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"Sie hat lieber diese 1,1 Millionen und schickt sie nicht zurück"

Die FDP verhalte sich in der Diskussion um die Millionenzuwendung des Unternehmers August Baron von Finck nach dem klassischen wirtschaftsliberalen Grundsatz "Was nicht verboten ist, ist erlaubt," sagt Claus Offe, Professor für politische Soziologie. Ein solches Gebaren fördere den ohnehin verbreiteten Zynismus bei den Wählern.

Claus Offe im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Mit einem Vermögen von rund 5,2 Milliarden Euro zählt der Unternehmer August Baron von Finck zu einem der reichsten Deutschen. Ihm gehört die Substantia AG, seine Familie ist Miteigentümer der Mövenpick-Gruppe mit mehr als 10 Hotels in Deutschland. Das interessiert uns heute Morgen, weil die Substantia AG – das hat die FDP bestätigt – den Liberalen in Teilbeträgen in mehreren Abständen insgesamt 1,1 Millionen Euro gespendet hat, und das interessiert uns heute Morgen, weil die schwarz-gelbe Koalition mit dem sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz vor Weihnachten unter anderem durchgesetzt hatte, dass die Mehrwertsteuer für Übernachtungen in Hotels auf sieben Prozent sank. Empört reagiert die Opposition, die Liberalen sehen keinen Skandal, und einordnen soll uns das in den kommenden Minuten Claus Offe. Er ist Professor für politische Soziologie an der Hertie-School of Governance und jetzt am Telefon. Guten Morgen!

    Claus Offe: Guten Morgen, Frau Schulz.

    Schulz: Die FDP ist eine unternehmensnahe Partei. Warum stören wir uns überhaupt daran, wenn - und nach unserem derzeitigen Kenntnisstand wissen wir jedenfalls auch nichts anderes – eine solche Partei legale Zuwendungen in größerer Höhe bekommt?

    Offe: Ja, viele stören sich daran, manche stören sich nicht daran, und das ist letztlich die Interpretation und die Sicht nicht der Gerichte, sondern der Wähler und der Medien, wie man das beurteilen will. Die FDP geht nach dem Grundsatz vor, ein ur-wirtschaftsliberaler Grundsatz: Was nicht verboten ist, ist erlaubt. Und es ist im Augenblick nicht zu erkennen, dass das, was da passiert ist, verboten ist. Und die Spender gehen nach dem Grundsatz vor, man kann niemandem verbieten, mit dem eigenen Reichtum Gutes zu tun oder das, was man dafür hält.

    Schulz: Jetzt hat jede Partei natürlich bestimmte Interessen. Ist das nicht auch gerade eine Stärke der Demokratie?

    Offe: Natürlich! Jede Partei braucht Geld und das Geld kommt bei allen Parteien zu sehr unterschiedlichen Anteilen aus Spenden. Die Parteien, bei denen der Anteil der Spendenfinanzierung am größten ist, sind die beiden Parteien CSU und FDP. Das war schon immer so und das bewegt sich seit 1983 im Bereich von 40, 45 Prozent, der Anteil der Spenden an den Gesamteinnahmen der politischen Parteien.

    Schulz: Die Liberalen argumentieren jetzt im Zusammenhang mit diesem Thema der Spende, das wir gerade besprechen, dass erst die Forderung der FDP da gewesen sei und dann die Spende. Spielt die Reihenfolge überhaupt eine Rolle?

    Offe: Sie spielt meiner Meinung nach keine Rolle, denn es gibt so etwas wie einen Drogeneffekt auch. Wenn Parteien sich mal daran gewöhnt haben, dass die Spenden kommen, dann hängt über ihnen das Damokles-Schwert, dass die Spenden auch mal ausbleiben können, und wenn sie das im Kopf behalten, dann werden sie Dinge tun, die sie möglicherweise sonst nicht tun werden. Also es ist kein Tauschverhältnis. Man wird nie einen Briefwechsel finden, in dem steht, wir tun das und dafür tut ihr das, sondern es ist ein symbiotisches Verhältnis, das auf die Politik der Parteien oder der fraglichen Partei in diesem Fall schon durchaus einen hintergründigen, aber schlecht nachweisbaren Einfluss hat, und das ist der FDP offenbar egal. Sie hat lieber diese 1,1 Millionen und schickt sie nicht zurück, statt diesen Geruch zu vermeiden, diesen Eindruck zu vermeiden, den verbreiteten, dass hier doch eine illegitime Einflussnahme vorherrscht.

