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Sicherer Organtransport

Medizintechnik.- Seit Jahrzehnten werden Spenderlebern nach der Entnahme für den Transport heruntergekühlt - eine Prozedur, die vor allem Fettlebern nicht gut überstehen. Etliche Organe gehen deshalb verloren. Ein Apparat von der Universität Oxford setzt nun auf ein anderes Konzept: Er gaukelt der Leber vor, sich noch im Körper zu befinden.

Von Marieke Degen |
    Das Video auf der Website der Universität Oxford zeigt eine Weltpremiere im OP: Der Transplantationsmediziner Peter Friend greift sich eine frisch entnommene Spenderleber und legt sie vorsichtig in eine Art Sieb aus Silikon. Er verbindet die Leber mit ein paar Schläuchen, für die Blutzufuhr. Ein paar Sekunden später färbt sich das graubraune Organ in ein sattes Dunkelrot.

    "Das war ein fantastischer Tag. Wir haben so lange an dem Apparat getüftelt, und als wir ihn dann zum ersten Mal im Einsatz hatten, mit einer Leber, die tatsächlich transplantiert werden sollte – das war schon sehr erfüllend."

    Der Apparat aus Oxford kann eine Spenderleber außerhalb des Körpers am Leben erhalten – wenn es sein muss, sogar für 24 Stunden. Er hat ungefähr die Maße eines Einkaufswagens, verfügt unter anderem über einen Beutel mit Blut, diverse Pumpen, einen Oxygenator, der das Blut mit Sauerstoff anreichert, und Sensoren zur Überwachung.

    "Wir lagern die Leber bei 37 Grad Celsius, bei normaler Körpertemperatur, und sie arbeitet dann einfach ganz normal weiter. Der Apparat versorgt sie mit Blut, Sauerstoff und Nährstoffen und hält die Temperatur und den Blutdruck konstant."

    Bislang werden Spenderlebern nach der Entnahme heruntergekühlt und in einer Kühlbox gelagert. Doch nicht alle Organe überstehen diese Prozedur. Bei einer Fettleber zum Beispiel wird das eingelagerte Fett hart, und das Organ kann schwer beschädigt werden. Jedes Jahr gehen in Europa und in den USA 2000 Lebern auf dem Weg zum Spender verloren. Das soll der Apparat aus Oxford verhindern. Gleichzeitig können die Chirurgen untersuchen, wie gut die Spenderleber funktioniert.

    "Die Leber ist über vier Schläuche mit dem Apparat verbunden: drei für die Blutversorgung, und ein Schlauch führt Galle ab. Die Leber produziert Galle, das ist eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Und wenn sie das gleichmäßig tut, dann ist das ein Zeichen dafür, dass alles in Ordnung ist."

    Das sei der entscheidende Vorteil, sagt Peter Friend: Die Chirurgen können die Qualität der Leber überprüfen, bevor sie in den Patienten transplantiert wird. Das war bislang nicht möglich.

    "Der Bedarf an Spenderlebern ist sehr groß, deshalb müssen wir immer häufiger auf Organe zurückgreifen, die zwar noch funktionieren, aber die nicht gerade in einem perfekten Zustand sind. Da ist dann immer die Angst, dass das Spenderorgan in der Kühlbox geschädigt worden sein könnte – was man erst sieht, nachdem es wieder transplantiert ist. Mit unserem System können die Chirurgen das Organ vorher durchchecken und dann entscheiden, ob sie es nehmen oder nicht."

    Das Gerät läuft voll automatisch, und es lässt sich überall hin mitnehmen: in jedes Krankenhaus, im Krankenwagen und sogar in ein Flugzeug. Im Februar hatte es seinen ersten echten Einsatz, am King’s College in London.

    "Wir haben bei zwei Patienten eine Transplantation durchgeführt. Das ist erst ein paar Wochen her, aber beiden geht es sehr gut. Der Apparat hat prima funktioniert, die Lebern sahen wirklich gut aus. Wir sind sehr zufrieden."
    Die Oxforder sind nicht die einzigen, die nach neuen Wegen für den Transport von Organen suchen. Am Universitätsspital Zürich zum Beispiel wird an einem ähnlich System gearbeitet, allerdings ohne warmes Blut. Die Leber wird dort mit einer kalten, sauerstoffreichen Lösung vollgepumpt – etwa eine Stunde, bevor sie transplantiert wird. Dadurch werden Gefäße und Gallengänge geschützt, und nicht mehr ganz so gute Lebern praktisch aufbereitet. Fünf Patienten haben solche Lebern bereits erhalten, ebenfalls mit guten Ergebnissen. Peter Friend und seine Kollegen wollen ihren Apparat jetzt noch bei 18 weiteren Transplantationen einsetzen. Danach soll in einer großen, europaweiten Studie geklärt werden, was für den Patienten wirklich besser ist: Eine Leber aus dem Apparat, oder eine Leber aus der Kühlbox.