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Schwarz-Grün in Hessen
"Grüne auf dem Weg zu einer reinen Funktionspartei"

Mit einer Koalition von CDU und Grünen in Hessen würden letztere zu Wandlern zwischen den politischen Lagern, sagt Peter Friedrich (SPD), Bundesratsminister in Baden-Württemberg. Eine Große Koalition sei damit zudem wohl weiter weg von einer eigenen Mehrheit im Bundesrat denn je.

Peter Friedrich im Gespräch mit Jürgen Liminski | 23.11.2013
    Jürgen Liminski: Die CDU in Hessen bietet den Grünen eine Koalition an, darüber soll offiziell verhandelt werden! Nun rätselt die Republik, ob das ein Signal auch für Berlin ist, ob die SPD dadurch unter Druck gerät, ob das die Machtverhältnisse im Bundesrat verändert, ob die strategischen Optionen insgesamt ins Rutschen kommen! Vielleicht kann unser Gesprächspartner einige Fragen davon beantworten, es ist der SPD-Politiker Peter Friedrich, Europa- und Bundesratsminister in Baden-Württemberg. Guten Morgen, Herr Friedrich!
    Peter Friedrich: Guten Morgen, Herr Liminski!
    Liminski: Herr Friedrich, was nun, könnte man fragen! Ist das eine strategische Weichenstellung, ein Signal auch für den Bund?
    Friedrich: Zunächst mal ist es eine Entscheidung in Hessen, und jetzt werden Koalitionsverhandlungen geführt, die sollen ja schwierig werden, gucken wir mal, was da passiert. Wenn Schwarz-Grün in Hessen herauskommt, bedeutet das erst mal, dass die Große Koalition im Bundesrat, wenn sie denn im Bund zustande kommt, weiter weg von einer eigenen Mehrheit ist denn je, und damit weiterhin die Grünen auch eine wichtige Rolle und auch eine Mitverantwortung haben über den Bundesrat. Und es wird offensichtlich, dass die Grünen auf dem Weg zu einer reinen Funktionspartei werden.
    "Die Option Schwarz-Grün sehen die Grünen schon lange"
    Liminski: Es kann für die Länder auch ein Signal sein, in Hamburg gab es schon mal ein schwarz-grünes Bündnis, im Saarland eine Jamaika-Koalition, auf Kommunalebene arbeiten häufig Grüne und Christdemokraten zusammen. Wie sehen Sie das denn in Baden-Württemberg?
    Friedrich: Die Grünen in Baden-Württemberg hatten ganz lange Schwarz-Grün als Ziel. Das wurde auch immer wieder deutlich. Und es waren dann die inhaltlichen Entwicklungen, es waren die Themen wie Stuttgart 21, Atomausstieg, Energiewende, die die Grünen immer weiter weg von der Union gebracht haben hier im Land. Deswegen, die Option Schwarz-Grün sehen die Grünen hier schon lange in Baden-Württemberg, allerdings ist auch klar, dass sie damit sicher keinen Ministerpräsidenten stellen werden und sicher auch vieles von dem, was sie inhaltlich auch machen wollen gerade in Feldern von Bildungsgerechtigkeit, von Beschäftigung, von sozialer Gerechtigkeit, wofür die Grünen ja auch immer stehen wollten, mit der Union nicht hinbekommen.
    Liminski: Bei Ihnen in Baden-Württemberg gibt es besonders viele Realos, Pragmatiker, die mit der Union koalieren könnten. Ministerpräsident Kretschmann selbst hat vor Lagerdenken, vor dem Festhalten an einer reinen Lehre gewarnt und die CDU-Spitze in Baden-Württemberg ist einem schwarz-grünen Bündnis nicht abgeneigt. Gerät da die SPD nicht in eine Randlage?
    Friedrich: Nein. Ich meine, wir regieren gerne und gut zusammen mit den Grünen hier in Baden-Württemberg, wir sind gemeinsam sehr erfolgreich in unserer Koalition, wir haben jetzt Halbzeit. Für die SPD bedeutet es, dass sie ihren Führungsanspruch, für die Fortschrittlichkeit der politischen Farbenlehre – also, ich sage jetzt mal Mitte-Links – stärker anmelden kann und muss, und die Grünen werden da ein bisschen zu den Wandlern zwischen den politischen Lagern. Lagerdenken per se ist für sich nie eine sinnvolle Lösung, aber klare politische Positionen zu haben – und ich glaube, das haben wir als Sozialdemokraten – ist gut und das ist auch zusammen mit den Grünen in Baden-Württemberg mehrheitsfähig. Wenn die Grünen gewisse Themen aufgeben, dann können wir sie daran nicht hindern. Ich sehe das aber ehrlich gesagt nicht, dass das so schnell geht. Und es wird dann für die Zukunft sowohl in allen Bundesländern als auch im Bund darauf ankommen, dass die SPD klare fortschrittliche Positionen definiert und dann mit den Grünen versucht, eine größtmögliche Gemeinsamkeit in den Koalitionsverhandlungen zu erzielen. Und es ist dann ein offener Wettbewerb, so wie das in der Vergangenheit auch in der Frage war, wie die FDP sich positioniert, so wird es auch bei den Grünen sein.
    Peter Friedrich, Europaminister in Baden-Württemberg
    Friedrich: "Wenn die Grünen gewisse Themen aufgeben, dann können wir sie daran nicht hindern." (picture alliance / dpa / Franziska Kaufmann)
    Liminski: Noch einmal jetzt Berlin! Nehmen wir an, es kommt zur Koalition in Hessen, immerhin wollen Bouffier und Al-Wazir dieses Bündnis und die Wahrscheinlichkeit, dass der Parteirat der Grünen heute zustimmt, ist ja auch sehr hoch. Ändert das die Machtverhältnisse im Bundesrat? Die rot-grüne Mehrheit in der Länderkammer war ja auch immer ein Druckmittel der SPD bei den Verhandlungen mit der Union.
