Sonntag, 12. Mai 2024

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Shutdown-Pause in den USA
"Trump ist in einer Paniksituation"

Mit dem Shutdown habe US-Präsident Donald Trump sich in eine Zwickmühle manövriert, meint Michael Werz vom Center for American Progress, einer Denkfabrik, die den Demokraten nahe steht. Da Trump in der Russland-Affäre immer stärker unter Druck gerate, inszeniere er Ablenkungsmanöver, sagte Werz im Dlf.

Michael Werz im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 28.01.2019
    Trump steht an seinem Rednerpult, spricht und gestikuliert mit beiden Händen. Die anderen stehen schweigend hinter ihm und schauen mit ernstem Blick zu.
    US-Präsident Donald Trump musste im Haushaltsstreit nachgeben (dpa / AP / Manuel Balce Ceneta)
    Jörg Münchenberg: Es war die längste Schließung von US-Behörden, weil sich Präsident und Kongress gegenseitig blockiert hatten. Fünf Wochen dauerte der Streit, jetzt am Wochenende hat Donald Trump erst mal klein beigegeben und seine Forderung nach einer Finanzierung der von ihm geforderten Mauer zu Mexiko fallen gelassen.
    Ein Erfolg auch für die neue Sprecherin im Demokraten-geführten Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi. Die betroffenen Mitarbeiter aber, sie atmen erst mal auf.
    Vor der Sendung habe ich darüber mit Michael Werz von der Denkfabrik Center for American Progress in Washington gesprochen, einer Institution, die den Demokraten nahe steht, und ihn zunächst gefragt, wie schwer nun die politische Niederlage für Trump wiegt, der ja im Haushaltsstreit erst einmal hatte nachgeben müssen.
    Michael Werz: Das ist die erste wirklich öffentliche und schwere Niederlage des Präsidenten. Das zählt umso mehr, als er nicht nur die Mehrheit der US-Bevölkerung in diesem einen Monat lang dauernden Shutdown der US-amerikanischen Regierung verloren hat, sondern auch eine ganze Reihe von konservativen Aktivisten, die für ihn politisch sehr wichtig sind, sich gegen ihn gewandt haben - ironischerweise weil sie sagen, er sei nicht hart genug gewesen und hätte weiterhin die Position halten sollen.
    Das heißt, er hat an allen Ecken und Enden verloren und ist auch von Nancy Pelosi vorgeführt worden, also eine riesige Niederlage. Im Weißen Haus beklagt man bereits einen verlorenen Monat im Januar dieses Jahres.
    Das Foto zeigt die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi.
    Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi. (dpa-Bildfunk / AP / Carolyn Kaster)
    "Republikaner sind komplett zu einer Partei von Trump geworden"
    Münchenberg: Sie haben das eigene Lager schon angesprochen, ich zitiere mal die erzkonservative Kommentatorin Ann Coulter - die hätte gesagt, Trump sei der größte Feigling, der jemals im Weißen Haus gewesen war. Würden Sie denn sagen, das ist schon eine ernst zu nehmende Distanzierung von Trump, also hat das Bild des Präsidenten hier ernsthafte Kratzer bekommen gerade im eigenen Lager?
    Werz: Ja, das hat er, vor allen Dingen unter den radikalisierten Unterstützerinnen und Unterstützern des Präsidenten Kratzer bekommen, weil die in einer sehr moralisierenden Art und Weise immer darauf pochen, dass der Präsident zwar vielleicht ein wenig verrückt sei oder auch unorthodox, aber dass er seine Versprechen halten müsse, die er während der Wahl eingegangen ist. Und da war natürlich der verrückte Wahn, eine Mauer nach Mexiko zu bauen und die Migrationsstrukturen in dem Land komplett zu verändern, war eines der zentralen Wahlversprechen, das auch zu ungeheurer Mobilisierung gerade unter Bevölkerungsteilen, die eigentlich von Migrationsbewegungen überhaupt nicht betroffen sind, geführt hat.
    Insofern ist das für ihn ein großes Problem, weil das sind die Graswurzelaktivistinnen und -aktivisten, die er braucht, mit der er auch Druck auf die eher gemäßigten Republikanerinnen und Republikaner in der eigenen Partei ausüben kann, weil diese konservativen Segmente der republikanischen Partei im Moment die Lufthoheit über den Stammtischen übernommen haben.
    Münchenberg: Trotzdem reagiert der Präsident ja immer dann auch in seinen Tweets, geht auf diese Kritik ein. Würden Sie denn trotzdem jetzt so weit gehen und sagen, da gibt es so eine vorsichtige Abrückbewegung vom Präsidenten, oder geht das zu weit?
