Im Zentrum von Juba, der Hauptstadt des Südsudan, tanzt eine junge Frau mitten auf dem zentralen Platz und singt ein Volkslied. Sie hat sich die Flagge wie ein Stofftuch um die Hüften gebunden. In der Hand schwenkt sie eine weitere Flagge in Rot, Grün, Schwarz, den Farben des Südsudans. Das Lied, das sie singt, handelt von Freiheit und Unabhängigkeit.
Die Begeisterung über die neu gewonnene Unabhängigkeit ist groß. Die Südsudanesen hoffen auf eine rasche wirtschaftliche Entwicklung ihres vom Krieg zerstörten Landes. Straßen, Schulen und Krankenhäuser sollen gebaut werden. Eine neue Verfassung muss verabschiedet, die Regierung neu gewählt werden. Dem Südsudan steht ein geschäftiges Jahr bevor. Die größte Herausforderung für den nun unabhängigen Staat ist aber eine ganze andere: 67 ethnische Gruppen müssen sich zu einer Nation zusammenfinden, es soll ein Nationalgefühl entstehen, das die Südsudanesen vereint. Diese Herausforderung annehmen wird Jok Madut Jok. Der Historiker ist im Kultus-Ministerium dafür verantwortlich, seinem Land zu einer neuen Identität zu verhelfen.
"Nationen wachsen und werden geschaffen, nicht geboren. Deswegen müssen wir, wenn Südsudan unabhängig wird, politisch darauf hinarbeiten, diese Nation zu gestalten. Das ist sehr schwierig, bedenken wir die ethnischen Konflikte um Rohstoffe und Macht in unserem Land. Wir brauchen nationale Symbole, die die Menschen mit sich herumtragen können. Damit die Bürger ein Teil der Nation sein wollen, muss ihre Kultur, Religion und Identität auch auf nationaler Ebene vertreten sein."
Der Geschichtsprofessor lebte während des 20-jährigen Bürgerkrieges im Exil in den USA. Er hat Bücher über die Kriege im Sudan geschrieben, die historischen Unterschiede zwischen Nord- und Südsudanesen studiert. Vor wenigen Wochen erst hat ihn seine Familie in den USA angerufen. Er solle nach Hause kommen, sein Land brauche ihn nun. Noch bevor er im Südsudan ankam, hat man ihn zum Staatsskulpteur im Kultusministerium ernannt. Er soll Vorschläge für identitätsstiftende nationale Symbole machen. Dafür sucht er nach Ereignissen, die die Südsudanesen verbindet. Zum Beispiel der Krieg gegen den Norden von 1983 bis 2004.
"Wir werden wahrscheinlich große Kriegsdenkmäler errichten, auch Statuen mit den Helden und Heldinnen des Krieges. Wir brauchen auch ein nationales Museum, das die Vielfalt unserer Kulturen darstellt. Über eine Nationalhymne und eine Flagge haben wir bereits entschieden. Aber wir diskutieren über einen neuen Namen für unser Land. Republik Südsudan ist derzeit unser Favorit."
Über alle Vorschläge stimmt eine Volksversammlung ab. Doch Symbole, Flaggen und Denkmäler bilden noch lange keine Nation, weiß Madut Jok. Er sucht auch nach alltäglichen Dingen, die die Südsudanesen – egal welcher Ethnie - jeden Tag gemein haben.
"Dinge, die, wenn wir sie sehen, hören, riechen oder schmecken, ein Heimatgefühl anregen. Als Nationalgericht haben wir das typische Fladenbrot oder Brei. Als Symbole denke ich an die für unser Land typischen Tiere, nach denen unsere Vorfahren mit Schilden und Speeren auf die Jagd gegangen sind. Wir haben Kunstgegenstände, die wir auch im Alltag benutzen wie Tonkrüge oder geflochtene Körbe. Für unser Nationalgefühl sind auch traditionelle Tänze und Kleidung wichtig."
Feiertage seien ein wesentliches Ritual, um zwischen den unterschiedlichen Ethnien ein Zusammengehörigkeitsgefühl entstehen zu lassen. Als Nationalfeiertag möchte Madut Jok, einen Unabhängigkeitstag vorschlagen. Wahrscheinlich den 9. Januar, der Tag, an dem das Referendum begann. Musiker haben bereits Popsongs über diesen Tag komponiert, die bei Straßenumzügen gespielt werden.
