Volle Altkleidercontainer und gefüllte Müllsäcke, die sich davor stapeln - während des Coronashutdowns haben viele Organisationen und Betriebe, deutlich mehr Kleiderspenden erhalten. So viel, dass einzelne Altkleidercontainer abgebaut oder geschlossen werden mussten. Der Grund: Die Lager sind voll.
"Das Problem hält eigentlich weiterhin an." Thomas Ahlmann ist Geschäftsführer des Dachverbands FairWertung, einem Zusammenschluss gemeinnütziger Kleidersammler und -verwerter. Dass die Lager voll sind, liegt nicht allein an dem erhöhten Spendenaufkommen.
"Unser Hauptproblem waren ja vor allem die Absatzmärkte. Das heißt, sämtliche Second-Hand-Shops in Deutschland, Westeuropa, Osteuropa aber auch weltweit waren geschlossen."
Der Export stand still, die Sortieranlagen auch
Weder der Kleiderschrank noch der Altkleidercontainer sind das Ende der Lieferkette eines Kleidungsstücks. Sobald die T-Shirts, Hosen und Pullover im Spendencontainer liegen, sind sie Ware der Altkleiderindustrie. In Sortieranlagen in Deutschland entscheidet sich der weitere Weg der Kleidungsstücke.
Gut erhaltene Textilien werden an Secondhand-Läden oder Importunternehmen verkauft, minderwertige Textilien werden zu Putzlappen oder Dämmmaterial verarbeitet und nicht verwertbare Reste werden verbrannt.
"Wenn Sie einen durchschnittlichen Altkleidersack nehmen, dort haben Sie circa 50, 60 Prozent der Textilien, die noch wirklich secondhand-fähig sind, also tragbar sind und davon werden lediglich unter 10 Prozent hier in Westeuropa für Secondhand-Bekleidung genutzt, weil einfach die Nachfrage nicht größer ist. Und der Rest wird dann eben exportiert."
Die meisten der Sortieranlagen standen in den vergangenen Wochen still, weil auch der Export still stand. Daher die vollen Lager in Deutschland, sagt Thomas Ahlmann: "Es gibt weltweit eine große Nachfrage nach Secondhand-Bekleidung aus Deutschland. Die Hauptabnehmerregionen sind eigentlich die Länder in Osteuropa. Aber auch Länder in Afrika, wie zum Beispiel Tansania oder Kamerun."
Seit Ende März gibt es in Kenia ein Importverbot
In ostafrikanischen Ländern wie Kenia, Uganda und Tansania ist Secondhand-Kleidung ein bedeutender Wirtschaftszweig. Im Jahr 2015 importierte Ostafrika Altkleider und Schuhe in einem Wert von 151 Millionen US-Dollar. Das meiste davon aus Europa und den USA.
Seit Ende März gibt es in Kenia ein Importverbot von Secondhand-Kleidung. Die Altkleider aus Deutschland kommen in das Land also nicht mehr rein. Die kenianische Regierung begründet das Verbot mit dem gesundheitlichen Risiko: Das Coronavirus könne sich über die gebrauchten Textilien aus Europa übertragen.
"Diese Argumentation wird von vielen Stellen hier durchaus kritisch gesehen", sagt Maren Diale-Schellschmidt. Sie ist Delegierte der deutschen Wirtschaft für Ostafrika mit Sitz in Nairobi, "weil die meisten Altkleidercontainer, die Kleidung, auch schon desinfiziert wird bevor sie kommen. Aber das ist natürlich auch ein politisches Thema."
"China wäre der große Gewinner"
Politisch, weil ein Importverbot von Secondhand-Kleidung seit mehreren Jahren im Raum steht. Der lokale Textilmarkt soll so unterstützt und unabhängig vom Westen werden. Eigentlich hatten fünf ostafrikanische Staaten das Verbot 2015 bereits beschlossen. Dann wurde es auf Drängen der USA wieder gekippt.
Die Vereinigten Staaten gehören zu den Haupt-Altkleider-Exporteuren in die Region. Zu den wirtschaftlichen kommen aber auch machtpolitische Interessen: Ohne Secondhand-Kleidung entsteht auf dem ostafrikanischen Textilmarkt ein Vakuum. Billige Textilien aus China könnten dieses Vakuum schneller schließen als die lokale Produktion, heißt es in einem Bericht der United States Agency for International Development. Und weiter: "China wäre der große Gewinner." Das wollen die USA vermeiden und drohten mit Sanktionen im Falle eines Importverbots.
Die Coronakrise scheint der kenianischen Regierung nun die Möglichkeit zu geben, ihr Vorhaben umzusetzen. Zum Nachteil der Kleinhändlerinnen und -händler, sagt Diale-Schellschmidt. "Die Einschränkungen, also die Reduzierung der Einfuhr gibt weniger Leuten, die Möglichkeit günstige Altkleider zu verkaufen und auch zu kaufen, für die ärmeren Bevölkerungsschichten ist das ein großes Problem."
Lokale Medien sprechen von über einer Millionen Menschen in Kenia, die so direkt oder indirekt ihr Einkommen verlieren könnten. Das Importverbot soll laut kenianischer Regierung aufgehoben werden, sobald die Coronakrise vorbei ist. Textilfirmen fordern dagegen, einen permanenten Einfuhrstopp.
Für Bürger könnte die Entsorgung kostenpflichtig werden
Ria Ana Sejpal ist Designerin aus Kenia. Sie gründete vor drei Jahren das nachhaltige Label "Lilabare" mit Sitz in Nairobi. "Der Altkleider-Markt bedient einen Teil der Branche, den wir lokalen Designer nicht bedienen können. Ich spreche von den Menschen, die nicht viel verfügbares Einkommen haben und wenig für Kleidung ausgeben können. Andererseits haben wir eine wachsende Mittelschicht und auch wohlhabende Menschen, die Secondhand kaufen. Da wird es für uns interessant."
Als Unternehmerin und Designerin muss Ria die Masse an importierten Altkleidern aus Europa und den USA mitdenken. Gibt es einen Markt für ihre Produkte? Kann sie die Textilien recyceln und wiederverwenden? Viel von dem, was in Kenia ankommt, ist für sie nicht mehr brauchbar. Sie sieht das Importverbot als Chance.
"Der Markt scheint überfordert zu sein, weil einfach zu viele Kleidungsstücke in Umlauf sind. Und das Importverbot könnte eine Möglichkeit für uns sein, zu überprüfen, ob diese Ressourcen nutzbar und verkaufsfähig sind oder nicht."
Deutschland war im Jahr 2016 auf Platz 3 der Altkleider-Exporteure weltweit. Wenn es auf lange Sicht schwieriger wird, die gebrauchten Textilien zu verkaufen, könnte es sein, dass die Entsorgung für Bürgerinnen und Bürger irgendwann kostenpflichtig wird, sagt Thomas Fischer vom Fachverband Textilrecycling.
Altkleider abgeben kann man zurzeit weiterhin. Man sollte sich allerdings vorher bei den Annahmestellen informieren, ob und wie viel abgegeben werden kann. Im Zweifelsfall muss die Kleidung erstmal zuhause bleiben.