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Slowakei
Erinnerung an die Opfer des Kommunismus

25 Jahre nach der friedlichen Revolution steckt auch in der Slowakei die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit noch in den Kinderschuhen. Viele junge Slowaken wissen deshalb kaum etwas über die Jahrzehnte vor 1989. Das preisgekrönte Projekt "Unauffällige Helden" soll dies ändern.

Von Stefan Heinlein | 09.12.2014
    Veronika ist 17 und geht in die 12. Klasse des Gymnasiums im westslowakischen Prievidza. Im Unterricht hat sie bisher nur wenig erfahren über die Geschichte ihres Landes nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch ihre Eltern schweigen zumeist über die Zeit vor der demokratischen Revolution 89:
    "Das, was hier in der Slowakei vor sich ging - all die schlimmen Dinge - das haben wir als junge Menschen ja nicht selber erlebt. Wenn die alte Generation aber stirbt, werden wir es nie aus erster Hand erfahren. Wir müssen aber wissen was damals war - damit sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen."
    Veronika und ihre Mitschüler haben deshalb mitgemacht beim Projekt "Unauffällige Helden" von Frantisek Neupauer. Der junge Historiker will die Erinnerung wach halten an die Opfer des kommunistischen Regimes. Mehr als 70.000 politische Häftlinge gab es in der Slowakei.
    "Wir vermitteln den persönlichen Kontakt mit den ehemaligen politischen Häftlingen. Sie erzählen dann über ihr Schicksal und die Schüler schreiben diese Geschichten auf und drehen ein Video mit den Zeitzeugen. Dadurch entstehen wirklich beeindruckende Arbeiten."
    Nur stockend berichtet der heute 83-jährige Alfred Kardos über seine Haft in den kommunistischen Gefängnissen. Als junger Theologiestudent wurde er in den 50er-Jahren festgenommen, gefoltert und zu jahrelanger Zwangsarbeit verurteilt. Erst 1960 kam er nach einer Amnestie wieder frei. Denisa ist noch immer tief beeindruckt von seinen Erzählungen:
    "Das war schon sehr intensiv. Herr Kardos hat sehr viel durchgemacht. Er ist für seinen Glauben ins Gefängnis gegangen und nicht zerbrochen. Ich weiß nicht ob ich damals dazu die Kraft gehabt hätte."
    Im Rathaus von Bratislava wurden Denisa und ihre beiden Mitschülerinnen jetzt in einer Feierstunde für ihre Arbeit ausgezeichnet. In den vergangenen sechs Jahren wurden landesweit über 100 Einzelschicksale politscher Häftlinge von den Schülern dokumentiert. Eine längst überfällige Aufarbeitung der Geschichte, so Frantisek Neupauer:
    "In der Slowakei wird gerne argumentiert, man soll über die Zukunft nachdenken und die Vergangenheit ruhen lassen. Einfach vergessen und vergeben und nicht mehr zurückblicken. Das sind aber Stasi-Argumente. Jeder muss sich vor den Spiegel stellen und fragen, welche Verantwortung er trägt."
    Das preisgekrönte Projekt "Unauffällige Helden" sei deshalb nicht genug. Mit Vorträgen und mehreren Ausstellungen versucht der Historiker gemeinsam mit einer Bürgerinitiative das Thema wach zu halten. Der weitere Ausbau eines kleinen Museums des Kommunismus in Bratislava ist geplant. Stück für Stück werde so das Mosaik der Vergangenheit zum Baustein für eine sichere demokratische Zukunft in der Slowakei.