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Sicherheitsdebatte
AfD fordert Abkehr vom "bunten Europa"

Nach den Terroranschlägen in Brüssel streiten sich Politiker über die innere Sicherheit. Die AfD setzt auf eine härtere Anti-Terror-Politik und belächelt Solidaritätsbekundungen mit den Opfern im Internet. Auf Facebook werfen Spitzenpolitiker der Partei ihren Gegnern Heuchelei vor - in gewohnt scharfer Form.

Von Stephan Detjen | 23.03.2016
    Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry spricht am Abend nach den Landtagswahlen in ein Mikrofon.
    Die AfD heizt die Sicherheitsdebatte nach den Terroranschlägen in Brüssel an. (imago stock and people / Pacific Press Agency)
    Am Morgen, nachdem Paris im November zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres von einer Terrorwelle getroffen wurde, nahm Staatspräsident Francois Hollande das Wort in den Mund, das er nach den Anschlägen im Januar noch vermieden hatte: "La France est en guerre" – Frankreich befindet sich im Krieg. In Deutschland wird der Krieg heute Morgen an den Zeitungsständen ausgerufen: "Wir sind im Krieg", titelt die BILD-Zeitung. Politiker bemühten sich derweil noch gestern um verbale Abrüstung:
    "Ich würde dringend davon abraten, jetzt in eine Kriegsrhetorik zu fallen. Denn wenn wir tatsächlich bei solchen Verbrechen von Krieg reden, dann würden wir ja sozusagen anerkennen, dass es sich bei dem 'Islamischen Staat' tatsächlich um einen Staat handelt", sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic, gestern Abend im DLF. Die Polizei müsse zunächst aufklären, nicht zuletzt, ob es Verbindungen der Brüsseler Attentäter zu deutschen Terrorzellen gebe.
    Die Erkenntnis, dass sich der Terror nicht einfach an europäischen Grenzen stoppen lässt, prägt die politischen Reaktionen. Der Austausch von Erkenntnissen und Daten der Sicherheitsbehörden innerhalb Europas müsse verbessert werden, fordert am Morgen der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach im DLF: "Diese Daten stecken in einem großen Silo. Und diese Silos stehen nebeneinander. Wichtig wäre aber eine Gesamtschau und dafür ist natürlich notwendig, dass wir diese Daten miteinander verknüpfen."
    Lässt der Terror Europa enger zusammenrücken? Werden Initiativen der EU-Innenminister zu einem intensiveren Austausch von Fluggastdaten jetzt schneller umgesetzt? Oder werden auch diejenigen jetzt wieder lauter vernehmbar, die Sicherheit vor allem durch nationale Maßnahmen fordern? Schlagen die europakritischen und nationalpopulistischen Parteien Kapital aus den Anschlägen von Brüssel?
    In Deutschland hat die Spitze der gerade auf Landesebene gestärkten AfD zunächst mit Facebook-Einträgen reagiert. "Es geht um unsere Identität als freiheitlich aufgeklärte Europäer" postet AfD-Chefin Frauke Petry und wendet sich dann an ein nicht näher bestimmtes "Sie": "Jetzt werden sie nämlich wieder irgendwas sein" schreibt Petry mit Blick auf die zahllosen Solidaritätsbekundungen in den sozialen Netzwerken und fährt fort: "Sie waren Charlie, sie waren Paris und jetzt sind alle Brüssel oder gar Belgien". Ein paar Zielen später heißt es "Ihr Heuchler".
    Einen fast wortgleichen Text hatte wenig zuvor Petrys Lebensgefährte, der nordrhein-westfälische AfD-Vorsitzende Marcus Pretzell auf Facebook veröffentlicht. Dort heißt es noch "Ihr verfluchten Heuchler".
    Der Wutausbruch des AfD-Mannes wurde offenbar in innerfamiliärer Redaktionsarbeit zumindest sprachlich geglättet.
    Unmittelbar nach den Anschlägen hatte sich in Brüssel selbst die AfD-Europaabgeordnete und stellvertretende Parteivorsitzende Beatrix von Storch zu Wort gemeldet. Von Storch meldet knapp, dass sie das Gebäude des Europäischen Parlaments verlassen habe und schreibt, es gebe offenbar viele Tote "am Flughafen und am Zentralbahnhof". Dann fügt sie spöttisch raunend hinzu: "Hat aber alles nix mit nix zu tun".
    Substanzielle Aussagen zur Terrorbekämpfung oder Forderungen zur Sicherheitspolitik waren von der AfD bisher nicht zu vernehmen.