Freitag, 19. April 2024

Archiv

Schweiz
Zurückhaltung angesichts deutscher Spionage-Ermittlungen

Die deutsche Justiz ermittelt gegen drei Mitarbeiter des Schweizer Geheimdienstes. Die Reaktionen in der Eidgenossenschaft sind auffallend zurückhaltend. Offensichtlich besteht kein Interesse daran, das Verhältnis zum nördlichen Nachbarn zu trüben.

Dietrich Karl Mäurer | 15.08.2017
    Ein Schild mit der Aufschrift Landesgrenze zwischen Deutschland und der Schweiz
    Die deutsch-schweizerische Landesgrenze. (dpa / picture alliance / Patrick Seeger)
    Die deutsche Justiz ermittelt gegen drei Schweizer Beamte. Diese Meldung hätte vor ein paar Jahren - auf dem Höhepunkt des Streits um Steuerflüchtlinge und Bankgeheimnis - in der Eidgenossenschaft vermutlich massive Empörung ausgelöst.
    Nun - so scheint es - regen die Ermittlungen der deutschen Bundesanwaltschaft kaum jemanden im Alpenland auf. Auffallend gelassen und gar verständnisvoll reagiert die Schweizer Politik.
    Etwa der grünliberale Parlamentarier Beat Flach. Er ist Mitglied in der Sicherheitspolitischen Kommission der Schweiz und sagt: "Ich bewerte das gar nicht. Ich gehe davon aus, dass wenn der Bundesanwalt Hinweise hat, dass strafbare Handlungen in der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden haben, die noch nicht verjährt sind, er so oder so eine Untersuchung eröffnen muss."
    Etwas kämpferischer - aber dennoch wenig aufgeregt - klingt der Vizepräsident der Sicherheitspolitischen Kommission, Werner Salzmann von der SVP: "Ich würde ganz klar vorschlagen, dass man auf Stufe der Diplomatie: Entweder bestellt man den deutschen Botschafter ein oder in Deutschland bestellt man den schweizer Botschafter ein. Dass die Gespräche auf dieser Stufe gesucht werden, um die Gründe zu ermitteln, was genau los ist."
    Am liebsten einen Schlussstrich ziehen
    Worum geht‘s? Deutsche Fahnder wollten Steuerflüchtlinge ausfindig machen und setzten dabei auf CDs mit gestohlenen Datensätzen von Kunden Schweizer Banken. Die Schweiz wiederum wollte diesen Datendiebstahl unterbinden. Gegen die Schweizer Spione, die dabei zum Einsatz kamen wird nun in Deutschland ermittelt. Der vom Schweizer Nachrichtendienst eingesetzte Privatagent Daniel M. sitzt nach seiner Festnahme im April in Frankfurt weiter in Haft. Und die Schweiz wiederum hat Haftbefehle gegen drei Mitarbeiter der deutschen Steuerfahndung ausgestellt.
    Die Lage ist verzwickt. Manch einer würde am liebsten das Kapitel beenden - etwa der Schweizer Grünliberale Beat Flach: "Ich glaube, die Geschichte mit Daniel M. und seiner Rolle, die er gespielt hat, nachdem er nicht mehr für den Nachrichtendienst als Informant tätig war - das muss noch aufgearbeitet werden von der Justiz. Was allerdings die Tätigkeit des Nachrichtendienstes bis knapp 2014 angelangt, bin ich der Meinung, kann die Schweiz ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland einen Schlussstrich ziehen."
    Durch die Reihe weg verweisen Schweizer Politiker auf das gute Verhältnis zu Deutschland. Das wolle man nicht gefährden durch aufgeregte Reaktionen - meint auch der Liberale Joachim Eder: "Wir sind gefasst und auch die Deutschen scheinen gefasst zu sein, zumindest die Politik, weil die gegenseitigen Beziehungen, zumindest auch die wirtschaftlichen, so eng und vor allem auch so wichtig sind, dass niemand ein Interesse an einer langfristigen Trübung des Verhältnisses hat."
    Während die Affäre also noch mitten in der juristischen Aufarbeitung steckt, scheint sie politisch längst bewältigt.
    Erst im Januar hat man ein No-Spy-Abkommen vereinbart. Es hält fest, dass sich die Nachbarn nicht gegenseitig ausspionieren. Zudem ist mit dem automatischen Datenaustausch das Schweizer Bankgeheimnis, das deutsche Steuerflüchtlinge schützt, längst gefallen.