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Serie: Der Einfluss des antiken Ägyptens
Echnaton und die Erfindung des Monotheismus (Teil 3)

Im antiken Ägypten kam es unter der Herrschaft des Pharaos Echnaton zu einer großen Umwälzung. Man könne mit der Einführung des Monotheismus' und des Sonnengotts Aton von einer religiösen Revolution sprechen, sagte der Ägyptologe Erik Hornung im DLF. "Das war praktisch ein Umbau des Staatswesens und auch der Staatsreligion."

Erik Hornung im Gespräch mit Rüdiger Achenbach | 19.11.2014
    Der Kopf einer Sandstein-Kolossalstatue des Pharaos Amenophis IV., später Echnaton, aus der 18. Dynastie.
    Der Kopf einer Sandstein-Kolossalstatue des Pharaos Amenophis IV., später Echnaton, aus der 18. Dynastie. (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Rüdiger Achenbach: Herr Hornung, Echnaton war mehr als 2000 Jahre völlig in Vergessenheit geraten und erst im letzten Jahrhundert hat man sozusagen seine Spur in Ägypten wieder aufgenommen. Wie kam es eigentlich dazu?
    Erik Hornung: Echnaton hat ja keine Gemeinde gegründet, er hatte keine Jünger, kein Apostel, die seine Lehre über seinen Tod hinaus weitertragen konnten, sondern er hatte nur ein paar getreue Beamte, die mit seinem Tod wahrscheinlich völlig ihren Bezugspunkt verloren hatten. So geriet er schon, wie wir sehen können, sehr schnell - wahrscheinlich schon im Laufe einer Generation - in praktisch totale Vergessenheit. Sein Andenken wurde von offizieller Seite als das eines gewissermaßen häretischen Königs völlig getilgt. Die griechischen Autoren, die dann uns die lange Zeit maßgebenden Berichte über die pharaonische Zeit gegeben haben, hatten überhaupt keine klare Kenntnis mehr von seiner Zeit. Da ihre Berichte ja auch für die beginnende Neuzeit entscheidend waren für die Vermittlung von Kenntnissen über das alte Ägypten, hat eben die Neuzeit auch sehr lange gebraucht, bis sie überhaupt wieder auf die Spuren dieses Religionsstifters stieß.
    Achenbach: Und das war im 19. Jahrhundert?
    Hornung: Ja. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte man noch überhaupt keine Kenntnis. Champollion, der Entzifferer der Hieroglyphen, hatte nur ein paar sehr vage Impressionen in Ägypten. Und eigentlich erst Karl Richard Lepsius, der Begründer der deutschen Ägyptologie, der hat dann durch seine Arbeit in der einzigen Residenz Echnatons zum ersten Mal diesen Religionsstifter buchstäblich wieder ausgegraben.
    "Da haben sich ja viele Romane und Dramen darum herum gerankt"
    Achenbach: Man hat in dieser Zeit dort auch die berühmte Büste der Nofretete gefunden. Was weiß man über diese Figur?
    Hornung: Nofretete kennen wir seitdem als die entscheidende Gemahlin Echnatons. Da haben sich ja viele Romane und Dramen darum herum gerankt. Erst seit den 1960er-Jahren wurde auch zusätzlich entdeckt, dass Echnaton neben Nofretete noch eine weitere wichtige Gemahlin hatte, die Kia, die offenbar in seinen späten Jahren eine sehr wichtige Rolle spielte und die Nofretete offenbar zeitweise aus ihrer führenden Stellung etwas verdrängt hatte. Leider hat Thomas Mann diese Figur Kia nicht mehr für seinen Josef berücksichtigen können. Das hätte er bestimmt getan, denn das ergab ja eine sehr spannende Situation für die letzten Jahre von Echnaton.
    Achenbach: Auf die wir später noch eingehen werden. Richten wir zunächst den Blick zurück auf die Zeit Echnatons, der zunächst Amenophis IV. hieß. Welche Epoche ist das innerhalb der ägyptischen Geschichte, in der er lebte?
