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Slowakei
Gegen eine EU der zwei Geschwindigkeiten

Wenige Tage vor dem EU-Jubiläumsgipfel wächst in Ost- und Mitteleuropa die Sorge, von der künftigen Entwicklung abgekoppelt zu werden. Die Mitte-Links-Regierung in der Slowakei will die europäische Zusammenarbeit weiter vertiefen, trotz ihrer Kritik an der EU-Flüchtlingspolitik.

Von Stefan Heinlein | 21.03.2017
    Blick über die slowakische Hauptstadt Bratislava.
    "Die Slowakei wünscht sich von Herzen einen Erfolg des europäischen Projektes." Ministerpräsident Robert Fico will die Erfolgsgeschichte der Slowakei mit der EU fortschreiben. (dpa / picture alliance / CTK)
    Keine europäischen Flüchtlingsquoten. Der Islam ist eine Gefahr. Nur ein besserer Schutz der Grenzen verhindert islamistische Terroranschläge. Der slowakische Regierungschef Robert Fico gehört zu den schärfsten Kritikern der Brüsseler Flüchtlingspolitik. Sein Land hat die Grenzen dicht gemacht. Im vergangenen Jahr erhielten nur 167 Menschen Asyl:
    "Der Islam hat keinen Platz in der Slowakei. Wir sind kein multikulturelles Land und wollen unsere Traditionen nicht verändern. Ich will nicht das in der Slowakei eine muslimische Gemeinschaft entsteht."
    Gemeinsam mit dem Nachbarland Ungarn hat die Slowakei deshalb Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen die Quotenregelung zur Verteilung der Flüchtlinge eingereicht. Doch trotz seiner scharfen Töne gegen Brüssel will Robert Fico keine Außenseiterrolle in Europa. Die Debatte um ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten verfolgt der Sozialdemokrat mit Sorge:
    "Die Slowakei will und muss im Kern der EU-Integration bleiben. Wir wollen überall dabei sein. Die EU ist für uns ein lebenswichtiges Projekt."
    Europafreundliche Bevölkerung
    Eine Mehrheit der Slowaken unterstützt diese Haltung der Mitte-Links-Regierung. Im Sommer 2003 stimmten fast 93 Prozent in einer Volksbefragung für den EU-Beitritt ihres Landes. Zwar ist die Brüssel-Begeisterung in den letzten Jahren deutlich abgeflaut, doch zwei von drei Slowaken sind weiter für den Verbleib ihres Landes in der Europäischen Union, so der Politikwissenschaftler Grigorij Mesežnikov:
    "Die positive Wahrnehmung der EU und ihrer Institutionen ist immer noch vergleichsweise hoch. Fast jeder slowakische Bürger hat in seinem alltäglichen Leben davon profitiert. Die Erwartungen an Europa wurden im Grunde alle erfüllt."
    Der Beitritt zum Schengen-Raum Ende 2007 - die Euro-Einführung 2009 und schließlich die völlige Arbeitnehmerfreizügigkeit seit 2011 sind wichtige Etappen auf dem geraden Weg der Slowakei in die Mitte Europas. Kein Land erhält pro Kopf aktuell mehr EU-Subventionen als die Slowakei. Die Fördergelder aus Brüssel und viele ausländische Investoren haben dem einstigen Agrarland einen steilen wirtschaftlichen Aufschwung ermöglicht. Nur gemeinsam mit den EU-Partnern könne diese Erfolgsgeschichte fortgeschrieben werden, so Ministerpräsident Fico:
    "Die Slowakei wünscht sich von Herzen einen Erfolg des europäischen Projektes. Die EU ist unser sicheres Haus in einer turbulenten Welt. Die Slowakei will Teil der 27 EU-Mitglieder bleiben. Wir glauben wirklich an dieses Projekt."
    Kein stramm nationalstaatlicher Kurs wie in Polen oder Ungarn
    Der raue Ton in der Flüchtlingspolitik ist deshalb in erster Linie innenpolitisch motiviert. Die große Mehrheit der Slowaken ist gegen jede Aufnahme von Flüchtlingen. Doch anders als Polen und Ungarn steuert Ministerpräsident Fico keinen stramm nationalstaatlichen Kurs. Ohne Europa gibt es keine Zukunft für die Slowakei - so die Grundüberzeugung des Sozialdemokraten. Brüssel liegt Bratislava deshalb in den zentralen politischen Fragen näher als Budapest oder Warschau.