    Werz: Nein, das ginge zu weit. Das hängt damit zusammen, dass die republikanische Partei zum Bedauern vieler moderater Republikaner komplett zu einer Partei von Donald Trump geworden ist. Die Unterstützung unter registrierten Republikanerinnen und Republikanern liegt bei knapp 90 Prozent, und auch im Senat und im Abgeordnetenhaus hat sich wirklich niemand innerhalb der republikanischen Partei öffentlich gegen ihn gestellt. Es gab zwar eine Handvoll republikanischer Senatorinnen und Senatoren, die mit den Demokraten abgestimmt haben, aber das hing eher damit zusammen, dass diese Senatorinnen und Senatoren im November 2020 zur Wahl stehen und sich hier vor Kollateralschäden schützen wollten.
    Für Donald Trump ist es nach wie vor eine Partei, die ihm hörig ist, und man muss auch damit rechnen, dass er in drei Wochen, wenn diese kurzfristige Zwischenfinanzierung der Regierungsgeschäfte ausläuft, einen neuen Konflikt anstreben wird.
    "Notstand erlaubt keine Umdefinierung von Budgeteinheiten"
    Münchenberg: Das wäre meine nächste Frage, auch weil diese Einigung gilt ja nur für drei Wochen, das ist sozusagen einer kleiner Friedensmoment im Augenblick. Was passiert denn am 15. Februar, weil er könnte ja zum Beispiel auch den nationalen Notstand ausrufen, das hat er ja schon mehrfach angedroht.
    Werz: Der Präsident hat in der Tat mehrfach angedroht, den nationalen Notstand auszurufen, das kann er als Präsident. Diese Notstandsbefugnisse gehen zurück auf ein Gesetz aus den späten 70er-Jahren, das allerdings in ganz anderen Fällen angewandt wurde, beispielsweise als die iranische Mullah-Bewegung die amerikanischen Diplomaten als Geiseln genommen hatte 1979, wenn es um Massenvernichtungswaffen geht, oder Obama hat 2009 auch den Notstand ausgerufen, als es um die H1N1-Epidemie ging, die sogenannte Schweinepest, um Gesundheitsstrategien schnell zu implementieren.
    Diese Notstandsverordnung gibt dem Präsidenten außergewöhnliche Autorität und Gesetze, sie erlaubt allerdings keine Umdefinierung von Budgeteinheiten im amerikanischen Haushalt, und darum geht es ja - der Präsident will quasi sechs Milliarden Dollar für seine Mauer haben. Und eine Notstandsordnung unterliegt auch einer gerichtlichen Überprüfung, und alle, die sich ein bisschen auskennen in der Materie, sagen, es ist unvorstellbar, dass irgendein Gericht den Präsidenten, der ja hier eine simulierte Notstandssituation versucht herbeizureden, dass irgendein Gericht ihm recht geben würde und diese Verordnung aufrechterhält.
    Der Politikwissenschafter Michael Werz
    Der Politikwissenschafter Michael Werz (imago stock&people)
    "Die Einschläge kommen immer näher"
    Münchenberg: Stellt sich ja dann trotzdem die Frage, Herr Werz, wie soll denn eine Lösung, wie kann eine Lösung aussehen, wenn Sie sagen, auf der einen Seite ist nationaler Notstand eigentlich nicht haltbar, und auf der anderen Seite geht es um ein zentrales Wahlversprechen des Präsidenten.
    Werz: Das ist genau die Zwickmühle, in die er sich selbst hineinmanövriert hat. Viele würden sagen, es war kein Wahlversprechen, sondern eigentlich eine Wahldrohung, die er da ausgesprochen hat, aber die Realitäten sind einfach ganz andere. Es gibt im Moment keine nennenswerten Einwanderungsbewegungen in die USA, im Gegenteil, es gibt sogar in Richtung Mexiko mehr Leute, die im Moment das Land verlassen, als in die USA kommen.
    Das Problem ist natürlich, dass diese gesamte politische Situation wenig oder vielleicht auch gar nicht zusammenhängt mit der Realität im Land, sondern eher damit, dass der Präsident dringend ein Ablenkungsmanöver braucht wegen der Investigation und der Untersuchungen, die in der Russlandaffäre auf ihn zukommen. Dort hat es bereits 37 Anklageerhebungen gegeben, sieben Schuldeingeständnisse, und gerade gestern ist einer seiner wichtigsten Berater und ältesten Freunde vom FBI verhaftet worden.
