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Schutzraum für Demenzkranke

Ein Studententeam an der School of Design Thinking in Potsdam hat sich im Auftrag der Berliner Charité eine Art transportablen Minizelt-Aufsatz für Krankenhausbetten einfallen lassen. Ein geschützter Raum, in dem sich die Demenzpatienten wohlfühlen - und so ruhig bleiben und nicht davonlaufen. Die "Heimathaube" ist inzwischen patentiert.

Von Eva Wolk |
    "Die Idee: Eine Art Kinderwagenverdeck für Betten. Das heißt: Mit einem Cabrio-Klappmechnismus soll auf Betten eine Art Haube angebracht werden, in die man sich zurückziehen kann. Man ist geschützt, man hat einen gewissen Ruheraum, man bekommt die Hektik und Aufregung der Notaufnahme nicht so mit; es soll dadurch das Risiko geringer sein, dass man eben fortläuft, Angst hat, unruhig wird."

    Lisa Kroll, 29, hat den Zusatzstudiengang Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam absolviert. Dabei stellen Partner aus der Wirtschaft den Studenten konkrete Aufgaben wie hier die Berliner Charité und die Stiftung Charité, nämlich: Wie kann die Erfahrung von und der Umgang mit demenzkranken Patienten in der Notaufnahme verbessert werden?

    "Im Design-Thinking-Prozess ist es zuerst wichtig, `ne große Recherchephase zu haben. Wir sind in Pflegeheime gegangen, wir sind ins Krankenhaus gegangen, wir haben Demenz-Selbsthilfegruppen besucht, wir haben auch die Alzheimer-Stiftung angefragt. "

    Nach der Recherche kam das Tüfteln. Und das Ergebnis hat so überzeugt, dass die Charité die Heimathaube bereits patentieren ließ, denn man kann sie raffiniert und ganz individuell ausstatten.

    "Es sollen verschiedene Sinnesanregungen geboten werden, mit Farben, mit Bildern, mit Filmen, vielleicht auch mit Tönen - Musik oder eben Naturgeräusche, Wellenrauschen . Dann haben wir uns überlegt, dass wir auch einen Verdufter mit einbauen können, wo man dann auch olfaktorische Reize bekommt, die beruhigend wirken, wie Lavendel oder Zitronenmelisse "".

    Man stelle sich vor: Mitten in der Krankenhaus-Atmosphäre liegt man geschützt im Mini-Himmelbett, in dem es nach dem Vanillepudding der Kindheit riecht, während man ein Video mit Familie und Freunden guckt oder Vogelgezwitscher oder eine Lieblingsmusik hört.

    ""Wir haben´s bis jetzt ausprobiert, so weit wir´s mit unserem selbst gebastelten Prototyp durften - da darf man ja noch nicht an Patienten ran. Aber sämtliche Leute, die´s ausprobiert haben, wollten´s sofort selber haben. Die Ärzte haben gesagt, sie wollen da eigentlich am liebsten ihre Siesta drin halten . Ja, also jeder, der sich reinlegt, ist überzeugt. Viele Leute haben gesagt, ja, ich kann mir das auch vorstellen im Mehrbett-Zimmer, dass ich meine Privatsphäre hab, dann stöpsel ich da meinen I-Pod dran. Auch für die Kinderabteilung, hat dann eine Ärztin gleich gesagt, dass sie das ganz toll findet. Also es kommt sehr gut an. "

    Offensichtlich lässt sich die Zielgruppe für diese Heimathaube ausweiten und sie könnte ein richtiger Renner werden. Jetzt muss erstmal in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen werden, ob und wie und womit genau die Haube wirkt. Lisa Kroll hat einen Förderantrag bei der AiF gestellt, bei der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von Guericke". Der Antrag ist vor wenigen Tagen positiv beschieden worden.

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