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Sipri-Bericht
Grünen-Politiker Nouripour: Russland rüstet auf

Russische Rüstungsfirmen verkauften im letzten Jahr 20 Prozent mehr Waffen als im Vorjahr. Das liege nicht allein an der Aufrüstung der russischen Streitkräfte, sagte Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour im DLF. Auch versuche Moskau, durch Waffenverkäufe Einfluss auf Schwellenländer zu nehmen.

Omid Nouripour im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Der russische Präsident Wladimir Putin vor der sechs Meter langen Zar-Kanone im Kreml in Moskau.
    Modernisiert seine Streitkräfte: Russlands Präsident Wladimir Putin vor der sechs Meter langen Zar-Kanone im Kreml ( AFP PHOTO/ RIA-NOVOSTI/ POOL/ MIKHAIL KLIMENTYEV)
    Tobias Armbrüster: Die russische Wirtschaft ist zurzeit mit schweren Sanktionen belegt. Die USA und die EU haben im Zuge des Konflikts rund um die Ukraine ihren Handel mit russischen Unternehmen stark eingeschränkt. Das scheint aber vor allem eine russische Branche nicht aus der Bahn zu werfen: die Rüstungsindustrie nämlich. Laut einem aktuellen Bericht des Friedensforschungsinstituts Sipri in Stockholm sind die Waffenverkäufe russischer Hersteller im vergangenen Jahr stark angestiegen, und zwar gegen den weltweiten Trend. Am Telefon hier bei uns im Deutschlandfunk ist jetzt Omid Nouripour, der außenpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Schönen guten Tag.
    Omid Nouripour: Ich grüße sie.
    Armbrüster: Herr Nouripour, wir haben es gehört: Russische Waffenverkäufe befinden sich auf Rekordniveau. Muss uns das beunruhigen?
    Nouripour: Ja und nein. Auf der einen Seite ist bekannt, dass Wladimir Putin im Wahlkampf, als er wieder Präsident werden wollte 2012, sehr klar angekündigt hat, die Streitkräfte zu modernisieren, und er hat Summen genannt, die er ausgeben will eben für diese Modernisierung, die waren unglaublich hoch. Das heißt, sehr vieles, was wir heute an dem Plus sehen, hat auch was damit zu tun, dass er Teile dieses Wahlkampfversprechens einlöst. Das ist nicht schön, gerade in dieser jetzigen Zeit nicht, aber das ist nicht unbedingt eine direkte Linie zwischen der Situation in der Ostukraine derzeit und dieser Produktion von Waffen noch und nöcher. Auf der anderen Seite sind Waffen nun mal nicht für bestimmte Zwecke immer nur verbrauchbar und gebrauchbar, sondern die kann man ja jederzeit auch woanders einsetzen, und natürlich muss man schauen, ob das jetzt nicht am Ende auch dazu führt, dass Streitkräfte oder Milizen in der Ostukraine oder auch an anderen Stellen, wo man dem Westen weh tun kann, tatsächlich benutzt werden können.
    Armbrüster: Aber wir können schon festhalten, diese steigenden Waffenverkäufe sind ein Zeichen dafür, dass Russland aufrüstet.
    Nouripour: Das ist definitiv so, und es ist nicht nur ein Aufrüsten, sondern es ist ja auch so, dass die Russen auf dem Weltmarkt versuchen, gerade bei den Schwellenländern, die aufrüsten, und davon gibt es ja einige, die ja auch im Sipri-Bericht sich finden lassen, Türkei, Brasilien, Indien und andere, dass die Russen natürlich dort versuchen, nicht nur zu verkaufen, sondern damit sich auch Einfluss zu kaufen.
    Armbrüster: Einfluss inwiefern?
    Nouripour: Insoweit, als dass in dem Augenblick, in dem die Russen-Geschäfte zum Beispiel nach Indien zunehmen, natürlich auch die Russen ganz andere Zugänge haben in die Administration, um jetzt mal als Beispiel Indien zu nehmen.
    "Es wäre die beste Zeit für einen Abrüstungsschritt des Westens"
    Armbrüster: Andererseits ist es ja auch nicht verwunderlich, dass Wladimir Putin so sehr darauf achtet, seine Waffenarsenale up to date zu halten. Immerhin befindet sich das Land ja in einer Position, in der es sich einigem Druck ausgesetzt fühlt, unter anderem durch die Ausdehnung der NATO. Eigentlich ist es ja auch aus westlicher Sicht dann logisch, dass so ein Land dann auch darauf achtet, waffentechnisch immer on top zu sein.
