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Serie "Klimakommunen" (5/6)
Hamburg und seine grünen Dächer

Sturmmöwen und Bienen – sie fühlen sich wohl auf dem Dach der Hamburger Umweltbehörde. Die Stadt hat eine Gründachstrategie. Doch Umweltschützer sagen: Es wäre besser, flächensparend zu bauen als Dächer zu begrünen.

Von Axel Schröder | 15.08.2019
Auch das Dach der Hamburger Umweltbehörde ist begrünt
Auch das Dach der Hamburger Umweltbehörde ist begrünt (Deutschlandradio/Axel Schröder)
Auf dem Dach der Hamburger Umweltbehörde summen die Bienen, sie fliegen die bunten Boxen mit den Bienenstöcke an, die zwischen Schnittlauch, Thymian, Wiesenmargeriten und vielen unterschiedlichen Gräser-Arten aufgestellt sind. Darüber kreisen die Möwen.
"Die leben auch auf dem Gründach der Behörde. Rund acht bis neun Paare Sturmmöwen, die hier jedes Jahr nisten. Das ist eine geschützte Art. Gründächer sind auch Lebensraum nicht nur für Möwen, sondern auch für Bienen, für Hummeln, für andere Arten von Insekten, für andere Arten von Vögeln, die hier brüten und insofern sind Gründächer ein wichtiger Beitrag zur Artenvielfalt in der Stadt", sagt Jan Dube, der Sprecher der Hamburger Umweltbehörde.
Nicht nur auf dem behördeneigenen Dach, sondern auf möglichst vielen anderen Hausdächern sollen Grünflächen entstehen. Ziel: Lebensraum für Tiere schaffen. Und Hamburg will so auch den Folgen des Klimawandels begegnen.
"Ein großer Vorteil in einer Stadt wie Hamburg, einer verdichteten, einer dicht bebauten Metropole ist auch die Regenwasserrückhaltung, also die Versickerungsverzögerung bei Starkregen. Wenn wir beispielsweise einen Gewitterregenguss haben und große Mengen Wasser herunterkommen und in unseren Sielen große Mengen Wasser schnell abtransportiert werden, dann haben Gründächer den Vorteil, dass sie das Wasser so zurückhalten, dass es langsam in die Siele läuft und dadurch Überschwemmungen in den Städten und in Hamburg hier vermieden werden können."
Gründachförderung lässt sich kombinieren mit anderen Förderungen
Und deshalb, so Behördensprecher Dube, soll die seit 2014 bestehende Gründachförderung auch in den kommenden Jahren fortgeführt werden. Nach Berechnungen der Behörde können zu den bestehenden 141 Hektar dann noch einmal 100 Hektar dazukommen. Damit das gelingt, bietet die Stadt Bauherren und privaten Hausbesitzern eine so genannte Gründachförderung an.
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Die Fördersätze sind gestaffelt, je nach Aufwand der Baumaßnahme und ihrem ökologischem Nutzen. Wer wissen will, wie hoch die Fördersummen im Einzelfall ausfallen, kann dafür den Fördermittelrechner der Umweltbehörde im Internet nutzen. Grundsätzlich gilt: Je dicker die Bodenschicht und je größer die Rückhaltewirkung bei Starkregen ist, desto höher fallen die Zuschüsse aus.
"Und die kann man wieder kombinieren mit verschiedenen Förderarten wie für Solarzellen oder Solarthermie. Und dann kann ich auf der gleichen Fläche gleich mehrere Fördermöglichkeiten kombinieren und dadurch vielleicht auch mit einem attraktiven Preis mein Dach für Energiewende und Gebäudedämmung und Klimaanpassung ganz anders nutzen als das klassische Pappdach."
Drei Millionen Euro hat die Stadt Hamburg in den vergangenen fünf Jahren an Fördermitteln ausgegeben. Zufrieden mit diesem Engagement ist auch der Naturschutzbund Deutschland,. Wenn Katharina Schmidt vom Nabu Hamburg aus ihrem Bürofenster schaut, fällt auch ihr Blick auf ein kleines Gründach.
"Am besten funktioniert ein Gründach mit einer möglichst hohen Substratauflage, weil eben nur dann eben auch Bodenfunktionen erfüllt werden, die auch die Habitate auf dem Boden erfüllen. Und wichtig ist auch, dass man das möglichst naturnah gestaltet. Also möglichst mit heimischen Arten bepflanzen, die auch den heimischen Tieren nutzen können."
NABU: Grüne Dächer seien gut, aber flächensparend bauen noch besser
Allerdings: So lobenswert die Gründachstrategie des Hamburger Senats auch sei, so wenig helfe sie in einer wachsenden Stadt mit jährlich etwa 10.000 Wohnungsneubauten gegen die nachteiligen Effekte der Flächenversiegelung, kritisiert Katharina Schmidt.
"Das erfüllt nicht die ökologischen Funktionen, die eine unversiegelte Fläche am Boden hat. Aber trotzdem ist es natürlich immer zu begrüßen, wenn Dächer begrünt werden anstatt sie einfach kahl zu lassen. Es kann schon einen wesentlichen Beitrag leisten. Aber nichtsdestotrotz wünschen wir uns eher, dass flächensparend gebaut wird. Das ist einfach wichtiger als alle Dächer zu begrünen."
Sinnvoll wäre es auch, eine Art Gründachkataster zu erstellen, um einen Überblick über die schon vorhandenen Flächen zu bekommen, sagt die Naturschützerin. Ein zusätzliches Monitoring-Programm könnte Erkenntnisse darüber liefern, welche Gründacharten einen besonders hohen ökologischen Nutzen haben. Im Hamburger Senat wird derweil schon über den nächsten Schritt nachgedacht. Demnächst soll die Bürgerschaft über ein Programm zur Begrünung von Gebäudefassaden abstimmen. Die Pflanzen können nicht nur Schatten spenden und die Umgebungstemperatur senken, sondern speichern auch in der Vertikalen Kohlendioxid und produzieren Sauerstoff.