"Jetzt nehme ich die Rosshaare in die Hand, das ist das Formstück - mein Holzkörper. Das ist der Draht, jetzt ziehe ich ein ...", Bürstenmacherin Ursula Römer näht sozusagen per Hand mit einem goldenen Draht schwarze Rosshaarbüschel in ein schmales, mit kleinen Löchern versehenes Holzstück.
Am Ende entsteht ein aus schwarz glänzenden Natur-Borsten bestehender Besen. Hält über Jahrzehnte verspricht die 76-jährige Naumburgerin. Hat allerdings seinen Preis.
"Wenn der fertig ist, kostet der komplett 30,50 Euro. Ist natürlich teurer, als wenn man für drei Euro einen einkauft, bei McGeiz oder so. Aber da lohnt sich nicht das heimtragen, ist der nicht wert."
Ursula Römer ist bundesweit eine der Letzten überhaupt, die noch Bürsten, Besen oder Pinsel in Handarbeit herstellt. Das macht sie in ihrem kleinen Naumburger Laden. 1885 wurde die Manufaktur von Ursula Römers Großvater Curt Steinbrück eröffnet.
Die "New York Times" hat die Naumburger Bürstenmacherei gar als einen der weltweit schönsten Läden bezeichnet.
Die Kaiserzeit, zwei Weltkriege, die Mangelwirtschaft in der DDR: Die Naumburger Bürstenmacherei hat alle Wirren der Zeit überstanden. Doch damit könnte nun bald Schluss sein. Denn es gibt keinen Nachfolger. Zwar hat Ursula Römer einen Gesellen, ihren Schwiegersohn. Doch überzeugt ist sie nicht, dass er das weiter macht.
"Ich stelle da Fragezeichen, ich selber weiß es nicht. Solange ich Kraft habe, mache ich es."
Fördermittelgeber oft knauserig
Unterstützung von Landesseite? Unterstützung von Sparkassen und Banken, falls es mal nicht läuft? Fehlansage! Thomas Döhnert von der Investitionsbank Sachsen-Anhalt gesteht, dass Fördermittelgeber doch oft knauserig seien bzw. an die Innovation so mancher Unternehmung nicht glauben würden.
"Also, ja es ist richtig, dass Geschäftsbanken verhaltener als es früher mal war, Kredite in die Hand nehmen, um Unternehmen, gerade junge Unternehmen zu finanzieren."
Viele Klein-Unternehmer versuchen es daher auf eigene Faust. Wie der Winzer Marcel Schulze, ein echter Newcomer. Als er mit dem Weinbau begann - ohne Ahnung, ohne Equipment - gab ihm keiner auch nur eine einzige Chance. Schon gar nicht die Banken.
"Wir haben nicht mal ein Kontokorrentkredit gekriegt. Sprich für Flaschen oder Korken oder so was. Wir haben mit viel gebrauchter Technik angefangen. Mittlerweile haben wir vieles erneuert, vergrößert. So wie die finanzielle Lage es hergibt."
Kein Einzelfall. Heute ist Marcel Schulze einer der erfolgreichsten Winzer Deutschlands, dessen Flaschen auch in Belgien, der Schweiz oder Skandinavien auf dem Tisch oder in den Regalen von Weinhändlern stehen.
Sachsen-Anhalt bei Selbstständigen-Quote Schlusslicht
Mit einer Selbstständigen-Quote von zehn Prozent aller Beschäftigten, gehört Sachsen-Anhalt bundesweit zum Schlusslicht. Ist aber nicht in Stein gemeißelt, sagt Volkswirtschaftler Karl-Heinz Paqué. Er ist der ehemalige Finanzminister Sachsen-Anhalts, heute lehrt er an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg:
"Es fehlt einfach noch die breite Ermunterung in einem Klima der Innovation, wo man auch noch die Leistungskraft und die Erfolge vor sich sieht - und dann sagt, oh das ist interessant, das will ich auch machen, das Risiko gehe ich ein. Aber ich bin durchaus hoffnungsfroh, dass wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten da schon noch Fortschritte machen."
Und Paqué ergänzt:
"Also in gewisser Weise, wenn man es vergleicht mit dem, was vor 1990 war, wenn wir sehen, was sich hier entwickelt hat, ist dieses Land eine blühende Landschaft."
Relativ gesehen. Denn noch immer befindet sich Sachsen-Anhalt im Wirtschaftsranking auf den Abstiegsplätzen. Um in der Champions League mitzuspielen, müssen Investoren, Fördermittelgeber oder private Risiko-Kapitalgeber ohne Scheuklappen und mit offenen Augen durch das Land ziehen.