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Siedlungen von oben
Satelliten liefern Karte bebauter Flächen weltweit

Fernerkundung. - Die Weltbevölkerung wächst. Heute leben doppelt so viele Menschen auf der Erde wie noch 1970. Allein in den letzten zehn Jahren stieg ihre Zahl um knapp 800 Millionen. Wo genau sich diese Menschen ansiedeln – und wie sich der Siedlungsraum global verändert, ist bisher kaum systematisch untersucht worden. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt ist dabei nun einen entscheidenden Schritt weiter gekommen.

Von Karl Urban | 16.10.2014
    "Tiros meaning television and infrared observation satellite is more than just a dream."
    Das erste Satellitenbild der Geschichte stammt aus dem Jahr 1960: verwaschene weiße und graue Fetzen, mit viel Fantasie die Küste der Vereinigten Staaten.
    "The eyes of the satellite are two television cameras."
    In den folgenden Jahrzehnten wurden die Fotos aus der Umlaufbahn immer besser. Landschaften, ganze Städte und sogar einzelne Häuser waren zu erkennen – die heute über Kartendienste von jedermann frei abrufbar sind. Für Thomas Esch waren auch diese Satellitenbilder aber nicht gut genug.
    "Ein Problem hierbei ist, dass es dabei meist um optische Systeme geht, die stark von der Wolkenbedeckung abhängig sind."
    Der Forscher am Fernerkundungsdatenzentrum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt wollte eine Karte der weltweiten Siedlungen erstellen. Ohne störende Wolken, Bäume, Sträucher und Wiesen.
    "Somit konnte man zwar große Siedlungsflächen erkennen, kaum aber kleinere Ansiedlungen wie Dörfer oder Weiler, die aber im Grunde auch einen sehr starken Einfluss haben können."
    Der Forscher nutzte deshalb keine klassischen Satellitenfotos, sondern die Radarsatelliten TerraSAR- und TanDEM-X. Seit über fünf Jahren im All, überfliegen die regelmäßig alle besiedelten Gegenden der Erde. Und ihre Radarwellen reagieren besonders auf glatte vertikale Flächen von Gebäuden.
    "Was wir uns zu Nutze machen, ist, dass sich Siedlungsflächen dadurch kennzeichnen, dass sie sehr viele vertikale Strukturen – sprich Wände, Laternen, Schilder und so weiter – aufweisen. Und an solchen Strukturen wird die Radarstrahlung sehr stark zurückgeworfen."
    Das Resultat: Eine Weltkarte, auf der die Landoberfläche weiß erscheint. Nur die Ballungsräume sind dicht gepunktet. Mit zwölf Metern pro Pixel ist die Auflösung zwar weit schlechter als viele bestehende Satellitenfotos. Thomas Eschs Karte ist dafür reduziert aufs Wesentliche: bis hinab zu einzelnen Häusern, die weltweit ganz unterschiedliche Muster formen.
    "Zum Beispiel, wenn man dieses Diakowar in Kroatien betrachtet, sieht man: Das sind solche länglichen gekreuzten Strukturen. Das sind vor allem Straßendörfer, die entlang der Infrastruktur verlaufen."
    Und die an die Krakelei eines Kleinkindes erinnern.
    Karten mit ästhetischer Wirkung und wissenschaftlicher Aussage
    "Was man in Asien häufig findet, wo viele kleine Wasserläufe sind, gerade in Deltaregionen: dass die Häuser in ein oder zwei Reihen den Wasserkanälen folgen. Daher hat man diese linienhaften, geschlängelten Strukturen."
    Wie in einer Grafik von Albrecht Dürer.
    "Es hat auch durchaus einen künstlerischen Aspekt, der nicht zu vernachlässigen ist."
    Diese Karten sollen nicht nur schön aussehen, sondern auch helfen: Gerade die Behörden schnell wachsender Megastädte haben bereits Interesse angemeldet – denn sie verfügen oft nicht über Bebauungspläne, um neue Brunnen und Abwasserkanäle zu planen. Hierzulande verfügen Katasterämter zwar über weit bessere Karten – aber es gibt laut Thomas Esch wissenschaftliches Interesse. Denn hoch aufgelöste und weltweit vergleichbare Siedlungsdaten gab es bis heute nicht.
    "Beispielsweise in Deutschland sieht man: Wir haben zwar eine schrumpfende Bevölkerung, aber eine jeden Tag stetig wachsende Siedlungsfläche. Das heißt, hier ist ein völlig anderer Treiber hinter dieser Entwicklung als in vielen Megastädten, wo man natürlich auch ein sehr starkes Siedlungswachstum hat, aber zugleich in der Region ein Bevölkerungswachstum und einen starken Zuzug. Das heißt, da sind in der Regel weniger ökonomische Faktoren die Treiber, sondern gesellschaftliche wie Migration oder eine demografische Entwicklung."
    Die Forscher wollen jetzt die globale Ausbreitung des Menschen über die Zeit dokumentieren: Denn die Radarsatelliten überfliegen alle elf Tage den gleichen Ort auf der Erdoberfläche. Über die nächsten Jahre soll somit eine animierte Darstellung entstehen: die Entwicklung menschlicher Siedlungen weltweit.