Montag, 18. März 2024

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Schwierige Berufswahl
Berufsberater: Klarmachen, wo die Zukunft liegt

Bei vielen Jugendlichen fehlt die Vorstellungskraft, welche Berufe es in zehn Jahren geben wird, sagte Berufsberater Christian Langkafel im Dlf. Zudem stünden sie vor einen Riesenauswahl, das mache die Entscheidung nicht leichter. Er versuche klarzumachen, dass die Zukunft in der Digitalisierung liege.

Christian Langkafel im Gespräch mit Kate Maleike | 22.01.2020
Angehende KfZ-Mechaniker mit ihrem Ausbildungsleiter
Laut PISA-Studie stehen bei Jugendlichen nach wie vor traditionelle Berufe oben auf der Wunschliste (www.imago-images.de / Monkeybusiness / Panthermedia)
Lehrerin und IT-Spezialist - das sind die Berufe, die die meisten 15-Jährigen später ergreifen wollen. Das sind die Ergebnisse der Auswertung, die die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlicht hat, nachdem bei der PISA-Studie auch die Berufswünsche von Schülern erfragt worden waren. Mädchen wollen außerdem noch Ärztin, Erzieherin oder Psychologin werden, bei Jungen stehen Industrie- und Automechaniker, Polizist oder Lehrer hoch im Kurs. Warum die Berufswünsche auch in einer sich rasch wandelnden Arbeitswelt weiterhin eher traditionell ausfallen, wie sich Jugendliche bei der Vielzahl an Ausbildungsmöglichkeiten orientieren und was die Berufswahl ausmacht - darüber hat Kate Maleike mit Christian Langkafel gesprochen. Langkafel ist Geschäftsführer der Einstieg GmbH und veranstaltet seit vielen Jahren bundesweit Berufswahlmessen.
Kate Maleike: Herr Langkafel, hat Sie dieses Ergebnis der Berufswünsche überrascht?
Christian Langkafel: Nein, tatsächlich nicht, da kann man nicht von einer Überraschung sprechen. Die Jugendlichen stehen vor einer Riesenauswahl von Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten heutzutage. Es gibt über 20.000 Studiengänge, und davon sind 10.000 für Abiturienten relevant. Wir haben 300 Ausbildungsberufe, es ist also eine riesengroße Vielfalt, in der sie sich bewegen - allerdings wenig neue Berufe. Und es gibt Stimmen in der Berufsausbildung, die sagen, dass zwei Drittel der Jugendlichen in 15 Jahren in Berufen arbeiten werden, die es heute noch gar nicht gibt. Es fehlt also vollkommen die Vorstellungskraft über das, was in zehn Jahren an Berufen am Markt überhaupt zugänglich sein wird.
Berufsberater Langkafel: "Zukunft in der Digitalisierung"
Maleike: Das bedeutet, dass Sie jetzt auf Ihren Messen unbedingt gegenarbeiten müssen?
Langkafel: Ja, das versuchen wir gemeinsam mit unseren Ausstellern. Wir versuchen, über verschiedene Angebote mit der Virtual Reality, VR-Brillen und so weiter, die Digitalisierung auch in die Messen zu bringen und den Jugendlichen klarzumachen, dass hier die Zukunft liegt.
Maleike: Was sind denn nach Ihren Erfahrungen jetzt die wichtigsten Kriterien für eine Berufswahlentscheidung?
Langkafel: Jugendliche heute sind sehr auch an sicheren Arbeitsplätzen interessiert, also Arbeitsplätze, wo sie wissen, dass sie dort eine berufliche Zukunft haben können. Geld spielt eine weniger große Rolle als in der Vergangenheit. Was wichtig ist, auch gerade für die neue Generation, ist eine gesunde Work-Life-Balance, also eine geregelte Arbeitszeit. Es verwundert uns immer wieder, dass die Jugendlichen heute keine Karriere im klassischen Sinne anstreben, ich will mal Chef werden, das hat für sie gar keinen Wert mehr, sondern eher die Vereinbarkeit von Familie, Freizeit, Beruf.
Weniger Informationsdefizit, mehr Entscheidungskompetenz
Maleike: Aber was, würden Sie denn sagen, ist jetzt wirklich das Maß der Dinge für die Zukunft? Wo muss die Berufsorientierung hin, wenn man tatsächlich das gesamte Angebot stärker auch in die Köpfe und in die Entscheidungen mit einbringen will?
Langkafel: Wir erleben ja schon eine sehr starke Professionalisierung der Berufsorientierung, das beginnt ja in der achten Klasse an den Schulen mit der Berufsfelderkundung, mit Potenzialfeststellungsverfahren. Also es ist nicht so, dass es einen Mangel an Informationen gibt.
Maleike: Und Praktika kommen dann später noch dazu.
Langkafel: Genau, Pflichtpraktika, auch Messen, nicht nur unsere Einstiegsmesse - es gibt zahlreiche Veranstaltungen in den Städten, wo Jugendliche die Möglichkeiten haben, in Kontakt mit Ausstellern zu treten, also Unternehmen und Hochschulen. Es ist also gar keine Frage des Informationsdefizites, sondern eher der Entscheidungskompetenz bei den Jugendlichen. Die Entscheidung für eine Sache bedeutet heute eine Entscheidung gegen ganz, ganz viele tausende von anderen Möglichkeiten, und das erschwert es Jugendlichen aus unserer Sicht, hier Nägel mit Köpfen zu machen. Also es ist aus unserer Sicht nicht richtig, zu schauen, wo habe ich die meisten Chancen, sondern zu schauen, was interessiert mich am meisten, wo sind meine Fähigkeiten?
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.