    Hornung: Das ist das sogenannte neue Reich, das auf das alte und mittlere Reich folgt. Ägypten stand damals politisch wie kulturell eigentlich auf dem Höhepunkt. Politisch war es die führende Weltmacht der damaligen Zeit in Auseinandersetzung mit den Großreichen Vorderasien. Man stritt vor allem um die Vorherrschaft in Syrien. Aber auch kulturell hatte Ägypten damals einen absoluten Höhepunkt erreicht. Es war offen für Einflüsse aus den anderen Bereichen, aus der Ägäis, aus Vorderasien. Die Residenz in Theben - später in Memphis - war zweifellos ein Mittelpunkt der damaligen Welt, wo sich die Gesandten von allen wichtigen Völkern sozusagen die Tür in die Hand gaben.
    "Die Götter gewannen als Bezugspersonen immer mehr an Bedeutung"
    Achenbach: Wie war die Religion organisiert in Ägypten in dieser Zeit?
    Hornung: Die Religion hatte sich bis dahin eigentlich nicht wesentlich verändert - seit den Anfängen. Allerdings kann man beobachten, dass der Götterglaube mehr und mehr an Bedeutung gewann. Während im Alten Reich - zum Beispiel in der Zeit der Pyramiden - ist der Pharao eigentlich noch absoluter Mittelpunkt, der gesamten religiösen Welt auch. Aber durch den Zusammenbruch des alten Reiches hat es eine erste Krise gegeben. Die Götter gewannen nun als Bezugspersonen immer mehr an Bedeutung. Im neuen Reich beobachten wir dann immer stärkeres Hervortreten des Sonnengottes, der traditionell Re heißt, oder Re-Harachte. Er wird nun auch für den Jenseitsglauben mehr und mehr bedeutsam, weil er abends ja in die Unterwelt verschwindet, sein Licht zu den Toten bringt und damit auch die dunkle Welt des Osiris in der Unterwelt in seine Sphäre mit einbezieht.
    Gegen dieses wachsende Übergewicht des Sonnengottes hat wohl der Vater Echnatons, Amenophis III., Gegensignale gesetzt, in dem er ganz bewusst die Verehrung der traditionellen Gottheiten, auch der weniger wichtigen, der provinziellen Gottheiten gefördert hat. Während Echnaton nun direkt wieder anschließt an dieses Übergewicht diese Sonnengottes und dies in der Figur seines einzigen Gottes Aton dann noch einmal übersteigert.
    Achenbach: Das heißt, es gibt sozusagen eine Reformation unter der Herrschaft Echnatons. Also des Amenophis IV., wie er eigentlich heißt.
    Hornung: Reformation ist eigentlich fast zu schwach ausgedrückt. Man kann direkt von einer religiösen Revolution sprechen. Aber da diese Revolution ja von oben, von der Staatsspitze ausging, gebrauche ich sehr gern den Ausdruck Perestroika, der uns ja in neuerer Zeit wieder geläufig ist. Das war ein Umbau, praktisch ein Umbau des Staatswesens und auch der Staatsreligion. Religion ist in Ägypten ja eigentlich immer Staatsreligion. Sie findet in den staatlichen Tempeln statt. Der Einzelne hat eigentlich kaum Möglichkeiten, sich da irgendwie wirklich einzubeziehen.
    Achenbach: Und Amenophis IV. nennt sich dann auch Echnaton. Diesen Namen nimmt er, weil er damit auch an diesen neuen Gott anknüpfen will - an Aton, den Sonnengott.
    Hornung: Zunächst ist der Name noch mit dem Namen des Amun gebildet. Der war im neuen Reich so eine Art Götterkönig. Echnaton hat dann - neben dem Amun zunächst - seinen neuen Gott Aton propagiert. Seine frühsten Bauten im Tempelbezirk von Karnak gelten nur diesem neuen Gott Aton und nicht dem traditionellen Amun.
    Eine Besucherin blickt auf die Büste der Nofretete im Alten Museum in Berlin.
    Eine Besucherin blickt auf die Büste der Nofretete im Alten Museum in Berlin. (AP)
    Achenbach: Aber er lässt alle anderen Götter zunächst gelten?
    Hornung: Zunächst eben. Und er hat zunächst auch vermieden, etwa sich umzubenennen, sondern diesen Amun-Namen noch einige Jahre weitergeführt. Und auch sein neuer Gott Aton hat zunächst in der Darstellung die Form des traditionellen Sonnengottes mit Faltenkopf und Sonnenscheibe. Und dann erst in einem weiteren Schritt wird dieses sehr eindrucksvolle Bild des sogenannten Strahlen-Aton geschaffen. Das heißt, die Sonnenscheibe, von der Strahlen ausgehen, die in Hände endigen. Diese Hände können zunächst einmal alles Mögliche halten. Zum Beispiel können Sie dem Pharao bei der wichtigen Szene vom Niederschlagen der Feinde - einer Triumpf-Szene - können Sie ihm Waffen hinhalten. Aber mit der Zeit reduziert sich das dann auf das einzige Lebenszeichen. Sie halten dann nur noch das Zeichen für Leben dem Pharao und seiner Gemahlin Nofretete oder seinen Töchtern an die Nase, um damit anzudeuten, dass der Lebenshauch jetzt nur noch vom Aton gespendet wird.
