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Sigmar Gabriel in Weißrussland
Heikle Annäherung

Mit Komplimenten empfing Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko Bundesaußenminister Sigmar Gabriel: Minsk und Berlin brauchen einander, besonders vor dem Hintergrund des Russland-Ukraine-Konflikts. Über strittige Themen, die die Einigkeit stören könnten, wurde dabei hinweggesehen.

Von Thielko Grieß | 18.11.2017
    Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD, r) wird am 17.01.2017 in Minsk (Weißrussland) vom weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko zu einem Gespräch empfangen.
    Ungeachtet strittiger Themen plädiert Bundesaußenminister Sigmar Gabriel nun für die Aufnahme Weißrusslands in den Europarat (Friedemann Kohler/dpa)
    Der Präsidentenpalast in Minsk glänzt. Blitzblanke Fliesen, üppige Kristallleuchter, viel Marmor: Sowjet-Schick, den Hausherr Alexander Lukaschenko mag. Hier ist das Abkommen Minsk II verhandelt worden. Der Präsident von Belarus braucht nur wenige Sätze, um auf die Ukraine zu sprechen zu kommen, gewandt in ein Kompliment für den Gast aus Deutschland.
    "Es gibt in der Ostukraine keinen Krieg mehr. Wenn die Regierung Deutschlands nicht eine harte Haltung eingenommen hätte, wären dort Menschen zu Tausenden ums Leben gekommen."
    Im Hintergrund lauert das Thema Russland
    Geschossen wird in der Ostukraine nach wie vor - an dem Abkommen von Minsk, für das sich Deutschland eingesetzt hat und bis heute einsetzt, halten aber Berlin und Minsk gemeinsam fest. Für Weißrussland ist es prestigeträchtig, für Berlin bislang ohne Alternative. Lukaschenko, der, was Gas, Öl und Militär betrifft, von Wladimir Putin abhängig ist, erlaubt sich dennoch eine Spitze gegen Moskau.
    "Ich versichere Ihnen, dass es vom belarussischen Gebiet aus niemals Signale geben wird, dass die Unverletzlichkeit und Sicherheit des europäischen Kontinents gestört werden."
    Schon der Auftakt zeigt: Sigmar Gabriel verbringt den Tag zwar mit weißrussischen Gesprächspartnern. Doch es geht nicht nur um Belarus, sondern auch um die Ukraine, um Europa und Russland. Der Außenminister von Weißrussland, Wladimir Makej, stellt später die entscheidende Frage.
    "Wie finden wir unsere eigene Mission, um nicht neue Trennlinien zu schaffen, sondern im Gegenteil von Osten und Westen, von Norden und Süden, Widersprüche und konfrontative Rhetorik zu überwinden, die heute leider in den Beziehungen zwischen Russland und Europa, zwischen Russland und den USA existieren?"
    Und gibt selbst eine Antwort.
    "Unter diesen Bedingungen halten wir auf der einen Seite der strategischen Partnerschaft mit Russland die Treue, unter anderem im militärischen Bereich. Auf der anderen Seite errichten wir zur selben Zeit eine maximal konstruktive und pragmatische Beziehung mit der Europäischen Union und den USA. Diese Balance des Lebens ist für unser Land unabdingbar."
    Die Interessen decken sich
    Deutschland und die EU greifen beherzt nach der Hand Weißrusslands, weil aus dem Osten, aus Russland zumal, gar keine Hände mehr ausgestreckt werden. So decken sich die Interessen, und so spielen sich Sigmar Gabriel und seine Gesprächspartner die Bälle zu: Weißrussland wünscht sich Investitionen und wirbt mit seinem Standort, Gabriel lobt, dass Minsk jüngst die Visumspflicht für EU-Bürger zum Teil abgeschafft hat. Weißrussland begrüßt die Partnerschaftsangebote der Europäischen Union und Gabriel unterstreicht, niemand wolle Belarus dazu nötigen, sich zwischen Moskau und Brüssel zu entscheiden.
    Weißrussland bleibt ein repressiver Staat
    Später, als die beiden Außenminister nicht mehr im Präsidentenpalast, sondern vor Publikum sprechen, sitzt mit Anatolij Lebedko einer in den Stuhlreihen, der es unter Lukaschenko schwer hat, milde ausgedrückt.
    "Im Mai dieses Jahres war ich zuletzt im Gefängnis, für 15 Tage."
    Er gehört zur Opposition, die in Weißrussland nach wie vor keine reelle Chance hat. Lukaschenko hat zwar zuletzt einige politische Gefangene freigelassen, der Staat aber bleibt repressiv.
    "Noch vor zwei, drei Jahren haben die meisten Belarussen von europäischen Politikern gehört, dass Lukaschenko der letzte Diktator Europas sei. Vor einem Jahr wurde er zum vorletzten Diktator. Weil Putin auftauchte. Heute sehen die Belarussen, dass viele Europäer bereit sind, Lukaschenko zu umarmen. Im Land selbst aber ändert sich gar nichts."
    Wenn die EU mit Weißrussland Ende des Monats in Brüssel über mehr Partnerschaft spricht, will Lebedko auch dorthin. Und jedem berichten, wie eng die Freiheiten in Weißrussland sind. Jedem, der es hören will.