Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Serie "Hunters"
Wie Tarantino auf Nazi-Jagd

Als hätte Kult-Regisseur Quentin Tarantino eine Serie gedreht: Die neue Amazon-Produktion "Hunters" zeigt Nazi-Jäger auf blutigem Rachefeldzug - und setzt dabei auf eine bekannte Mischung von Brutalität und Witz.

Von Julian Ignatowitsch | 21.02.2020
Mann mit Anzug und erhobenem Zeigefinger auf einer Straße
Al Pacino als Nazi-Jüger in der Serie "Hunters" (www.imago-images.de)
Wie wohl ihr nächstes Opfer heißt?
"Karl Holdstetter. Gene Martin alias Heinz Richter."
Namen wie aus einem Quentin-Tarantino-Film.
"Meyer Offerman."
Auch dieser, ja. Aber er ist kein ehemaliger NS-Scherge und potenzielles Nazi-Opfer, sondern der Chef-Nazi-Jäger und Star der Serie: Al Pacino als:
"Meyer Offerman millionenschwerer Kopf der Truppe, er plant und unterschriebt alle Schecks."
Später wird er vorgestellt in einer Szene, die fast genauso in "Inglourious Basterds" lief.
"Wunderbar. Jetzt da wir alle Mischpocke sind, lasst uns versuchen, dieses Karl-Holdstetter-Schwein zu finden."
"Inglourious Basterds"? Genau, das war der Film, vielleicht Tarantinos bester, in dem eine jüdisch-amerikanische Kampftruppe im Zweiten Weltkrieg auf Nazi-Jagd geht, den Verbrechern ein Hakenkreuz auf die Stirn ritzt und ihre Leichen skalpiert. Klingt brutal, ist es auch.
Pop-pulpige Aufmachung
Und jetzt also "Hunters", eine Serie, in der eine jüdisch-amerikanische Kampftruppe im New York der 70er-Jahre, also rund 30 Jahre später, auf Nazi-Jagd geht, die Verbrecher in kleinteiliger Recherche aufspürt und ihnen eine Kugel durch den Kopf jagt. Klingt brutal, ist es auch.
Übertrieben blutige Gewalt, sarkastischer Humor und eine pop-pulpige Aufmachung: Die Parallelen könnten nicht offensichtlicher sein. Nebenbei wird - auch das bekannt - über unnützes Wissen und Nerd-Stoff gequatscht:
"Ich frag mich nur: Warum muss Darth Vader ein Schwarzer sein?"
"Er ist kein Schwarzer, er ist nur ein Dark Lord."
"Ein Dark Lord? Der Typ trägt einen schwarzen Umhang, er hat eine schwarze Maske auf und erzähle mir nicht, dass James Earl Jones kein Schwarzer ist. Wir müssen immer die Bösen sein, das geht mir echt auf den Sack!"
Dass diese scheinbar alltäglichen Banalitäten, die endlosen Gespräche über Musik, Filme und Computerspiele uns die Welt erklären, mit all ihren Fehlern und Feindseligkeiten, wissen wir eben seit Tarantino umso mehr: Pop-Kultur als rasierklingenscharfe Gesellschaftsanalyse. Dabei werden, wie in Superhelden-Comics oder in "Star Wars", die Hauptfiguren ganz klar unterteilt in Gut und Böse, also hier: Nazi-Jäger und Nazis, aber anders als dort wird die selbstironische Meta-Reflektion gleich mitgeliefert:
"Darth Vader ist nicht als Böser zur Welt gekommen. Es könnte auch sein, dass er als Jed Rubenstein geboren wurde, Asthmatiker, zu verfrüht neigendem Samenerguss neigender, gutherziger Verlierer. Und wie jedem Kind im galaktischen Imperium ist auch ihm eingetrichtert worden, dass irgendwelche bösen Jedi-Rebellen aus einem Wüstenloch gekrochen kommen, um seine Eltern zu bombardieren, seine Freunde zu köpfen und sämtliche heißen Bräute für Lichtschwerter-Orgien zu entführen."
Story mit biografischem Hintergrund
So bahnen und ballern sich die "Hunters" ihren Weg gegen das Böse, die Alt-Nazis und deren Plan, ein "Viertes Reich" zu errichten. Weil eine Serie zwangsläufig mehr Sendezeit füllen muss als ein Film, wird der Plot mit den Ermittlungen der FBI-Agentin Millie Malone und der Familiengeschichte des jungen Jonah Heidelbaum unterfüttert.
Jonah Heidelbaum: "Wenn du überleben willst, hast du leider oft nicht die Wahl."
Großmutter: "Du hast immer die Wahl!"
Für Serien-Erfinder und -Schreiber David Weil hat das Ganze auch einen biografischen Hintergrund. Seine Großmutter überlebte als Ausschwitz-Inhaftierte die Shoah. Dazu ist auch der Einfluss von Produzent und Oscar-Preisträger Jordan Peele spürbar, denn die Serie zeigt, wie dessen Filme, mehrere starke afro-amerikanische Figuren und Rassismus und Diskriminierung in der amerikanischen Gesellschaft sowie den damit verbundenen Horror.
"Sieg Heil"
Alles in allem kommt "Hunters" also so daher, als hätte der Doppelgänger von Quentin Tarantino jetzt eine Serie gemacht und Jordan Peele ("Get Out", "Us") daran mitgewirkt. Mit den bekannten Stärken und Schwächen: Ein knallbuntes Action-Feuerwerk fürs Auge, bissiger Humor, coole Charaktere und smarte Dialoge, aber auch manche Länge und ein teils zu ausgedehnter Hang zu Übertreibung, geschmackloser Blödelei und Gewalt. Der größte Kritikpunkt: Der Serie fehlt es an Eigenständigkeit. Sie macht letztlich nichts besser als ihr Vorbild, aber immerhin - das soll ja schon was heißen - doch vieles gleich gut.