Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Aufarbeitung sexualisierter Gewalt
"Der Deutsche Schwimm-Verband hat da gar nichts zu sagen"

Der Deutsche Schwimmverband hat ein Expertengremium zur Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt berufen. "Ein hochrangiges Team", sagte Journalistin Andrea Schültke im Dlf. Wichtig sei, dass das Gremium unabhängig arbeite.

Andrea Schültke im Gespräch mit Marina Schweizer | 11.03.2023
Schwimmhalle im Europa-Sportpark in Berlin während der Deutschen Meisterschaften, Blick von oben auf das Becken.
Schwimmhalle im Europa-Sportpark in Berlin während der Deutschen Meisterschaften (imago sportfotodienst)
Sieben Monate nach den Missbrauchsvorwürfen des ehemaligen Wasserspringers Jan Hempel hat der Deutsche Schwimmverband ein unabhängiges Gremium zur Aufarbeitung von Fällen sexueller Gewalt berufen. Laut Verband soll das vierköpfige Gremium in einem Jahr einen Bericht mit den bis dahin gewonnenen Erkenntnissen vorlegen.
"Das ist ein sehr hochrangiges Team", sagte Journalistin Andrea Schültke, die seit Jahren über den Umgang mit Missbrauch in Sportverbänden berichtet, im Deutschlandfunk. Zum Team gehören die Sportsoziologinnen Bettina Rulofs und Fabienne Bartsch sowie die Juristin Caroline Bechtel und der Jurist Martin Nolte.

Projekt-Beirat beobachtet Expertengremium

Wichtig sei, dass es neben dem Expertengremium auch einen Projekt-Beirat gebe. "Darin vertreten ist die ehemalige Sportgymnastin Susann Wegner. Sie ist Betroffene, kommt aus der ehemaligen DDR. Und eine Trainerin und eine Psychologin. Sie beobachten dann das, was das Expertenteam macht", sagte Schültke.
Das Team wolle den Betroffenen im Verband nun das Recht auf Anhörung geben. "Sie wollen ihr Leid anerkennen und analysieren, welche Strukturen es waren, die den Missbrauch im Schwimmsport begünstigt haben. Wer wusste etwas davon und hat nichts unternommen? Das ist die Frage, die Jan Hempel stellt. Und die Folgen der Übergriffe auf Betroffene und Familie sollen beobachtet werden."

Schültke: DSV hat "Glück gehabt"

Wasserspringer Hempel warf dem Schwimmverband in einer ARD-Dokumentation vor, von Missbrauch gewusst, aber nichts unternommen zu haben. Der DSV geriet daraufhin stark in die Kritik. "Bisher hat sich der Deutsche Schwimm-Verband in dem Thema wirklich nicht mit Ruhm bekleckert", sagte Schültke. Mit diesem Expertengremium habe der Verband nun "Glück gehabt", weil die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch ihre eigene Reputation aufs Spiel setzen würden.
Wichtig seien deshalb die richtigen Voraussetzungen. "Komplette Unabhängigkeit", so Schültke. "Der Deutsche Schwimm-Verband hat da gar nichts zu sagen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen unabhängig arbeiten, in Ruhe gelassen werden und dann ihre Ergebnisse vorstellen."