    Friedrich: Ja, die wäre mit einer rot-grünen Regierung in Hessen größer geworden, diese Mehrheit, sodass die Länder, die von SPD und Grünen regiert werden, insgesamt 630 Stimmen haben. Das ist die Mehrheit im Bundesrat. Die Großen Koalitionen kommen auf 21 und Schwarz-Grün wird jetzt sozusagen auch nicht per se eine Unterstützerkoalition für eine Große Koalition im Bund. Deswegen ist wichtig, dass wir in der Großen Koalition eine Politik verabreden, die wir auch im Bundesrat dann gemeinsam mit den Grünen mit vertreten können, da haben die Grünen ja auch eine Mitverantwortung. Und deswegen ist es besonders wichtig, dass die SPD in der Großen Koalition dann auch Garant für Themen der sozialen Gerechtigkeit, aber auch zum Beispiel für ein Gelingen der Energiewende ist, für die wir dann auch im Bundesrat eine entsprechende Mehrheit hinbekommen.
    Koalitionsverhandlungen "kein Wunschkonzert"
    Liminski: Sie sind selbst in einem Arbeitskreis bei den Verhandlungen in Berlin. Ist die Stimmung so, dass man sich nach einem neuen Partner vielleicht umschauen müsste, mindestens langfristig?
    Friedrich: Wir sind ja mitten in den Verhandlungen und das ist kein Wunschkonzert, sondern das sind harte Verhandlungen. Ich bin in dem Arbeitsbereich Energie, wo es ganz natürlich ist, dass SPD und CDU hier mit die größten Diskrepanzen haben. Wir würden gerne die Energiewende gemeinsam mit den Grünen gestalten, dafür gibt es aber keine Mehrheit im Bund. Und die Grünen sind ja im Bund, ohne wirkliche Angabe von Gründen aus möglichen Koalitionsgesprächen mit der CDU ausgestiegen. Deswegen würde man sich natürlich schon immer eine eigene Mehrheit wünschen, aber es geht jetzt darum, Kompromisse zu finden.
    Und es ist sehr wichtig, dass wir in der Koalition, gerade in meinem Bereich, dass wir dort einen guten weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, dass wir das nicht deckeln, dass wir keine Bremse bei der Energiewende reinhauen und zum Beispiel gerade beim Thema Windkraft, wo wir auch mit den Grünen zusammen jetzt in Baden-Württemberg versuchen, was hinzubekommen, dass wir mehr Windkraft haben, eben hier keine Ausbaubremse einbauen. Also, die SPD hat die Rolle in dieser Großen Koalition, für die Themen, für die die SPD und für die auch Rot-Grün immer stand, die auch starkzumachen und auch zu schauen, dass hier eine Politik herauskommt, die dann eben auch gemeinsam mit den Grünen im Bundesrat und in den Bundesländern umgesetzt werden kann. Und das muss die Union an manchen Stellen, glaube ich, noch verstehen, dass es nicht nur um die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag geht, sondern dass man auch eine gesellschaftliche Mehrheit braucht. Und deswegen kann man nicht einseitig hier jetzt zum Beispiel beim Thema Energiewende eine Bremse für die Erneuerbaren einhauen.
    Keine Themen den Grünen überlassen
    Liminski: Das hört sich ein bisschen so an, als ob Sie qua SPD auch die grünen bei diesen Verhandlungen mit repräsentieren!
    Friedrich: Das werden die Grünen wahrscheinlich nicht so empfinden, aber natürlich ist es so, dass wir politische Ziele haben als SPD, wo wir eine Übereinstimmung auch mit den Grünen immer hatten. jetzt wird es spannend, ob sich die Grünen gerade in Hessen von diesen gemeinsamen Vorstellungen bei sozialer Gerechtigkeit, bei Energiewende, bei offener Gesellschaft und so weiter dann auch verabschieden werden. Als SPD ist es mir wichtig, dass wir weiterhin den Führungsanspruch auch für Mitte-Links in Deutschland haben und dann auch die Themen dort konsequent vertreten. Dazu wird es dann Kompromisse geben in der Großen Koalition, aber wir sollten nicht als SPD irgendwelche Themen abräumen oder den Grünen überlassen, nur weil wir mit der CDU im Bund koalieren.
    Eine Große Koalition bedeutet auch eine große Verantwortung, dann auch große Reformen durchzuführen. Weil so eine starke Mehrheit, wie die Große Koalition hat, ist eigentlich eine Verpflichtung dazu auch, tatsächlich Strukturentscheidungen für die ganze Bundesrepublik hinzubekommen. Und das gilt eben dann nicht nur für den Bundestag, sondern auch für die gesamte Gesellschaft bis runter zu den Ländern und Kommunen. Und deswegen ist bei Finanzbeziehungen, bei Energiewende, bei Arbeitsmarktgerechtigkeit und Offenheit der Gesellschaft die SPD in der Großen Koalition in der Rolle, hier die (unverständlich) Positionen zu vertreten, die dann halt auch von den Grünen mit vertreten werden in den Ländern.
    Liminski: Die SPD und die sich anbahnende schwarz-grüne Koalition in Hessen, das war der SPD-Politiker Peter Friedrich, Europa- und Bundesratsminister in Baden-Württemberg. Besten Dank fürs Gespräch, Herr Friedrich!
    Friedrich: Ebenso, schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.