Madut Joks Plänen für eine Nation steht ein zentraler Punkt im Weg: Die derzeitige Führungselite des Landes besteht aus Angehörigen einer einzigen ethnischen Gruppe: der Dinka. Diese Volksgruppe macht aber nur rund 20 Prozent der Bevölkerung aus. Präsident Salva Kiir ist ein Dinka und er hat zahlreiche seiner Vettern in die Hauptstadt geholt. Sie stellen fast alle Minister und Machtpositionen in der Armee und Polizei. Viele Dinka-Familien sind in den vergangenen Jahren reich geworden, haben gigantische Villen am Stadtrand von Juba gebaut – auf Land, das der ethnischen Gruppe der Bahri gehört, die in der Gegend rund um Juba siedelt. Diese Vetternwirtschaft schürt Konflikte.
Die Dinka-dominierte Regierung hat nun die Möglichkeit, die Spielregeln des neuen Staates zu bestimmen. Zum Beispiel zu entscheiden, wie sich das Land in die Region integriert. Diese Entscheidung trifft Südsudans Minister für Regionale Kooperation, Deng Alor. Auch er ist ein Dinka. Für ihn ist die Hinwendung zu den südlichen Nachbarländern ein entscheidender Schritt. Die Südsudanesen fühlen sich von jeher mehr der afrikanischen Kultur zugeneigt als der arabischen, die den Nordsudan kulturell, religiös und auch sprachlich prägt. Fast 30 Prozent der Südsudanesen sind Christen, viele Sprachen sind aus den afrikanischen Sprachen entlehnt. Deswegen ist es für Deng Alor keine Frage, dass sich der Südsudan in der afrikanischen Völkergemeinschaft einrichten muss.
"Natürlich sind wir ein Teil Afrikas. Und wir wollen definitiv ein Teil der ostafrikanischen Wirtschaftsunion sein. Sobald wir unabhängig und als Staat anerkannt sind, werden wir Mitgliedschaften beantragen: In der Ostafrikanischen Union, in der Afrikanischen Union und auch in anderen internationalen Organisationen wie zum Beispiel den Vereinten Nationen."
In einer Sache immerhin sind sich die Südsudanesen bereits einig: Ihr Nationalsport ist Basketball. Die Nomadenvölker zählen zu den größten Menschen weltweit und sie sind für ihre Basketballspieler weltweit berühmt. Ein neues Selbstbild könnte dem Land auch in der internationalen Gemeinschaft ein neues Image verleihen. Bislang beherrschen Bürgerkriege, Sklaverei, Armut, Hungersnöte und Dürrekatastrophen die Schlagzeilen in den internationalen Medien. Auch dies soll sich ändern, hoffen die Südsudanesen.
Die Begeisterung über die neu gewonnene Unabhängigkeit ist groß. Die Südsudanesen hoffen auf eine rasche wirtschaftliche Entwicklung ihres vom Krieg zerstörten Landes. Straßen, Schulen und Krankenhäuser sollen gebaut werden. Eine neue Verfassung muss verabschiedet, die Regierung neu gewählt werden. Dem Südsudan steht ein geschäftiges Jahr bevor. Die größte Herausforderung für den nun unabhängigen Staat ist aber eine ganze andere: 67 ethnische Gruppen müssen sich zu einer Nation zusammenfinden, es soll ein Nationalgefühl entstehen, das die Südsudanesen vereint. Diese Herausforderung annehmen wird Jok Madut Jok. Der Historiker ist im Kultus-Ministerium dafür verantwortlich, seinem Land zu einer neuen Identität zu verhelfen.
"Nationen wachsen und werden geschaffen, nicht geboren. Deswegen müssen wir, wenn Südsudan unabhängig wird, politisch darauf hinarbeiten, diese Nation zu gestalten. Das ist sehr schwierig, bedenken wir die ethnischen Konflikte um Rohstoffe und Macht in unserem Land. Wir brauchen nationale Symbole, die die Menschen mit sich herumtragen können. Damit die Bürger ein Teil der Nation sein wollen, muss ihre Kultur, Religion und Identität auch auf nationaler Ebene vertreten sein."
Der Geschichtsprofessor lebte während des 20-jährigen Bürgerkrieges im Exil in den USA. Er hat Bücher über die Kriege im Sudan geschrieben, die historischen Unterschiede zwischen Nord- und Südsudanesen studiert. Vor wenigen Wochen erst hat ihn seine Familie in den USA angerufen. Er solle nach Hause kommen, sein Land brauche ihn nun. Noch bevor er im Südsudan ankam, hat man ihn zum Staatsskulpteur im Kultusministerium ernannt. Er soll Vorschläge für identitätsstiftende nationale Symbole machen. Dafür sucht er nach Ereignissen, die die Südsudanesen verbindet. Zum Beispiel der Krieg gegen den Norden von 1983 bis 2004.
