
Nach unabhängiger Zählung haben am Samstag (28.06.2025) 140.000 Menschen in Belgrad erneut gegen die serbische Regierung protestiert. 36.000 Teilnehmer ist die Zahl, die die Polizei verbreitete. Die Demonstration blieb zunächst friedlich, doch im Nachgang kam es zu gewaltvollen Ausschreitungen. Berichten zufolge warfen Teilnehmende Steine, Feuerwerkskörper und Flaschen in Richtung der Polizei, die Schlagstöcke und Tränengas gegen die Protestierenden einsetzte. Zahlreiche Polizeibeamte wie auch Demonstranten wurden verletzt. Es gab Dutzende Festnahmen.
Rund ein halbes Jahr nach Beginn der Proteste fordern die Menschen inzwischen Neuwahlen. Aus dem anfänglichen Protest von Studierenden ist ein breiterer Bürgerprotest geworden. Es handelt sich um die größten Proteste im Land seit den 1990er Jahren.
Wogegen richten sich die Proteste in Serbien?
Auslöser für die Massendemonstrationen war der Einsturz eines Bahnhofsvordachs in Novi Sad im November 2024, bei dem 16 Menschen ums Leben kamen. Viele Menschen in Serbien halten Korruption bei Staatsaufträgen für einen Grund.
Zunächst ging es um die Unglücksursache, später richteten sich die Kundgebungen gegen die Regierung und die weit verbreitete Korruption im Land. Die Protestbewegung wirft Präsident Vučić außerdem vor, zunehmend autoritär zu regieren und demokratische Freiheiten zu beschneiden, während er gleichzeitig Korruption und organisiertes Verbrechen gedeihen lasse.
Inzwischen werden bei den Protesten Neuwahlen gefordert. An der bisher größten Demonstration hatten sich Mitte März rund 300.000 Menschen beteiligt. Dabei kam es zu Zusammenstößen zwischen einzelnen Gruppen – auch Anhänger der Regierung hatten mobil gemacht.
Wie reagiert die Regierung?
Im Zuge der Proteste traten Ministerpräsident Miloš Vučević sowie zwei Minister zurück. Vorwürfe der Bestechung und Inkompetenz weist die Regierung zurück. Inzwischen erhöht die Präsident Vučić den Druck auf die Demonstrierenden. Nach den jüngsten Protesten kündigte der Staatschef die Festnahme weiterer Teilnehmer an.
Die Organisatoren der Studentenproteste hätten zu Gewalt und Angriffen auf die Polizei aufgerufen und müssten strafrechtlich verfolgt werden, so Vučić. Er sprach von "Terroristen und denen, die versucht haben, den Staat zu stürzen". Die Identifizierung aller Beteiligten laufe bereits. "Die Zeit der Rechenschaft wird kommen", sagte Vučić.
Die Forderung nach Neuwahlen weist Vučić zurück, vor Ende 2026 werde nicht gewählt. Wiederholt hat der Präsident die Proteste außerdem als vom Ausland gesteuert bezeichnet.
Weswegen steht die Regierung von Präsident Vučić in der Kritik?
Aleksandar Vučić ist in wechselnden Funktionen seit zwölf Jahren an der Macht in Serbien. Seit 2017 ist er Präsident des Landes. Immer wieder wird gegen seinen autokratischen Regierungsstil demonstriert. Der Vorwurf: Vučić habe Serbien in einen Parteistaat verwandelt und kontrolliere die wichtigsten Medien des Landes.
Oppositionsparteien und Menschenrechtler werfen Vučić und seiner SNS-Partei Bestechung von Wählern, Unterdrückung der Medienfreiheit, Gewalt gegen Oppositionelle, Korruption und Verbindungen zum organisierten Verbrechen vor. Vučić und seine Verbündeten streiten diese Vorwürfe ab.
Serbien hat historische Beziehungen zu Russland und dem Westen. Das Land ist Kandidat für einen Beitritt zur Europäischen Union. Die Aussicht auf einen Beitritt des Landes gilt derzeit aber als gering, da Belgrad zunächst grundlegende Reformen verabschieden müsste.
Die Regierungspartei hat jedoch auch Unterstützer. Offiziell hat die SNS etwa 700.000 Mitglieder. „Das sind Menschen, die mit Arbeitsstellen erpresst werden“, sagt Janko Baljak, der sich auch an den Demonstrationen gegen die Regierung beteiligt hatte. Sollte Vučić die Macht verlieren, müssten sie um ihren Job bangen. Andere hätten Straftaten begangen und fürchteten nach einem Regierungswechsel rechtliche Konsequenzen.
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