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Schulen in Sachsen-Anhalt
Auf der Suche nach 9.000 Lehrern

Der Lehrermangel in Sachsen-Anhalt ist groß wie noch nie: Bis 2030 werden etwa 9.000 zusätzliche Lehrer benötigt. Die Anwerbekampagne läuft auf Hochtouren, Vergünstigungen sollen Anwärter und Quereinsteiger locken, vor allem in ländliche Regionen. Doch das sorgt auch für Probleme.

Von Christoph Richter | 19.02.2019
    Ein leeres Klassenzimmer in der Carl-Humann-Schule in der Scherenbergstraße in Berlin-Prenzlauer Berg.
    Fehlende Lehrer, Unterrichtsausfall, leere Klassenzimmer - die Herausforderung Lehrermangel ist groß für die Kommunen (Fabian Sommer /dpa)
    "Meine Schüler sagen mir, dass ich jeden Morgen mit einem Lächeln in die Schule komme."
    Julia Fink, Anfang 30, ist eine zugewandte und empathische Lehrerin. Sie steht in der Gesamtschule in Wolmirstedt bei Magdeburg vor der Tafel und unterrichtet Ethik und Technik.
    "Und ich bin der Meinung, dass es nicht immer so laufen muss, wie in unserer Schulzeit, dass es langweilig in der Schule sein muss. Lernen kann extrem viel Spaß machen, wenn es richtig gemacht wird."
    Lehrermangel groß wie noch nie
    Julia Fink ist eine der Lehrerinnen, die in Magdeburg groß geworden und dort studiert hat. Als Arbeitsplatz kam für sie nur Sachsen-Anhalt in Frage. Tolles Land, tolle Schüler, sagt sie.
    200.000 Euro gibt das Land für die Anwerbekampagne aus. Wirbt mit Plakaten, Radio und Fernsehen-Spots sowie im Internet jetzt massiv um junge Lehrer und Absolventen. Kommunen, wie das altmärkische Gardelegen, fahnden mit eigenen Stipendien nach Lehrern, wollen auch den Ehepartnern bei der Jobsuche behilflich sein.
    "Ich finde es gut, dass sich grundsätzlich Gedanken gemacht wird, wie man unser Bundesland generell attraktiv machen kann für junge Absolventen. Ich würde aber auch wichtig finden, dass sich die Regionen selbst an einen Tisch setzen und nachdenken, wie kann ich meine Region so ansprechend gestalten, dass junge Leute sagen, ich gehe da gerne hin."
    Katrin Jelitte ist Schulleiterin an der Ganztagsschule Albert Schweitzer in Aschersleben am nördlichen Harzrand. Allein an ihrer Schule gehen in nächster Zeit sieben Lehrer in Rente, erzählt sie.
    Unterrichten statt Kellnern?
    Der Lehrermangel in Sachsen-Anhalt ist so groß wie noch nie. Die meisten sind 50 und älter. In ländlichen Gegenden – wie in der Altmark oder in der Lutherstadt Wittenberg - ist die Situation besonders prekär. Jetzt hat man eine Ausschreibungsrunde gestartet, insgesamt will CDU-Bildungsminister Marco Tullner bis zum Herbst 900 neue Lehrer einstellen. Ein Kraftakt, sagt der Minister.
    "Ich hoffe nicht, dass wir da jetzt hinkommen müssen, wo man sagt: Unterrichten statt Kellnern. Die Herausforderung des Lehrermangels sind schon groß."
    Laut dem Bericht einer interministeriellen Expertenrunde des Landes zum längerfristigen Lehrkräftebedarf werden in Sachsen-Anhalt bis 2030 etwa 9.000 zusätzliche Lehrer benötigt. Das hat zur Folge, dass jeder, der ein Referendariat in der Tasche hat, einen Job bekommt.
    "Es gab Zeiten, wo wir nur die Einser- und Zweier-Bewerber genommen haben. Diese Zeiten sind vorbei, jetzt sind die Zeiten für Bewerber günstig. Jeder der ein Abschluss hat, hat die Chance auf ein Angebot. Und die Chance da er eines bekommt, ist sehr hoch."
    Besonders begehrt: Lehrer-Anwärter für ländliche Regionen. Um sie aufs Land zu locken, winkt Sachsen-Anhalt mit einer Gehaltszulage von 500 Euro. Für jeden Bewerber, der den Schritt in die Provinz auch wagt. Das Wort von der Buschzulage macht die Runde.
    "Das ist natürlich ein zweischneidiges Schwert, wenn sie sich vorstellen, das gestandene Kolleginnen und Kollegen, die seit Jahren dort Dienst tun, jetzt feststellen, jetzt kommt da so ein junger Pipel um die Ecke und bekommt mal so eben eine Zulage obendrauf, die die anderen nicht bekommen."
    Schulleiterin Katrin Jelitte blickt sorgenvoll.
    "Das beinhaltet eine ganze Menge Zündstoff, darüber sollte man sich im Klaren sein."
    Trotzdem müsse man alles Denk- und Umsetzbare ausprobieren. Jelitte plädiert deshalb für eine größere Flexibilität bei den Bewerbungs- beziehungsweise Auswahlverfahren.
    "Ganz wichtig, dass nicht immer die fächeraffine Ausschreibung stattfindet. Sondern, dass man da auch einen gewissen Spielraum hat, wenn Stellen ausgeschrieben werden. "
    GEW fordert bessere Bezahlung
    Bei der nun gestarteten Lehrer-Offensive bekommt Bildungsminister Tullner Rückendeckung von ungewohnter Seite. Selbst die GEW, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft unterstützt die Werbe-Kampagne des Ministers. Sprecher Dieter Klein warnt allerdings vor Rechentricks. Denn von den 900 neuen Lehrern, müsse man die rund 800 Lehrer abziehen, die jährlich in Rente gehen.
    "Ein bisschen mehr Realismus wäre wichtig. Und darum möchten wir schon reale Zahlen haben."
    Eine bessere Bezahlung für Lehrer müsse sein, um den Beruf attraktiver zu machen, heißt es bei der GEW. Sie ruft zu Warnstreiks auf. Weshalb ab morgen in weiten Teilen Sachsen-Anhalts der Unterricht ausfallen wird.