlauten, "Als Künstler hat Herr Böhm brilliert, als Baumeister hat er leider versagt." Das ist eine ungeheuerliche Behauptung, die ich so nicht stehen lassen kann und die ich aufs schärfste zurückweise."

    Heinemann: Also die Darstellung der islamischen Bauherrin und ihres beauftragten Gutachterbüros, es gäbe rund 2.000 Mängel und eine drastische Kostenexplosion, die sei unseriös und falsch. Nun ist guter Rat teuer. Mitglied des Moschee-Beirates ist der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma, den ich jetzt am Telefon begrüßen kann. Guten Tag!

    Fritz Schramma: Einen schönen guten Tag. Ich grüße Sie!

    Heinemann: Herr Schramma, dreht sich der Streit um Baumängel oder um Religionspolitik?

    Schramma: Das zweite kann ich derzeit überhaupt nicht bestätigen. Es ist in der Tat so, dass man den Eindruck gewinnt, dass es in der Tat um Baumängel geht. Das ist übrigens keine ungewöhnliche Diskussion, die haben wir in kommunalen Baustellen in der Stadt hier nun auch am laufenden Band und bei einem so großen Objekt ist das zunächst einmal noch nichts Erschreckendes. Erschreckend ist, dass daraus resultiert eine Kündigung des berühmten Architekten Paul Böhm. Das hat uns schon schockiert. Aber die Abarbeitung von solcher Mängelliste ist zunächst einmal bei so einer Baustelle und bei so einem Vorhaben noch nichts Ungewöhnliches.

    Heinemann: Paul Böhm ist ein bekannter Architekt, Sie haben es gerade gesagt. Er stammt aus einer Architektenfamilie. Nach Großvater Dominikus ist in Köln sogar eine Straße benannt.

    Schramma: Ja.

    Heinemann: Kann man sich vorstellen, dass ein solcher Architekt mit einem Moschee-Bau überfordert ist?

    Schramma: Wenn Sie sein Engagement sehen von der ersten Zeichnung bis hin zur Planung - und ich habe das jetzt über Jahre auch mit verfolgt und auch mit ihm in seinem Atelier ein bisschen mit verfolgt, weil ich natürlich sehr interessiert daran bin, was wird das für ein Bau werden -, sind wir alle eigentlich und übrigens auch die Ditib [Anmerkung der Redaktion: Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.] nach wie vor von diesem imposanten Entwurf begeistert. Die Ditib hat mir noch in den letzten Tagen bestätigt, dass man nach wie vor von diesem genialen Entwurf überzeugt ist und den auch zu Ende bringen will. Also ich wäre da etwas vorsichtig mit einigen Publikationen, die auch im Moment erscheinen, die dahin gehen, dass man sagt, man wolle sich von der Architektur abwenden. Das ist etwas ganz anderes, als da jetzt entstanden ist. Das stimmt meines Erachtens so nicht, aber ich werde sicherlich abwarten müssen, was auch heute im Beirat von Seiten der Ditib dann publiziert wird.

    Heinemann: Genau. Heute findet noch eine Sitzung statt. - Die Stadt Köln erwägt, einen Moderator zu berufen. Wären Sie bereit, den Streit zu schlichten?

