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Serie "Klimakommunen" (4/6)
München setzt auf Entlastung durchs Lastenrad

Kinder, Einkäufe oder Altglas: Ein Lastenrad kann in vielen Fällen ein Auto ersetzen. Städte wie München unterstützen deswegen die Anschaffung. Doch die Schaffung breiterer Radwege und Parkmöglichkeiten bereitet Probleme. Eine Lösung ist vorerst nicht in Sicht.

Von Michael Watzke | 14.08.2019
Eine Frau fährt mit einem Transportrad, das mit Blumen beladen ist. Mit Denkfabrik-Stempel
München fördert den Kauf von Lastenrädern und E-Lastenrädern mit 25 Prozent des Kaufpreises (picture alliance / dpa / Tobias Hase)
So klingt es, wenn Carolin Kopp morgens mit dem Lastenfahrrad ihren Sohn in die Kita bringt. Denn auf den Radwegen der Stadt, klagt Kopp, sei es so, "… dass man oft in Schlaglöcher reinfährt, und es knallt. Ich habe meinem Sohn ein Extra-Sitzpolster gekauft, weil es ziemlich wummert."
Und dass ist nicht das einzige Problem, sagt Kopp. Es sei auch zu eng. Zwar gebe es viele Radwege, "aber sie sind sehr schmal. Ich werde meistens außen rechts überholt, außerhalb des Fahrradweges. Also mit dem Transportfahrrad ist es schon schwierig, einen Platz zu finden."
München unterstreicht Ruf als Radl-Hauptstadt, doch es fehlt an Wegen
Dabei fördert die Stadt München Elektro-Lastenfahrräder seit einiger Zeit besonders großzügig, sagt Uwe Hera, Sachgebietsleiter Elektro-Mobilität im Umweltreferat der Stadt München.
"Das geht vom Pedelec bis zu größeren E-Leichtfahrzeugen. Bei den E-Lastenfahrrädern können Sie mit 20 Prozent Kostenerstattung des Netto-Anschaffungspreises rechnen. Es gibt innerhalb Deutschlands keine Stadt, die so viel ausgibt wie München. Die Summe von 60 Millionen innerhalb von sechs Jahren ist in Deutschland einzigartig."
Damit will München seinen Status als selbsternannte Radl-Hauptstadt Deutschlands untermauern, betont Johann Sauerer, verkehrspolitischer Sprecher der in München mitregierenden CSU.
"Also wir haben in München von allen deutschen Großstädten den höchsten Anteil an Verkehrsbewegungen mit dem Fahrrad. Bei der letzten Erhebung waren wir bei 17 Prozent. Was uns auszeichnet, ist, dass wir versuchen, Radwege und Radschnellwege zu fördern und zügig zu bauen. Aber dann stoßen wir auf das vorhandene Straßennetz, wo wir die Räume teilweise gar nicht zur Verfügung haben, um breite Fahrradwege zu bauen."
Radfunk - der Podcast
Radfunk - der Podcast (Deutschlandradio)
Aber es braucht breitere Fahrradwege, wenn immer mehr von der Stadt München geförderte Lastenfahrräder unterwegs sind. Andreas Schuster ist Mit-Initiator des Münchner Rad-Entscheides, eines Bürgerbegehrens für bessere Rad-Infrastruktur. Es ist bereits das zweite Begehren zum Thema Radeln in München und die Aktionen sind so erfolgreich, dass der Stadtrat die meisten Forderungen bis 2025 von sich aus umsetzen will, denn Organisator Andreas Schuster droht .
"Unter 2,30 Meter Breite akzeptieren wir keinen Fahrradweg. Sodass künftig auch Familien mit ihren Kindern fahren können, Lastenräder fahren können, ältere Menschen, die auf Dreiräder angewiesen sind, fahren können. Und zügige Radler können dann auch überholen, sodass sie sich nicht gegenseitig beeinträchtigen."
Radwege statt Parkplätze: FDP-Politikerin spricht von "Öko-Terror"
Aber München ist schon jetzt eine der am dichtesten bebauten Städte in Deutschland. Welche Probleme breitere Radwege schaffen können, zeigt sich aktuelle in der Fraunhofer Straße im angesagten Münchner Glockenbachviertel. Dort hat die mit der CSU regierende SPD mit Unterstützung der Grünen neue, breite Radwege angelegt – und dafür die Autoparkplätze an den Straßenrändern entfernt. Die Anwohner reagierten wütend, etwa Julika Sandt, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im bayerischen Landtag.
"Die ganzen Parkplätze wurden alle komplett weggenommen, ersetzt durch sehr breite Radwege auf beiden Seiten. Das bedeutet, dass nicht mal mehr der Lieferverkehr anfahren kann zu den vielen, kleinen Läden, die dort sind. Das ganze Leben im Viertel wird zerstört. Es ist ein fürchterlicher Öko-Terror. Ich bin selbst leidenschaftliche Radlerin, bin dort immer geradelt. Aber was jetzt passiert, ist zu radikal."
Die SPD hält die Maßnahme für unumgänglich, wenn der Radverkehr in der bayerischen Landeshauptstadt signifikant zunehmen und sicherer werden soll. Genauso sehen es die oppositionellen Grünen, sagt deren Stadtrat Paul Bickelbach:
"Weil wir hoffen, dass – wenn es dann die eigenen Flächen für den Radverkehr gibt – seltener auf den Gehwegen gefahren wird. Es steht ja im Radentscheid drin, dass die Flächen für den Radverkehr vom Autoverkehr kommen sollen und nicht von den Fußgängern. Es wird immer dichter und enger. Wir müssen nochmal mehr Leute dazu bewegen, das Fahrrad zu nutzen. Wir müssen das Rad attraktiver machen, damit weniger mit dem Auto fahren."
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Die Straßen sind voll, die Luft ist schlecht, Asphalt und Beton aufgeheizt. Deutsche Großstädte leiden unter dem Klimawandel – und sie sind zugleich auch Treiber. Doch es tut sich etwas. Wir beleuchten einige Ansätze in einer Sommerserie der Deutschlandfunk-Wirtschaftsredaktion.
Ein Gärtner entfernt unerwünschte Gewächse auf einem begrünten Dach in einer Neubausiedlung
Mehr Räder brauchen mehr Platz. Und so erhöht der Erfolg eines städtischen Förderprogramms für E-Mobilität den Druck auf die Stadt, obwohl es eigentlich für Entlastung sorgen sollte. Nur den Räderkauf zu fördern scheint nicht auszureichen. Und so sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek aus München: Die Stadt sei eben nicht wirklich eine Radhauptstadt.
"München nennt sich Radl-Hauptstadt, ist es mitnichten. Wir sind eher eine Automobil-Hauptstadt. Viel zu viel Fläche geht fürs Auto drauf, viel zu wenig Fläche ist für die Menschen da, für Fußgänger und Radfahrer. Das müssen wir dringend ändern."
Der Druck der Straße steigt in München, in jeder Hinsicht.