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Sicherheitszone in Syrien
Das Assad-Regime kann nur müde protestieren

Die von der Türkei angekündigte Einrichtung einer Sicherheitszone in Syrien wird von der Regierung in Damaskus kritisiert, mehr aber auch nicht. Denn die betroffenen Gebiete kontrolliert sie ohnehin schon lange nicht mehr. Die Lage des Regimes von Präsident Baschar al Assad ist dramatisch.

Von Clemens Verenkotte | 30.07.2015
    Syriens Präsident Assad
    Kontrolliert nur noch kleine Teile des Landes: der syrische Präsident Assad. (SANA / AFP)
    Nachrichten im syrischen Staatsfernsehen: Militärische Erfolge werden gemeldet und Lob von der sehr überschaubaren Gruppe ausländischer Stützen des Rest-Regimes, wie vom libanesischen Chef der pro-iranischen Hisbollah: "Herr Nasrallah betonte heute: Syrien ist die Achse des Widerstandes in der Region und das, was Syrien an Terror durchmachen muss, stellt das Scheitern der Hauptfragen der arabischen Nation dar, an deren Spitze die palästinensische Frage steht. - Die irakische Armee befreite das Stadion in Ramadi vom IS."
    Die eigentliche Nachricht vom Eintritt der Türkei in die amerikanische Anti-IS-Koalition kommt während der ersten Tage nach der Entscheidung Ankaras nicht vor. Zunächst kein Wort darüber, dass Staatspräsident Tayyip Erdogan, ein ausgewiesener Feind Assads, zusammen mit Washington in aller Öffentlichkeit einen rund 90 Kilometer breiten und 50 Kilometer tiefen Streifen des syrischen Staatsgebiets für eine sogenannte Sicherheitszone vorgesehen hat.
    Stattdessen, am Mittwoch, überträgt das Staatsfernsehen eine Rede von Parlamentspräsident Mohammed Djhad Allahham, mit gewohnter Regime-Rhetorik: "Der Krieg gegen unser Volk ist so heftig und hart. Unser Volk hat die Schmerzen erduldet und standgehalten und stemmt sich immer noch mit aller Kraft gegen den Terror. Der Terror wird von bestimmten Extremistengruppierungen ausgeführt. Diese sind bewaffnet, werden von westlichen und regionalen Regierungen finanziert, die zum großen Teil am Blutvergießen unseres Volkes beteiligt sind.“
    Mit "Terroristen" belegt der Machtapparat Assads alle bewaffneten Gruppen welcher Couleur auch immer, die gegen das Regime kämpfen. Die erste politische Reaktion auf Ankaras Kurswechsel kommt am späten Mittwochnachmittag vom syrischen Außenministerium, platziert auf der Internetseite des Staatsfernsehens: Die Regierung weise den Versuch der Türkei entschieden zurück, sich als Opfer darzustellen. Über vier Jahre lang, so heißt es in dem gleichlautenden Schreiben des syrischen Außenministeriums an den Welt-Sicherheitsrat und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, habe die Türkei Terroristen gefördert, die aus über 100 Ländern über die türkische Grenze nach Syrien gekommen seien. Dort hätten sie sich der IS-Terrormiliz angeschlossen, der syrischen Al Kaida - der Nusra-Front - und anderen Extremistengruppierungen. Zudem bilde die Türkei nach wie vor Terroristen der Nusra-Front und anderer Al Kaida nahestehender Einheiten aus.
    An der Reaktion des syrischen Außenministeriums lässt sich die für das Regime bedrohliche Lage ablesen: So beherrscht Assad das Areal, das die türkische und amerikanische Regierung über eine Sicherheitszone ausgesucht haben, ohnehin schon lange nicht mehr, sondern die Terrormiliz IS. Assad verfüge nur noch über rund 25 Prozent des Landes, wie die zuverlässige syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldet. Von Januar bis Ende Juni hätten Assads Einheiten Geländeverluste von 16 Prozent erlitten, so das britische Fachmagazin "Jane’s Defense Weekly". Einer der Gründe dafür, dass Bashar al Assad am vergangenen Sonntag, erstmals öffentlich einräumen musste: "Wir müssen die wichtigen Regionen bestimmen, die die Streitkräfte halten können, um nicht den Zusammenbruch des Restes zuzulassen.“
    Gezielt streut auch das syrische Staatsfernsehen Mutmaßungen, denen zufolge die türkische Luftwaffe bei ihren Angriffen auf die IS-Terrormiliz in Syrien nur leere, längst aufgegebene Stellungen bombardiert hätte; es habe sich also nur um symbolische Luftschläge gehandelt.