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Schwere Rezession
Nicaraguas Wirtschaft vor dem Kollaps

Die Repression führt zur Rezession: Nicaraguas Präsident Daniel Ortega geht seit Monaten gegen Regierungskritiker vor. Der Konflikt im Land belastet die Wirtschaft schwer. Ausländische Investitionen gibt es kaum noch, Beschäftigte werden entlassen. Ökonomen befürchten den wirtschaftlichen Zusammenbruch.

Von Burkhard Birke | 28.12.2018
    Bereitschaftspolizisten und Demonstranten stehen sich in Managua gegenüber
    Im April flammten die Proteste gegen die Regierung in Nicaragua auf, die spricht von einem Staatsstreich (AP Photo / Oscar Navarrete)
    "Am Ende muss das Volk für den Scherbenhaufen zahlen. Und jetzt kämpfen wir ums Überleben angesichts unserer ruinierten Wirtschaft." Wie dem Taxiunternehmer Jasser Solis geht es vielen Menschen in Nicaragua. Die wochenlangen Barrikaden und Proteste, die von der Regierung Ortega gewaltsam beendet wurden, haben die Wirtschaft auf Talfahrt geschickt.
    "Die Produktion wird um 3,5 Prozent fallen, die Inflation voraussichtlich auf 7,4 Prozent und die Arbeitslosigkeit auf 24 Prozent steigen", prognostiziert der Ökonom Nestor Avendaño mit seiner Beratungsfirma. Allein in den ersten neun Monaten gingen 184.000 Jobs verloren. Eine verheerende Zahl für das zweitärmste Land der Hemisphäre, in dem nur etwa ein Viertel aller Erwerbstätigen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgeht. Besonders gravierend sind die Einschnitte im Tourismus und im Bausektor.
    Unternehmer bekommen kaum noch Kredite
    Angel Morales ist Bauunternehmer und Präsident der deutsch nicaraguanischen Industrie- und Handelskammer: "Ich musste Leute entlassen, mehr oder weniger fast alle. Es sind zehn Leute, zehn feste Mitarbeiter und Projekte gibt es im Moment kaum." 2017 hatten boomende Landwirtschaftsexporte, der Tourismus und die Überweisungen der Nicaraguaner aus dem Ausland die Wirtschaft noch um fast 5 Prozent wachsen lassen. Für 2018 rechnet auch der Internationale Währungsfonds mit einem Rückgang des Bruttosozialprodukts um 4 Prozent. Eine Entwicklung, die sich 2019 fortschreiben dürfte, zumal der Landwirtschaftszyklus bis Mai reicht.
    Viehzüchter und Kaffeebauern, aber auch andere kleine und mittlere Betriebe wie die Baufirma von Angel Morales leiden besonders unter fehlender Liquidität. "Man hat gespürt, dass die Banken die Kredite in Kosumgüter und Investitionen eingestellt haben. Man weiß nicht, wann sie wieder bereit sein werden, Kredite zu geben, aber im Moment sieht es so aus als ob sie eingestellt worden sind."
    Hinzu kommt der Transfer zahlreicher Dollarkonten von Privatbanken zur Zentralbank, die bessere Zinsen bietet, und massive Kapitalflucht: Allein im September flossen knapp 240 Millionen US-Dollar außer Landes. In umgekehrter Richtung sind ausländische Investitionen praktisch zum Erliegen gekommen. Mindestens fünf Jahre wird es dauern, bis das verlorengegangene Vertrauen wiederhergestellt werden kann, glaubt Nestor Avendaño.
    Regierung versucht gegenzusteuern – mit Hilfe der Notenpresse?
    Unterdessen bemüht sich die Regierung des wegen seiner Repressionspolitik kritisierten Präsidenten Ortega, gegenzusteuern. Die Ärmsten hätten nicht Schuld an dem gescheiterten Staatsstreich - so bezeichnet die Regierung die Proteste. Im Fernsehen kündigt Finanzminister Ivan Acosta deshalb Zuschüsse an und verspricht, das Gesundheitsbudget und die öffentlichen Investitionen trotz rückläufiger Einnahmen aufrechtzuerhalten. Finanziert durch die Notenpresse?
    In Nicaragua zirkulieren Dollar und Cordoba parallel. Die Devisenreserven schwinden jedoch rasant und der Wegfall vergünstigter Öllieferungen aus Venezuela ist hart zu verkraften. Dank des auf Kredit gelieferten Öls aus Venezuela konnten sich einige Wirtschaftssektoren und das Vermögen der Präsidentenfamilie gut entfalten. Wirtschaftspolitisch war Nicaragua eigentlich auf gutem Weg bis die Proteste im Land mit Gewalt unterdrückt wurden und die Opposition Ortegas Rücktritt forderte.
    Der Privatsektor hat das Vertrauen in die Regierung verloren. Die Empfehlung des Ökonomen Nestor Avendaño an Präsident Ortega lautet deshalb: "Handeln Sie sofort eine politische Lösung aus, sonst bricht die Wirtschaft vollends zusammen."