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Semesterstart an der LMU

An der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat vergangene Woche das Semester begonnen - und damit auch das erste Semester in Deutschland für Brandon Dotson. Und direkt lernte der Tibetologe etwas Neues dazu: die akademische Viertelstunde.

Von Annette Kugler | 25.10.2010
    Es ist die zweite Semesterwoche an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Für Brandon Dotson lässt sie sich ruhig an: Fakultätstermine stehen noch keine im Kalender, der 32-Jährige ist auf dem Weg in sein Büro in der Ludwigstraße 31 und nutzt die Zeit, um sich Gedanken über sein erstes Seminar zu machen. Das befasst sich mit einem sehr speziellen Thema: Lesen und Übersetzen von alttibetischen Manuskripten. Mit der ersten Sitzung letzten Freitag ist er sehr zufrieden:

    "War doch ganz gut! Ist eine ziemlich gute Klasse. Mir gefällt, dass sie alle offen sind, etwas Neues auszuprobieren, schließlich kommen da viele tibetische Schriftzeichen und Wörter vor, die sie noch nie gesehen haben. Und – hey! – keiner ist schreiend davon gelaufen und das ist doch schon mal ein ganz gutes Zeichen!"

    In der Tat: Denn nach einer kurzen Einführung ging es für die vier Kursteilnehmer schnell zur Sache: Eine Tafelinschrift aus dem 8. Jahrhundert sollte entziffert werden – abfotografiert in einem Kloster südlich von Lhasa.

    Keine leichte Aufgabe für die Studenten, die alle nur Erfahrung mit klassischem Tibetisch haben. Und nun die alttibetischen Texte auch noch ins Englische übersetzen müssen. Kein Problem, finden die vier. Sie sind mit dem neuen wissenschaftlichen Assistenten aus den USA sehr zufrieden:

    Umfrage: "Sehr nett! Ich finde, das macht er gut, vor allem die Einführung hat mir gefallen, sehr interessant."

    "Sehr kompetent, ich finde aber auch, dass er uns für den Anfang ein sehr hohes Niveau abverlangt."

    Der Name Brandon Dotson war fast allen von ihnen schon vorher ein Begriff. Dass ein Preisträger der Humboldtstiftung ans Institut kommt, hat sich dort schnell herumgesprochen, erzählt Tibetologiestudent Marco:

    "Es gibt ja weltweit nur wenige Spezialisten für alttibetisch und er scheint ja einer der großen Namen zu sein in seinem jungen Alter. Innerhalb der Tibetologie ist Alttibetisch ja nur ein sehr kleiner und unerforschter Bereich, und darum waren wir alle sehr erstaunt, dass Herr Dotson mit diesem doch sehr prestigeträchtigen und doch sehr gut dotierten Preis hier anrückt."

    Brandon Dotson freut sich auf die weitere Arbeit mit den Studenten. Die Sitzung am kommenden Freitag muss allerdings ausfallen – da fliegt er zu einem Kongress nach Atlanta.

    Etwas Neues dazu gelernt hat Brandon Dotson an der LMU übrigens auch schon: Erst als alle seine Kursteilnehmer eine Viertelstunde später kamen und dann auch noch eine viertel Stunde früher gehen wollten, erfuhr er von "cum tempore" – der in München üblichen akademischen Viertelstunde:

    "Das ist ja echt ein großer Zeitverlust! Vermutlich ist das bei weit verteilten Instituten sinnvoll. In meiner Vergangenheit gab es nur akademische fünf Minuten – in England haben wir fünf Minuten später angefangen und fünf Minuten früher aufgehört – davon, dass es hier eine Viertelstunde ist, hatte ich keine Ahnung."