    Achenbach: Diese Darstellung der Sonnenscheibe für den Sonnengott scheint dann für ihn dann wohl auch mehr ein religiöses Symbol gewesen zu sein und keines der üblichen alten Götterbilder. Eigentlich geht es hier ja wohl um eine Religion des Lichts. Wie hat man sich das vorzustellen?
    Hornung: Richtig, eben. Denn es ist eigentlich nicht ein Sonnengott, der Aton, sondern es ist das Licht in der Sonnenscheibe, das für Echnaton entscheidend ist. Aber im Gegensatz zum traditionellen Polytheismus, in dem ja jede größere Gottheit eine Vielzahl von Namen, eine Vielzahl von Gestalten hat, reduziert Echnaton nun die Darstellung des Aton auf eine einzige, nämlich diesen Strahlen-Aton. Und gleichzeitig schafft er einen sogenannten dogmatischen Namen für diesen neuen Gott, er heißt dann nicht nur Aton, sondern er hat einen ganz komplizierten Namen, der eigentlich eine theologische Aussage enthält. Das ist nun der neue streng verbindliche Name des Gottes. Wir haben das für Ägypten ungewöhnliche Phänomen, das dieser Gott nur noch in einer Gestalt dargestellt werden darf und nur in einem einzigen Namen angerufen wird.
    "Die alten Götter verblassen in diesem neuen Licht"
    Achenbach: Und was geschieht mit den anderen Göttern, den alten Göttern?
    Hornung: Man kann sagen, die verblassen in diesem neuen Licht. Sie werden ja zunächst nicht verfolgt, sie sind noch da, werden ab und zu auch erwähnt. Aber sie spielen praktisch überhaupt keine Rolle. Der gesamte Staatskult, der bisher auf viele Gottheiten verteilt war, richtet sich jetzt ausschließlich auf diesen neuen Gott Aton.
    Achenbach: Mit der Verehrung dieses neuen Gottes - des Sonnengottes - führt Echnaton sozusagen ja den Monotheismus ein, wenn man es so nennen will. Man hat ihn deshalb auch als den Begründer des Monotheismus bezeichnet. Würden Sie diese Meinung teilen?
    Hornung: Das kann man schon sagen. Es gab ja eine Zeit lang in der Wissenschaft die Theorie eines sogenannten Ur-Monotheismus‘. Das heißt, ja, das kam eigentlich von einer naiven Vorstellung her, dass Adam im Paradies natürlich nur mit einem Gott zu tun hatte und nicht mit vielen. Dass also am Anfang der religiösen Entwicklung ein Monotheismus stand. Man ist aber heute von dieser Meinung völlig abgerückt, die ältesten religiösen Texte, die wir aus Ägypten schon aus dem dritten Jahrtausend haben, uns bereits die ganze Vielzahl der Gottheiten zeigen. Und so ist Echnaton tatsächlich wohl der erste gewesen, der versucht hat, einen weitgehend strengen Monotheismus zu verwirklichen.
    Man streitet ja immer wieder darüber, ob ein ganz strenger Monotheismus überhaupt möglich ist, weil das Christentum da ja doch eine gewisse Ausnahme macht mit seiner Dreieinigkeit. Und auch der Islam hat neben Allah immerhin die sehr wichtige Figur des Propheten. Und man kann auch bei Echnaton sagen, neben seinem Gott Aton steht er selber als Sohn, als einziger Sohn des Gottes und seine Gemahlin Nofretete, die gewissermaßen das sonst fehlende weibliche Element vertritt. Aber - wie gesagt - von diesen Abstrichen abgesehen, kann man bei seiner Religion doch tatsächlich von einem ziemlich reinen Monotheismus sprechen. Das ist ein Phänomen, das wir hier im 14. Jahrhundert vor Christus zum ersten Mal in der Weltgeschichte haben.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.