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Serie Luftverkehr: Pilotenberuf
Traumjob mit finanziellen Risiken

Mit dem Aufstieg der Billig-Airlines begann der finanzielle Abstieg der Piloten. Gute Bezahlung, frühe Rente, hohe Altersbezüge - all das ist in der Branche längst kein Standard mehr. Stattdessen müssen sich manche Berufseinsteiger sogar hoch verschulden.

Von Brigitte Scholtes | 26.07.2018
    Zwei Piloten sitzen in Hamburg im Cockpit eines Lufthansa-Airbus A380.
    Vor allem Berufseinsteiger haben es schwer: Die Zahl der scheinselbstständigen Piloten hat stark zugenommen. (picture-alliance / dpa / Daniel Reinhardt)
    Ist der Pilotenberuf Traum – oder eher Albtraum? In den vergangenen Jahren hat sich das Berufsbild der Flugzeugführer deutlich gewandelt. Unter vergleichsweise guten Bedingungen arbeiten diejenigen, die bei großen Fluggesellschaften wie der Lufthansa noch einen der "alten Verträge" unterschrieben haben – mit guter Bezahlung, Ruhestand mit 60 und einer mehr als auskömmlichen Rente, erzählt ein junger Lufthansa-Pilot, der vor viereinhalb Jahren seine Ausbildung beendet hat:
    "Da habe ich tatsächlich großes Glück gehabt. Dieses Glück haben jetzt Nachfolgende tatsächlich nicht mehr in dem Sinne. Es ist nach wie vor ein interessanter, guter Job, definitiv. Es ist nur: Man startet mit einer deutlich größeren Ungewissheit in diese Ausbildung, was die berufliche Karriere angeht."
    Berufsstarter sollten einen Plan B haben
    Und für einige ist schon der Weg dorthin steinig, erzählt er: "Viel lernt man auch tatsächlich darüber kennen, dass bei uns in der Kabine oftmals junge Männer und Frauen Zeit überbrückt haben, die den Pilotenschein privat gemacht haben beispielsweise und die über viele Jahre gar keinen Job gefunden haben aufgrund der Arbeitsmarktsituation in dem Segment."
    Kann man jungen Menschen also heute noch zu dieser Berufswahl raten? Markus Wahl, Vorstand der Pilotenvereinigung Cockpit, zögert kurz mit seiner Antwort: "Man kann das nur noch guten Gewissens empfehlen, wenn man aus meiner Sicht vorsichtshalber eine Alternative in der Tasche hat, wie z.B. ein Studium oder eine Möglichkeit, in eine Ausbildung zu gehen. Weil es im Moment halt schon so ist, dass die Bedingungen, zu denen die Kollegen dann in den Markt kommen als frisch ausgebildete Flugzeugführer, teilweise noch wahnsinnig schwierig sind. Einfaches Beispiel: Man hat 120.000 Euro Schulden, verdient aber als Pilot nur 2000 Euro brutto. Und da kann man sich, glaube ich, an einer Hand abzählen, dass das kein guter Deal mehr ist."
    Zahl der scheinselbstständigen Piloten steigt
    Denn die Rahmenbedingungen für die Piloten haben sich in den vergangenen Jahren stark geändert. Vor allem einige Billigflieger wie Ryanair sehen einen Flug nur als Transport von A nach B und die Piloten dabei als Taxifahrer der Lüfte, erklärt Wahl: "Im Moment ist es ja so, dass je nach Quelle so die Hälfte bis zwei Drittel der Piloten zwar in Festanstellung sind, das heißt, sie haben einen Arbeitsvertrag bei Ryanair. Der Rest aber, jeweils auch ungefähr die Hälfte beziehungsweise ein Drittel, die sind in so Scheinselbstständigkeits-Konstrukten angestellt. Eigentlich eine ziemlich fiese Sache, auch grenzwertig legal aus unserer Sicht. Da kann man die Piloten prima mit unter Druck setzen."
    Die Billigflieger haben den Preisdruck aber auch an die anderen Fluggesellschaften weitergegeben, und die versuchen nun auch die Personalkosten zu drücken, sagt Cockpit-Vorstand Markus Wahl. Das habe sich nach der Air Berlin-Pleite gezeigt: "Man hat ja kurzerhand den Air Berlin-Kollegen gesagt: Pass mal auf, du kannst zwar deinen eigenen Job weitermachen, das heißt gleiches Flugzeug, gleiche Flugstrecken, aber nur zur Hälfte des Geldes. Und dieses Erpressungsszenario hat bei einigen halt durchaus funktioniert, man muss schließlich seine Rechnungen zahlen, und das finde ich schon eher verwerflich."
    Pilotenmangel könnte Besserung bringen
    Doch die Piloten lassen sich nicht mehr alles gefallen. Sie streiken bei Ryanair für verbesserte Arbeitsbedingungen – bald wahrscheinlich auch in Deutschland. Und sie können ihre Arbeitgeber damit unter Druck setzen: Denn inzwischen deutet sich ein Pilotenmangel an. Immer mehr Menschen wollen fliegen, die Flugzeugbauer und die Fluggesellschaften kommen mit ihrem Angebot kaum hinterher. Und nicht nur das, sagt Stefan Schöppner, Luftfahrtexperte der Commerzbank: "Die Zahl der Piloten, die ist nicht so schnell steuerbar wie die Zahl der Flugzeuge, die jetzt da täglich am Himmel fliegen. Das ist die entscheidendere Größe."
    So dürfte auf absehbare Zeit die Arbeitsbelastung der Piloten nicht sinken. Und trotz allem meint Markus Wahl, Cockpit-Vorstand und selbst Lufthansa-Pilot, sei sein Beruf doch auch ein Traumjob: "Jedes Mal, wenn ich im Cockpit sitze und irgendwo die Sonne aufgeht oder ein Anflug auf eine große Stadt bei nächtlicher Beleuchtung - das sind immer noch Momente, die möchte ich auf gar, gar, gar keinen Fall eintauschen."