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Shoppingcenter
Der Boom der Konsumtempel geht zu Ende

In Deutschland gibt es derzeit 483 Shoppingcenter. Früher eröffneten im Schnitt zehn bis 15 neue pro Jahr. Doch der Boom ist lange vorbei. Um vor allem gegenüber dem Onlinehandel konkurrenzfähig zu bleiben, setzen viele Center auf Modernisierung und neue Konzepte. So wie das Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim.

Von Jörg Marksteiner | 14.05.2019
    Eine Luftaufnahme des Einkaufszentrums Rhein-Ruhr-Zentrum an der A40 in Mülheim an der Ruhr
    Das Einkaufszentrum Rhein-Ruhr-Zentrum an der A40 in Mülheim an der Ruhr (imago stock&people)
    200 Geschäfte, 5.000 Parkplätze und fast 30.000 Besucher jeden Tag: Heike Marzen leitet eines der größten Shoppingcenter Deutschlands.
    "Auf über 76.000 Quadratmetern, mit Entertainment und mit Gastronomie. Und der Food-Lounge natürlich noch dabei. Es ist ein großer, quirliger Arbeitsplatz."
    Das Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim ist auch eines der ältesten. 1973 wurde das Einkaufszentrum eröffnet, damals war es das größte bundesweit. Doch wie viele andere ist es in die Jahre gekommen. Deshalb steht eine grundlegende Renovierung an. Bis zu 200 Millionen Euro wollen die Eigentümer investieren.
    "So ganz grob bleibt kein Stein auf dem anderen. Mit neuen Böden, mit neuem Licht. Es werden neue Plätze erschlossen, damit auch eine Tageslichtdurchflutung von oben möglich ist. Es werden verschiedene Themenbereiche gebaut, auch mit einem Indoor-Soccerfield, was geplant ist."
    Rhein-Ruhr-Zentrum ist kein Einzelfall
    Das Rhein-Ruhr-Zentrum ist kein Einzelfall. In 44 Shoppingcentern überall im Land wird demnächst umgebaut, saniert und modernisiert. Um den Kunden etwas zu bieten im Kampf gegen die Online-Konkurrenz.
    Außerdem fließt viel Geld in den Bestand, weil es kaum noch Neubauprojekte gibt. Studienautor Marco Atzberger vom Kölner EHI Handelsforschungsinstitut:
    "Wir zählen derzeit 483 Center in Deutschland. Die Entwicklung dort war jahrelang so, dass zehn, 15 Center im Jahr eröffneten. Und das ist jetzt in letzter Zeit runtergegangen."
    Der Boom ist vorbei
    Auf null bis drei neue und dabei auch noch eher kleine Center pro Jahr. Der Shoppingcenter-Boom neigt sich dem Ende. Da sind sich die Experten sicher. Und das ist kein Wunder: Die Zahl der Center und ihre Ladenfläche hat sich in den vergangenen 25 Jahren fast verdreifacht.
    "Wir sehen also im deutschen Markt ganz klar eine Sättigung. Das bedeutet: Es werden Center eröffnet, auch weiterhin. Grundsätzlich werden die Center dabei aber kleiner und einfach: Es werden Städte ausgesucht, über die hätte man vor zehn Jahren gar nicht nachgedacht. Das sind die Standorte, die bisher nicht attraktiv genug schienen. Und jetzt versucht man da doch noch ein Konzept zu finden, was da passen kann."
    Weg von den typischen Ladenzeilen mit viel Fläche
    Schon heute ziehen immer öfter Supermärkte und vor allem mehr Gastronomie in die Center. Außerdem wollen Modeläden, Buchhandlungen und Schuhgeschäfte nicht mehr so viel Fläche wie früher. Und noch etwas beobachten die Fachleute: Nämlich einen bundesweiten Trend zu sogenannten Quartierslösungen. Das sind innerstädtische Center, Galerien und Passagen, die aber deutlich mit weniger Ladenfläche haben:
    "Heute mischt man das stärker durch - mit Büros, mit Fitnessstudios, mit Unterhaltung, mit Wohnungen. Und bekommt damit etwas, was viel näher ist an dem eigentlich typischen Stadtbild in Europa, nämlich eben ein Quartier, das lebt."
    Auch Center-Managerin Heike Marzen sagt, dass sich die Einkaufszentren heute viel stärker an ihrem Umfeld orientieren. Aber:
    "Es gibt keine Blaupause, weil es kommt auf den Standort an, und eben welche Zielgruppe angesprochen werden soll. Und es in einer Innenstadt oder in einer Kleinstadt wieder was völlig anderes sein kann, was den Mietermix angeht."
    Für die Kunden bedeutet das: Auch die Zeit der austauschbaren Einkaufstempel geht so langsam zu Ende.