Sexuelle Belästigung
Einen bekleideten Po filmen – ist das bald strafbar?

Ein älterer Herr filmt den Po einer Joggerin. Ist das sexuelle Belästigung? Viele würden wohl ja sagen, doch strafrechtlich ist es das nicht. Bundesjustizministerin Hubig will, dass sich das ändert, doch einige Länder blocken.

    Eine junge Frau ist beim Joggen in einer Stadt von hinten zu sehen
    Wenn der Po einer Joggerin heimlich gefilmt wird, bleibt der Täter bislang straffrei: Das soll sich künftig ändern. (Symbolbild) (Getty Images / The Good Brigade)
    Februar 2025 im Kölner Grüngürtel: Eine junge Frau wird beim Joggen gefilmt: Yanni Gentsch bemerkt den Schatten eines Radfahrers, der dicht hinter ihr bleibt – und dann, dass er mit dem Handy ihren Po filmt. Gentsch stellt den Spanner zur Rede und zwingt ihn zum Löschen der Aufnahmen, filmt wiederum ihn dabei. Das Video stellt sie online, den Belästiger hat sie unkenntlich gemacht. 14 Millionen Mal wird das Video abgerufen.
    Gentsch geht auch zur Polizei: Doch dort wird ihr mitgeteilt, dass sie trotz der Beweislage keine Chance hat, den Mann nach geltendem Recht zur Rechenschaft zu ziehen, weil sie bekleidet und im öffentlichen Raum unterwegs war. Der Fall bekommt große mediale Aufmerksamkeit. Im November 2025 kündigt Bundesjustizministerin Hubig (SPD) an, bis Anfang 2026 einen Vorschlag für ein Gesetz vorzulegen, das voyeuristische Aufnahmen unter Strafe stellt.

    Inhalt

    Was ist eine sexuelle Belästigung und wann ist sie strafbar?

    Im Allgemeinen wird darunter verstanden, dass sich eine Person einer anderen sexuell in einer Weise nähert, die betroffene Personen unangenehm oder verstörend finden und mit der sie nicht einverstanden sind. Das kann ein Klaps auf den Po sein, ein „Grapschen“, ein aufgedrängter Kuss oder eine erzwungene Umarmung.
    Für die Frage, ob eine sexuelle Belästigung strafbar ist, ist der Paragraf 184i im Strafgesetzbuch (StGB) entscheidend. Demnach macht sich strafbar, wer eine andere Person gegen ihren Willen in sexueller Weise körperlich berührt. Im Umkehrschluss heißt das, dass sexuelle Belästigungen ohne körperliche Berührung nicht unter den § 184i StGB fallen.

    Warum ist das Filmen des Pos einer Joggerin nicht strafbar?

    Das heimliche Filmen von Personen ist in drei möglichen Konstellationen strafbar, erklärt Alena Lagmöller von der ARD-Redaktion Recht und Justiz. So können seit geraumer Zeit sogenannte Upskirting-Fälle verfolgt werden, bei denen beispielsweise ein Spanner sein Handy schnell unter den Rock einer Frau vor ihm auf der Rolltreppe hält. Maßgeblich ist hier der Paragraf 184k des StGB, der 2020 vom Bundestag verabschiedet wurde und am 1. Januar 2021 in Kraft trat.

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    Im Kölner Fall kommt der Paragraf aber nicht in Betracht, schlicht weil die Joggerin angezogen war. Strafbar wird es erst, wenn jemand „absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt“.
    Auch das Filmen an besonders geschützten Orten wie der eigenen Wohnung oder in einer öffentlichen Toilette ist verboten – die Kölner Joggerin bewegte sich aber im öffentlichen Raum. Schließlich darf man Aufnahmen ohne Einwilligung des oder der Gefilmten nicht verbreiten. Dazu kam es im Kölner Fall aber nicht, denn die Joggerin zwang den Spanner, die Bilder von seinem Handy zu löschen.

    Was hat die Joggerin Yanni Gentsch unternommen? Wird die Rechtslücke geschlossen?