    Diese Einschläge kommen immer näher, und der Präsident ist in einer Paniksituation und versucht halt, diese Ablenkungsmanöver zu inszenieren. Und darum ist es auch politisch so schwierig, diese Situation zu lösen. Wir wissen nicht genau, was im Februar passieren wird.
    Münchenberg: Herr Werz, wenn man noch mal auf die Gründe schaut, warum Trump da eingeknickt ist - er hat ja eben einen sehr hohen politischen Preis erst mal dafür bezahlen müssen: Waren es die unmittelbaren schweren wirtschaftlichen Folgen - es gab ja abgesagte Flüge, die Steuerbehörden haben auch schließen müssen, ja also alles Sachen, die auch das eigene Klientel treffen -, oder spielt da eben doch schon die neue Macht der Demokraten im Repräsentantenhaus eine maßgebliche Rolle?
    "Autoritäres Gehabe und fehlender Respekt"
    Werz: Beide Gründe sind ausschlaggebend. Zum einen war der ökonomische Schaden phänomenal, der belief sich auf über 100 Millionen Dollar pro Tag und stieg kontinuierlich an. Es war nicht nur so, dass die Flugsicherung hier Personalknappheit hatte, sondern auch die Küstenwache ja nicht bezahlt wurde, also wirklich auch Sicherheitsfragen plötzlich im Zentrum standen. Und in dem Moment, wo es zum ersten Mal an Flughäfen zu richtigen Problemen kam, hat natürlich auch die US-amerikanische Wirtschaftselite dem Weißen Haus ungeheuren Druck gemacht.
    Konservative Senatorinnen und Senatoren berichten davon, von wie vielen Leuten aus dem Privatsektor, Geschäftsführer und CIOs, sie Anrufe bekommen haben und Druck ausgesetzt worden sind. Auf der anderen Seite ist der Präsident natürlich mit seinem autoritären Gehabe und seinem fehlenden Respekt für politische Institutionen und Verfahren zum ersten Mal in einer Situation, in der eine erfahrene Politikerin, die Nancy Pelosi, mit der Mehrheit im Abgeordnetenhaus ihm das Leben schwermachen kann.
    Das Abgeordnetenhaus in den USA muss jede finanzielle Ausgabe des Bundes absegnen und durchstimmen, und insofern hat Nancy Pelosi und die demokratische Kongressmehrheit hier ein wichtiges und auch sehr mächtiges Instrument gegen den Präsidenten in der Hand.
    Titusville, Florida. Der Eingang zum US-Nationalpark Canaveral National Seashore in Florida ist wegen des Government Shutdowns am 12. Januar 2019 geschlossen. US-Präsident Donald Trump's fordert die Finanzierung einer Grenzmauer zu Mexiko, die Demokraten lehnen das ab. 800.000 Regierungangestellte bekommen deshalb kein Geld. 
    Der Eingang zum US-Nationalpark Canaveral National Seashore in Florida war wegen des Government Shutdowns geschlossen. (dpa / Paul Hennessy / NurPhoto)
    Münchenberg: Sie haben jetzt Nancy Pelosi angesprochen, die Wortführerin der Demokraten jetzt im Repräsentantenhaus. Sie gilt ja als extrem erfahren und politisch auch versiert. Würden Sie sagen, insgesamt, da verschiebt sich jetzt auch was im Machtgefüge in Washington mit Pelosi an der Spitze jetzt der Demokraten im Repräsentantenhaus?
    Werz: Ja, das ist schon geschehen, das ist eine qualitativ neue Situation, weil zumindest eine Säule der drei Regierungsinstitutionen, hier das Abgeordnetenhaus, in demokratischer Hand ist. Nancy Pelosi ist in der Tat erfahren, sie hat hier wirklich eine ganz gute Figur gemacht und den Präsidenten, dessen Talent, geschickt ausgespielt.
    Es ist allerdings noch nicht ausgemacht, wie sich das in der Zukunft entwickeln wird, weil es ist eine neue demokratische Parlamentsfraktion. Es gibt sehr viele junge Abgeordnete, es ist auch das Abgeordnetenhaus mit dem höchsten Frauen- und Minderheitenanteil, also viele Leute, die ihre erste Amtszeit jetzt antreten. Und dort gibt es auch eine gewisse Unruhe und sehr viele Erwartungen, dass die demokratische Parteiführung noch aggressiver gegen den Präsidenten vorgeht.
    Es wird interessant sein zu beobachten, ob Nancy Pelosi auf der Abgeordnetenhausseite und Chuck Schumer im Senat diese Balanceakt weiterhin so hervorragend in der Lage sind durchzuspielen, wie das in den vergangenen Wochen der Fall gewesen ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.