    Schulz: Ein symbiotisches Verhältnis, haben Sie gerade gesagt. Für wie hoch halten Sie den politischen Schaden für die Liberalen?

    Offe: Ich denke, dass das beiträgt zu einem ohnehin verbreiteten Zynismus bei den Wählern, die sich die Politik dann vorstellen als ein Geschäft, in dem eben solche quasi Tauschhandlungen vorkommen. Das führt zur Unterminierung des Vertrauens in den demokratischen Prozess, das ist ein sicherer Schaden. Auf der anderen Seite ist es so, dass die Wähler ein bemerkenswert kurzes Gedächtnis haben und auch das Interesse der Medien durchaus ein vergängliches ist. Ich meine, wer erinnert sich an die Namen Möllemann und Lambsdorff, die ja auch früher schon in Spendenaffären verwickelt waren. Die einzige Instanz, die da richten kann und Schlüsse daraus ziehen kann, sind die Wähler und die Medien, die die Wähler mit den erforderlichen Informationen ausstatten.

    Schulz: Sind wir denn, die Medien, die Wähler, empfindlicher bei einer Partei wie der FDP, oder gäbe es die gleiche Aufregung, wenn es sich um eine Spende eines Windenergieherstellers an die Grünen gehandelt hätte?

    Offe: Nun sind die Verhältnisse, wie ich schon sagte, ja ganz unterschiedlich. Die Grünen sind nicht halb so abhängig von Spenden wie die CSU und die FDP, die CDU auch deutlich weniger und am wenigsten die SPD. Da gibt es schon Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien und wenn es vorkommen sollte, dass ein solches vermutliches Tauschgeschäft, wie Sie es eben beschrieben haben, bei den Grünen vorkommt, dann hätten die auch viel Ärger davon.

    Schulz: Jetzt sprechen wir über dieses Unbehagen, auch diese Empörung. Sind das alles Argumente dafür, Spenden ab einer gewissen Höhe entweder ganz zu verbieten, oder Parteispenden überhaupt?

    Offe: Parteispenden überhaupt zu verbieten, kommt überhaupt nicht in Frage, weil die Parteien, um ihre unerlässliche, unverzichtbare Funktion in einer Demokratie zu erfüllen, Geld benötigen. Die Personaldecke ist ohnehin knapp genug und man benötigt viel Geld, um nicht nur Wahlkämpfe führen zu können, sondern auch eine Parteiorganisation aufrecht zu erhalten. Aber man könnte sich natürlich überlegen – das ist ja auch angeregt worden und ist eine Möglichkeit, wie sie in anderen Ländern praktiziert wird, zum Beispiel in den USA -, entweder die Quelle der Spenden zu begrenzen (das tut das Parteiengesetz in seinem Paragrafen 25 zum Teil auch), oder die Höhe der Einzelspenden zu begrenzen. Das sind enorme Probleme, die man damit sich einhandelt, weil Geld wie Wasser leicht Umwege findet, die dann schlechter zu kontrollieren sind. Also das ist ein durchaus schwieriges Politikfeld, wie man das regeln will. Der Vorschlag, dass Unternehmen - anders als Bürger haben sie ja kein politisches Stimmrecht – herausgehalten werden sollen aus dem Spendengeschäft, führt vermutlich in die richtige Richtung, aber das durchzusetzen in einem Parlament, dem Parteimitglieder angehören, die alle von Spenden abhängig sind in unterschiedlichem Maße, ist ein größeres Vorhaben, um es vorsichtig auszudrücken.

    Schulz: Die Vorwürfe werden jetzt laut, parallel zum Auftakt des Schreiber-Prozesses in Augsburg. Schreiber war ja auch eine der Schlüsselfiguren der Spendengeldaffäre der CDU in den 90er-Jahren. Sind die Parteien denn insgesamt gesprochen seitdem sensibler geworden?

    Offe: Das kann ich nicht feststellen. Die Anreizwirkung von Spenden ist doch so groß, dass man wie gesagt nicht darauf verzichten kann, und natürlich versuchen sie zurückzurudern und zu beschwichtigen und den Vorfall als einen Akt von quasi Korruption kleinzudrehen, aber die nächste Spende kommt bestimmt und der nächste Spendenskandal kommt bestimmt.

    Schulz: Und darüber bleiben wir im Gespräch. – Professor Claus Offe. Er lehrt politische Soziologie an der Hertie-School of Governance und war heute im Gespräch mit den "Informationen am Morgen" hier im Deutschlandfunk. Danke schön!

    Offe: Gerne.