Donnerstag, 28. März 2024

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Serie "Klimakommunen" (1/1)
Treiber und Betroffene: Städte und der Klimawandel

Sie tragen massiv zum Klimawandel bei und sie leiden besonders stark darunter: Damit stehen Städte vor einer doppelten Herausforderung. Wie können sie nachhaltiger werden und zugleich die Folgen von Extremwetterlagen beherrschen?

Von Benjamin Dierks | 09.08.2019
Abendsonne an den Rheinterrassen in Köln
Versiegelte Böden machen gerade in Innenstädten die Hitze spürbarer (Christoph Hardt/ Geisler-Fotopress)
Der menschgemachte Klimawandel hat seine Ursachen besonders da, wo viele Menschen aufeinandertreffen: in den Städten. Hier lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, in Städten konzentrieren sich Gebäude, Verkehr und Wirtschaftsaktivitäten. Von Abgasen bis zur Heizungsluft wird hier besonders viel von dem in die Luft geblasen, was das weltweite Klima verändert.
"Laufen Sie mit offenen Augen durch eine Stadt und schauen Sie, was passiert, schauen Sie, wie viele Autos fahren, der ganze Verkehr, schauen Sie sich die Gebäude an, stellen Sie sich vor, dass die Gebäude geheizt werden im Winter, dafür braucht man Energie. Oft werden sie gekühlt, dafür braucht man Energie. Um sie zu bauen, braucht man sehr viel Energie. Und diese Energie wiederum erzeugt viele CO2-Emissionen, also Treibhausgasemissionen", sagt Günter Meinert, Stadtexperte der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, kurz GIZ. Städte stünden weltweit an der Spitze, wenn es um klimaschädliche Aktivitäten gehe.
"Das kann man auch berechnen, und da kommt man auf erschreckende Zahlen, wenn man den Energieverbrauch weltweit nimmt, werden 70 Prozent der Emissionen in Städten aus dem Energieverbrauch erzeugt. Und das sind dann etliche Gigatonnen im Jahr, das ist also sehr, sehr viel."
Folgen des Klimawandels in Städten besonders spürbar
Städte sind aber nicht nur die stärksten Emittenten, sie sind auch die Hauptleidtragenden des Klimawandels, also gleich doppelter Spitzenreiter. Die Folgen von Temperaturanstieg, Trockenheit oder Hochwasser seien in den Siedlungen besonders stark zu spüren, sagt Günter Meinert.
"Wenn Sie in den Nachrichten schauen, die Wasserknappheit in indischen Städten. Städte haben also große Probleme, ihre Bevölkerung noch richtig mit Wasser zu versorgen. Wir haben diese Extremwetterereignisse, schlichtweg Unwetter mit enormen Niederschlägen, die dann Schäden anrichten, die Infrastruktur lahmlegen, auch bei uns, dass die Züge nicht mehr fahren, die U-Bahn-Schächte möglicherweise volllaufen, oder auch Überschwemmungen durch Flüsse. Viele Städte sind da richtig stark gefährdet und leiden unter den Auswirkungen."
Ein Gärtner entfernt unerwünschte Gewächse auf einem begrünten Dach in einer Neubausiedlung
Reihe: Nachhaltige Städte
Die Straßen sind voll, die Luft ist schlecht, Asphalt und Beton aufgeheizt. Deutsche Großstädte leiden unter dem Klimawandel – und sie sind zugleich auch Treiber. Doch es tut sich etwas. Wir beleuchten einige Ansätze in einer Sommerserie der Deutschlandfunk-Wirtschaftsredaktion.
Versiegelte Böden und Beton tragen dazu bei, dass auch die Hitze hier spürbarer ist. Und in der Stadt gibt es anders als auf dem Land kaum sogenannte Kohlenstoffsenken, also Gebiete wie Wälder oder Moore, in denen Kohlendioxid gebunden wird. Städte haben somit zwei Aufgaben: Sie müssen den Schadstoffausstoß sowie den Energieverbrauch drosseln und sie müssen Strategien entwickeln, um die Folgen des Klimawandels abzuwehren oder erträglicher zu machen. Viele Vorstöße gegen den Kohlendioxidausstoß machten auch das Leben in der Stadt angenehmer, sagt Ulrich Kriese, siedlungspolitischer Sprecher des Naturschutzbunds Deutschland, kurz NABU.
"Ein großes Tätigkeitsfeld, wo sich Verbesserungen erzielen ließen, ist natürlich der Stadtverkehr, durch den Umstieg auf Umweltverbund, also Nahverkehr, Fahrrad und zu Fuß gehen zu fördern."
Neue Wohnungen bauen oder Platz für Frischluftschneisen lassen?
Ein anderes Feld ist der Städtebau. Viel hängt davon ab, was und wie in Städten künftig gebaut wird. Und hier steckten die Verwaltungen mitunter in einem Dilemma, sagt die Vizehauptgeschäftsführerin des Deutschen Städtetages, Verena Göppert.
"Da kann schon ein Konflikt entstehen: Halte ich Schneisen frei für Frischluft oder bebaue ich mit Wohnungen. Das sind zwei Ziele, die jedes für sich ja Berechtigung haben."
NABU-Experte Ulrich Kriese räumt ein, dass weiterhin gebaut werden müsse, verlangt aber Neubauten nur auf bereits ausgewiesenem Bauland. Die Städte hätten es über Bebauungspläne in der Hand, dass weitgehend klimagerecht gebaut werde.
"Je effizienter ich die Fläche ausnutze, umso kompakter ist die Siedlungsstruktur, umso kürzer sind die Wege, von A nach B zu kommen, und das spart natürlich Verkehrslängen und Energie ein. Das fördert auch den Radverkehr und Fußverkehr."
Dabei sind die Herausforderungen in deutschen Städten andere als etwa in Ländern des globalen Südens. In Deutschland gelten die meisten Städte als "reife" Siedlungen mit langer Geschichte, die in der Regel weniger schnell wachsen. In Schwellenländern sehe es ganz anders aus, sagt Günter Meinert von der GIZ.
"In Afrika und Asien wird ein Großteil der Städte der Zukunft ja jetzt gebaut. Da kommt es darauf an, wie man diese Städte baut. Man braucht Städte der kurzen Wege. Wir dürfen die Städte auch nicht mehr so in die Fläche lassen."
Schätzungen zufolge wird die Zahl der Menschen, die in Städten wohnt, sich bis 2050 verdoppeln. In den schnell wachsenden Städten der Schwellenländer könnte es also besonders wirksam sein, auf Klimaneutralität zu achten. Hier fehlen aber häufig das nötige Geld, die Technik oder das politische Vermögen.