    Schramma: Ich bin zumindest vom Oberbürgermeister diesbezüglich angesprochen worden, dies zu tun. Er hat mich darum gebeten und er wird das heute auch im Beirat den Beiratsmitgliedern vorschlagen, und dann würde ich diese Aufgabe auch übernehmen. Ob es mir dann gelingt, das weiß ich nicht. Ich müsste mir schon jetzt auch konzeptionell einige Gedanken dazu machen. Eines kann ich sicherlich sagen, dass ich auf beiden Seiten glaube zu wissen, dass es eine Vertrauensbasis gibt, sowohl zur Ditib und zu dem Vorstand, dem alten wie dem neuen, aber auch zu Paul Böhm natürlich, und von daher gesehen ist die Voraussetzung, glaube ich, schon mal gegeben. Es ist eine Herkulesaufgabe, es wird ganz schwierig, und wir müssen vor allen Dingen sicherlich trennen die rein technischen Fragen, die auch nur von Fachleuten und Gutachtern beantwortet werden können, das kann ich als Nichtfachmann auch nicht tun. Meine Möglichkeit ist, bei beiden den guten Willen, zu einer konsensualen Lösung zu kommen, abzurufen und sie an einen Tisch zu bringen. Das heißt, die Moschee unverzüglich auch weiterzubauen, fertigzubekommen, einen Baustopp zu verhindern und in irgendeiner Form Böhm an der Fertigstellung mit zu beteiligen. Das ist mein Ziel, das müsste gelingen, ich hoffe, dass ich dabei Erfolg habe im Sinne der Sache, denn die liegt natürlich mir, aber auch der Stadt am Herzen. Es ist inzwischen ja doch in der Bevölkerung zu einer relativ hohen Akzeptanz dieser Moschee gekommen und es wäre jetzt schlimm, wenn es da einen Stillstand gäbe, der vielleicht ein oder zwei Jahre dauern würde.

    Heinemann: Herr Schramma, ist die Idee der Moschee als integrierender Bau, als kulturelle Brücke beschädigt?

    Schramma: Sie hat zumindest einen Knacks bekommen durch diese abrupte Äußerung von Seiten der Ditib - das war im übrigen eine sehr forsche, eine sehr rigide Form der Pressekonferenz, die sie ja alle miterlebt haben -, und auch durch die Kündigung. Das muss repariert werden. Die Ditib hat schon einen Teil dessen auch erkannt und durch ein Entschuldigungsschreiben auch an die Presselandschaft zugegeben, eingestanden. Ich habe selbst mit dem Vorstand direkt danach, nach dieser Konferenz, darüber gesprochen und sie darauf hingewiesen. Da hat man wohl was falsch gemacht, aus welchen Gründen auch immer. Ob das Verunsicherung war, so nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung", ich weiß es nicht genau zu erklären. Es war jedenfalls nicht nur ungeschickt, sondern zum Teil falsch, so vorzugehen. Das will man jetzt aber ändern, da will man wieder die transparente und offene Dialogform wählen, auch in Hinsicht auf die Öffentlichkeit und die Presse. Und dann, denke ich mal, sind die Voraussetzungen schon mal wieder andere.

    Heinemann: Herr Schramma, das ganze ist ein hoch emotionales Thema. Deshalb die Frage: Soll mit Paul Böhm bewusst ein Kirchenbaumeister vom Bau der Moschee ausgeschlossen werden? Kann man diesen Streit auch als Islamisierung der türkischen Kulturpolitik lesen?

    Schramma: Genau das war bisher anders aufgefasst worden und auch immer wieder auch von Seiten der Ditib eigentlich mit besonderem Stolz benannt worden, dass man sagt, wir wissen, dass Böhm sich schon verdient gemacht hat im Bau christlicher Gotteshäuser, und gerade das ist ein besonderer Reiz, dass wir ihn ausgesucht haben. Er ist ja immerhin als Sieger eines Wettbewerbs letztlich benannt worden und ist ja von der Ditib selbst auch ausgesucht worden. Da wusste man, wer Böhm ist. Gerade das war ja auch ein Stück, wenn man so will, symbolhafter Integration, wenn man sagt, wir nehmen gerade diesen Menschen, der hier zwar aus Köln kommt, das ist schon mal ein Vorteil, der ist heimatverbunden, er ist von hier, zweitens hat er schon Erfahrungen mit Gotteshäusern, aber vorwiegend christlicher Natur. Und das jetzt umzusetzen in eine ganz moderne neue Art von Moschee, ja das ist ein interessanter Versuch, den die Ditib auch wagen wollte. Das war eigentlich erklärter Wunsch und dazu stehen die eigentlich auch noch heute.

    Heinemann: Der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Schramma: Ich danke auch. Auf Wiederhören!

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