"Wir werden wahrscheinlich große Kriegsdenkmäler errichten, auch Statuen mit den Helden und Heldinnen des Krieges. Wir brauchen auch ein nationales Museum, das die Vielfalt unserer Kulturen darstellt. Über eine Nationalhymne und eine Flagge haben wir bereits entschieden. Aber wir diskutieren über einen neuen Namen für unser Land. Republik Südsudan ist derzeit unser Favorit."
Über alle Vorschläge stimmt eine Volksversammlung ab. Doch Symbole, Flaggen und Denkmäler bilden noch lange keine Nation, weiß Madut Jok. Er sucht auch nach alltäglichen Dingen, die die Südsudanesen – egal welcher Ethnie - jeden Tag gemein haben.
"Dinge, die, wenn wir sie sehen, hören, riechen oder schmecken, ein Heimatgefühl anregen. Als Nationalgericht haben wir das typische Fladenbrot oder Brei. Als Symbole denke ich an die für unser Land typischen Tiere, nach denen unsere Vorfahren mit Schilden und Speeren auf die Jagd gegangen sind. Wir haben Kunstgegenstände, die wir auch im Alltag benutzen wie Tonkrüge oder geflochtene Körbe. Für unser Nationalgefühl sind auch traditionelle Tänze und Kleidung wichtig."
Feiertage seien ein wesentliches Ritual, um zwischen den unterschiedlichen Ethnien ein Zusammengehörigkeitsgefühl entstehen zu lassen. Als Nationalfeiertag möchte Madut Jok, einen Unabhängigkeitstag vorschlagen. Wahrscheinlich den 9. Januar, der Tag, an dem das Referendum begann. Musiker haben bereits Popsongs über diesen Tag komponiert, die bei Straßenumzügen gespielt werden.
Madut Joks Plänen für eine Nation steht ein zentraler Punkt im Weg: Die derzeitige Führungselite des Landes besteht aus Angehörigen einer einzigen ethnischen Gruppe: der Dinka. Diese Volksgruppe macht aber nur rund 20 Prozent der Bevölkerung aus. Präsident Salva Kiir ist ein Dinka und er hat zahlreiche seiner Vettern in die Hauptstadt geholt. Sie stellen fast alle Minister und Machtpositionen in der Armee und Polizei. Viele Dinka-Familien sind in den vergangenen Jahren reich geworden, haben gigantische Villen am Stadtrand von Juba gebaut – auf Land, das der ethnischen Gruppe der Bahri gehört, die in der Gegend rund um Juba siedelt. Diese Vetternwirtschaft schürt Konflikte.
Die Dinka-dominierte Regierung hat nun die Möglichkeit, die Spielregeln des neuen Staates zu bestimmen. Zum Beispiel zu entscheiden, wie sich das Land in die Region integriert. Diese Entscheidung trifft Südsudans Minister für Regionale Kooperation, Deng Alor. Auch er ist ein Dinka. Für ihn ist die Hinwendung zu den südlichen Nachbarländern ein entscheidender Schritt. Die Südsudanesen fühlen sich von jeher mehr der afrikanischen Kultur zugeneigt als der arabischen, die den Nordsudan kulturell, religiös und auch sprachlich prägt. Fast 30 Prozent der Südsudanesen sind Christen, viele Sprachen sind aus den afrikanischen Sprachen entlehnt. Deswegen ist es für Deng Alor keine Frage, dass sich der Südsudan in der afrikanischen Völkergemeinschaft einrichten muss.
"Natürlich sind wir ein Teil Afrikas. Und wir wollen definitiv ein Teil der ostafrikanischen Wirtschaftsunion sein. Sobald wir unabhängig und als Staat anerkannt sind, werden wir Mitgliedschaften beantragen: In der Ostafrikanischen Union, in der Afrikanischen Union und auch in anderen internationalen Organisationen wie zum Beispiel den Vereinten Nationen."
In einer Sache immerhin sind sich die Südsudanesen bereits einig: Ihr Nationalsport ist Basketball. Die Nomadenvölker zählen zu den größten Menschen weltweit und sie sind für ihre Basketballspieler weltweit berühmt. Ein neues Selbstbild könnte dem Land auch in der internationalen Gemeinschaft ein neues Image verleihen. Bislang beherrschen Bürgerkriege, Sklaverei, Armut, Hungersnöte und Dürrekatastrophen die Schlagzeilen in den internationalen Medien. Auch dies soll sich ändern, hoffen die Südsudanesen.