    Nouripour: Ich habe mich immer geweigert, mich anzuschließen einem Denken, das da sagt, es gibt Einfluss-Sphären und man darf nicht irgendwie da rein, wenn die Russen finden, dass die Ukraine der Teil ihrer Einfluss-Sphäre ist. Die Ukraine zum Beispiel ist ein souveräner Staat und soll selber entscheiden, wohin eigentlich das Land gehen will, und das ist weder in Moskau zu entscheiden noch in Brüssel noch in Washington. Aber völlig richtig ist, dass Abrüstung grundsätzlich immer dann funktioniert, wenn eine Seite tatsächlich mit einem Vertrauensvorschuss vorangeht, und das ist in den letzten Jahren zu wenig passiert. Wir hatten unglaublich gute Reden von Barack Obama. Es gab auch im konventionellen Bereich nichts. Aber im unkonventionellen Bereich, also bei den Atombomben, gab es ja auch das eine oder andere, was abgerüstet wurde. Aber wenn man bedenkt, wie groß die Kluft ist zwischen den Reden und den Handlungen, wie groß die Kluft ist zwischen der Rede von Obama in Prag, in der er davon sprach, dass wir eine Welt anstreben sollten ohne Atomwaffen, und das, was wirklich on the ground passiert ist, dann muss man einfach feststellen, dass das nicht ausreichend ist, um Vertrauensvorschüsse zu geben. Die jetzige Situation macht es natürlich umso schwieriger, nach vorne zu kommen, um zu sagen, wir gehen jetzt voran mit einem Abrüstungsschritt, aber es wäre die beste Zeit überhaupt dafür,
    Omid Nouripour (Bündnis90/Die Grünen)
    Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen (nouripour.de)
    Armbrüster: Aber wir müssen uns wohl eher darauf einstellen, dass die russischen Rüstungsexporte noch weiter in die Höhe gehen.
    Nouripour: Es ist definitiv davon auszugehen, gerade auch deswegen, weil die Amerikaner ja zum Beispiel deutlich einsparen bei ihrem Rüstungsetat, was ja sinnvoll und richtig ist, aber das wird natürlich erst mal kurzfristig Lücken reißen, in die die Russen versuchen werden reinzugehen.
    Armbrüster: Das bringt uns zu dieser anderen großen Aussage dieses aktuellen Sipri-Rüstungsexport-Berichts, die da nämlich besagt, insgesamt gehen die weltweiten Rüstungsgeschäfte sogar zurück. Kann uns das positiv stimmen?
    Nouripour: Das ist immer gut. Jede einzelne Waffe, die nicht gebaut wird oder nicht verkauft wird, wird am Ende nicht in die falschen Hände geraten können. Das heißt, das ist alles andere als besorgniserregend. Aber man muss auch wissen, dass es tatsächlich Faktoren gibt, die dazu geführt haben, die nun nicht schön sind. Wir haben den Krieg in Libyen gehabt. Nach dem Krieg in Libyen sind die Waffenarsenale von Gaddafi quasi frei auf dem Markt gewesen, für alle verfügbar, und zwar unglaublich billig. Eine Kalaschnikow kostet in Ägypten heute so viel wie in den 60er Jahren, und das ist natürlich beängstigend, hat natürlich aber auch die Preise „kaputt" gemacht und auch dazu geführt, dass weniger verkauft wurde, weil einfach Libyen als Arsenal gerade der gesamten arabischen Welt sehr viel auf den Markt gebracht hat und den Markt überschwemmt hat. Es sind nicht nur positive Faktoren, die dazu führen, dass jetzt insgesamt weltweit weniger verkauft worden ist.
    "Sehe bisher nur große Reden des Vizekanzlers"
    Armbrüster: In der Liste der Top-Rüstungsunternehmen weltweit sind nach wie vor auch mehrere deutsche Waffenexporteure, mehrere deutsche Unternehmen vertreten. Sehen Sie Anzeichen dafür, dass sich irgendetwas daran ändert, dass Deutschland hier in dieser Liga der Rüstungsexporte ganz, ganz oben mitspielt?
    Nouripour: Ich sehe große Reden, die geschwungen worden sind vom Vizekanzler Gabriel und vom Wirtschaftsminister Gabriel, aber ich sehe bisher nicht wirklich wesentliche Taten. Was mich ungemein freut, ist, dass seit ein paar Jahren, gerade auch nach der großen Debatte, die es gegeben hat um die Panzer nach Saudi-Arabien, es ein größeres Umdenken und Umschwenken gegeben hat innerhalb der Gewerkschaft. Gerade bei IG Metall gibt es jetzt eine sehr gute kritische Masse, die tatsächlich das Thema Konversion nach vorne stellen will und nicht ausschließlich das Arbeitsplatzargument fährt. Das ist eine gute Entwicklung. Das sind die besten Partner, die Abrüstung haben kann.
    Armbrüster: Und Sigmar Gabriel hat ja gesagt, dass er gerade solche Geschäfte mit Nicht-NATO-Mitgliedern stärker unter die Lupe nehmen will.
    Nouripour: Das ist richtig. Aber gleichzeitig wird aus dem Wirtschaftsministerium immer wieder ja auch betont, dass man keinerlei Genehmigungen jetzt verschleppen würde. Es wäre ja nicht so, dass man jetzt irgendwas stoppen möchte. Man würde einfach nur erst mal abwarten, bis die Genehmigungen da sind. Das heißt, es ist nicht so, dass glasklar gesagt wird, man wird Anträge auf Genehmigung anders handhaben, sondern man sitzt da und wartet und hofft wahrscheinlich, dass weniger kommt. Aber die Wahrheit wird am Ende konkret sein und die Frage wird sein, wie werden bestimmte Anträge denn genehmigt oder auch nicht.
    Armbrüster: Das werden wir sehen. - Hier bei uns live in den „Informationen am Mittag" war das Omid Nouripour, der außenpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Vielen Dank für das Gespräch.
    Nouripour: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.