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Sigrid Nikutta
BVG-Chefin soll Bahn-Güterverkehr sanieren

Sie hat die Berliner Verkehrsbetriebe aus den Schulden geführt – nun soll sich Sigrid Nikutta die verlustreiche Güterverkehrssparte der Bahn vornehmen. Der Bahnaufsichtsrat hat Nikutta in den Bahnvorstand berufen. Wer ist die Managerin?

Von Sebastian Engelbrecht | 07.11.2019
Sigrid Nikutta, langjährige Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) soll neue Vorständin für den Güterverkehr bei der Deutschen Bahn werden
Sigrid Nikutta, langjährige Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) soll neue Vorständin für den Güterverkehr bei der Deutschen Bahn werden (dpa/Monika Skolimowska)
Sigrid Nikutta passt nicht ins Bild des typischen Spitzenmanagers der Deutschen Bahn. Erstens ist sie eine Frau, und auch sonst ist ihre Biographie für den Bahn-Vorstand ungewöhnlich. Die Vorstandsvorsitzende des Berliner Nahverkehrsunternehmens BVG ist 50 Jahre alt und hat fünf Kinder. Geboren wurde sie im polnischen Szczytno, der früheren ostpreußischen Kleinstadt Ortelsburg. Ihre Vorfahren gehörten dort nach dem Krieg zur deutschen Minderheit. Nikutta wuchs dann aber in Ostwestfalen auf, studierte in Bielefeld Psychologie – mit dem Schwerpunkt Betriebs- und Organisationspsychologie. Vielleicht liegt es daran, dass sie als BVG-Chefin so bodenständig geblieben ist. Vor zwei Jahren sagte sie in einem Interview mit dem RBB:
"Meist bin ich so gegen halb acht im Büro, und dann gibt es einen Termin nach dem nächsten, ganz viele im Haus, aber auch ganz viele unterwegs auf den U-Bahnhöfen, in den Werkstätten. Natürlich möchte ich sehen, wie das System funktioniert. Ich fahre eigentlich immer öffentlich und gucke mir das dann direkt morgens an. Man trifft viele nette Leute und sieht sofort, was Sache ist."
"Vorstände sind austauschbar"
Nikuttas Karriere begann in einem mittelständischen Unternehmen in Bielefeld. 1996 ging sie zur Deutschen Bahn, hatte Leitungsfunktionen im Bereich Bildung. Die Güterverkehrstochter DB-Cargo kennt sie schon, 2001 wurde sie Personalleiterin, leitete in der Gütersparte der Bahn später die "Produktion". Schließlich wurde sie Mitglied des Vorstands für Produktion bei der polnischen Bahn-Tochter DB Cargo Polska. 2010 bewarb sie sich auf den Chefposten der BVG in Berlin. Die Psychologin überzeugte mit ihrem technischen Fachwissen. Bei der BVG ist sie heute für 14.600 Mitarbeiter verantwortlich – und sie hält diese für wichtiger als sich selbst.
"Wenn man in so einem Büro arbeitet, dann bekommt man ja nur einen kleinen Ausschnitt mit. Die Kolleginnen und Kollegen, die die U-Bahnen, Straßenbahnen, Busse fahren, die Züge und Busse reparieren, die die Fahrkarten verkaufen, die mit den Kunden unterwegs sind, unsere Sicherheitsmitarbeiter, das sind die BVGler, die die BVG ausmachen. Vorstände sind letztendlich austauschbar."
Sigrid Nikutta erreichte bei der BVG Unglaubliches – nämlich ein positives Betriebsergebnis. Im Jahr 2014 schrieb die BVG erstmals in ihrer Geschichte schwarze Zahlen. Die Zahl der beförderten Fahrgäste stieg seit 2010 um 200 Millionen im Jahr. Die Zahl der Beschäftigten steigerte sie um fast 50 Prozent. Eines ihrer Erfolgsrezepte:
"Ich bin wirklich mit einem ganz starken Unabhängigkeitsstreben aufgewachsen, und das ist bis heute da. Ich finde es auch wirklich erstrebenswert, die Dinge zu können und nicht abhängig zu sein von anderen."
Öffentlicher Nahverkehr habe an Bedeutung gewonnen – Chance für Verkehrswende
Im Bahn-Vorstand dürften vor allem Nikuttas Fähigkeiten bei der Sanierung der Finanzen gefragt sein. Denn die Bahn macht mit dem Güterverkehr schon seit vielen Jahren Verluste. DB Cargo hat in Europa 29.000 Mitarbeiter, hinzu kommen 75.000 Angestellte bei der Spedition Schenker, die zur Bahn gehört. Sigrid Nikutta will auch ihre neue Aufgabe im Bahn-Vorstand mit dem für sie typischen Selbstbewusstsein angehen, mit derselben Zuversicht, mit der sie von Anfang an auf die BVG blickte.
"Wir haben gerade jetzt in Deutschland und in Europa eine, wie ich finde, unglaublich spannende Zeit. Vor einigen Jahren war dieses Thema Nahverkehr und öffentlicher Verkehr immer noch so ein bisschen - naja, halt öffentlicher Nahverkehr. Jetzt haben wir wirklich die Chance, eine Verkehrswende hinzubekommen."