    Gentsch setzte eine Petition auf, in der sie forderte, auch Voyeur-Aufnahmen wie diejenigen von ihr aus dem Park unter Strafe zu stellen. Im August übergab sie diese an NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) – mehr als 100.000 Menschen hatten bis dahin unterschrieben. Limbach nahm sich der Sache an, konstatierte, dass der Fall nach seinem Empfinden eine Lücke im Strafrecht „schonungslos offenlege“. Heimliche Bildaufnahmen des bekleideten Intimbereichs seien keine Bagatelle. Er schlug eine Erweiterung des Paragrafen 184k des Strafgesetzbuches vor, also an der Stelle, an der vor vier Jahren schon das sogenannte Upskirting, das Filmen unter den Rock, strafbar gestellt wurde.  
    NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) nimmt von Yanni Gentsch eine Petition entgegen. Die Kölnerin Gentsch wurde beim Joggen von einem Voyeur belästigt, der ihr Gesäß filmte.
    Yanni Gentsch bei der Übergabe ihrer Petition "Voyeur-Aufnahmen strafbar machen" an NRW-Justizminister Benjamin Limbach (picture alliance / dpa / Federico Gambarini)
    Auf dem Treffen der Justizministerinnen und -minister Anfang November wurde darüber gesprochen, ob diese Art von Voyeurismus ein Straftatbestand werden solle. Einen entsprechenden Antrag zur Verschärfung des Sexualstrafrechts hatten Nordrhein-Westfalen und Hamburg eingebracht. Einigen konnte man sich jedoch nicht, Bedenken kamen von der Unionsseite. Sachsens Justizministerin Constanze Geiert (CDU) betonte, dass sie „diese Belästigung von Frauen“ verurteile. Das Strafrecht sei aber keine „Super-Moral-Instanz“ und dürfe nicht durch immer neue Sondertatbestände zersplittert werden.
    Trotz des Gegenwinds hat Bundesjustizministerin Hubig für 2026 ein gesetzliches Verbot voyeuristischer Handy-Aufnahmen angekündigt.  „Wir tüfteln an der Norm, weil es nicht einfach ist, soziales Verhalten von strafwürdigem Verhalten abzugrenzen“, sagte sie.

    Welche weiteren Rechtslücken gibt es bei sexueller Belästigung?

    Sexuelle Belästigung ist seit 2016 strafbar – aber eben nur, wenn der Täter auch körperlich übergriffig wird. Verbale Entgleisungen zum Beispiel sind auch nicht direkt von Strafe bedroht. Die SPD-Bundestagsfraktion wollte deswegen schon 2023 die juristischen Möglichkeiten beim Kampf gegen sexuelle Belästigung erweitern. „Obwohl jede einfache Beleidigung strafbar ist, sind selbst anstößige und einschüchternde verbale sexuelle Belästigungen im Regelfall straflos“, hieß es.
    Ein in diesem Kontext oft zitiertes Beispiel ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, der die Aufforderung eines 65-jährigen Mannes an ein elfjähriges Mädchen, ihm zu folgen, da er „an ihre Muschi fassen wolle“, als nicht strafbar wertete.
    In eine ähnliche Richtung wie die SPD-Bundestagsfraktion zielte eine niedersächsische Gesetzesinitiative, die das Bundesland in den Bundesrat eingebracht hat. Dieser lehnte den Vorschlag allerdings im Februar 2025 ab und leitete ihn nicht an den Bundestag weiter. Damit bleibt die verbale sexuelle Belästigung, sofern sie nicht den Tatbestand der Beleidigung erfüllt, vorerst weiterhin straffrei.

    Wie weit verbreitet ist sexuelle Belästigung?

    Neun von zehn Frauen haben sich laut einer Studie des Instituts für Angewandte Sexualwissenschaft und der Hochschule Merseburg schon einmal verbal belästigt gefühlt – und fast genauso viele berichten von unerwünschten und unnötigen körperlichen Berührungen. Auch am Arbeitsplatz ist die sexuelle Belästigung nach einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eher die Regel als die Ausnahme. 62 Prozent der für die Untersuchung Befragten erlebten Belästigungen in Form von sexualisierten Kommentaren, 44 Prozent berichteten von unerwünschten Blicken und Gesten und 26 Prozent von unerwünschten Berührungen. Eine Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen beschreibt sexuelle Belästigung als „Alltagserfahrung“.
    ahe