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Smog in der Stadt
Madrid hat zu viele Autos und zu viele Staus

Madrid droht im Verkehrssmog zu ersticken. Die Abgase der Autos und die aktuelle Wetterlage haben die Luftverschmutzung bedrohlich ansteigen lassen. Tempolimits auf der Stadtautobahn und zusätzliche Parkverbote im Zentrum reichen nicht mehr aus. Die Stadtverwaltung wirbt für Alternativen zum Auto. Mehr oder weniger erfolgreich.

Von Oliver Neuroth | 03.11.2016
    Verkehrsstau auf einer Autobahn bei Madrid.
    In und um Madrid herrschen täglich Stau und Lärm. (imago stock&people/Javier Barbancho )
    Rund vier Millionen Autos sind in und um Madrid gemeldet. Dazu kommen noch unzählige Motorräder und Roller. Es scheint so, als wollten sie morgens alle gemeinsam in die Innenstadt fahren. Auf den mehrspurigen Einfallstraßen immer das gleiche Bild: Ein Meer aus Fahrzeugen, die sich nicht vom Fleck bewegen.
    Die Staumeldungen im Radio sind lang. Angela hört sie jeden Morgen. Sie studiert in Madrid:
    "Ich muss morgens um halb neun hier sein. Eigentlich ist das nur eine Viertelstunde Fahrt. Aber weil die Autobahn immer verstopft ist, fahre ich anderthalb Stunden früher los. Wenn ich ankomme, ist die Uni noch zu. Aber wenn ich später losfahre, bleibe ich garantiert im Stau stecken."
    Madrid - eine Hauptstadt des Staus und des Lärms. Das Verkehrsproblem besteht seit Jahrzehnten. Und genauso lange machen sich Politiker Gedanken darüber, wie man es lösen könnte. Eine Idee wurde 2014 umgesetzt: In den Innenstadtbereich dürfen nur noch Anwohner mit ihren Autos fahren. Kameras registrieren die Kennzeichen; ist das Auto nicht in einer der Innenstadt-Straßen zugelassen, bekommt der Besitzer einen Strafzettel. Dieser wird annulliert, sobald das Auto in eines der Innenstadt-Parkhäuser fährt. Ein kluges System, findet Vicente. Doch er beobachtet, dass nur wenige Autofahrer sich daran halten:
    "Ich erlebe es immer wieder, dass Autos in zweiter Reihe parken, während die Parkhäuser halb leer sind. Und warum? Viele denken sich immer noch: 'Fürs Parken gebe ich doch kein Geld aus!' Schließlich haben wir früher fürs Parken auch nichts bezahlt. Warum sollten wir es dann heute tun?!"
    Autos sollen aus dem Zentrum Madrids verschwinden
    Dabei drohen auch Falschparkern saftige Geldstrafen, bis zu 90 Euro. Für die linke Stadtregierung von Madrid ist klar: So viele Autos wie möglich sollen aus dem Zentrum verschwinden. Um das zu verdeutlichen, hat Madrid im September an der Europäischen Woche der Mobilität teilgenommen und veranstaltete einen "dia sin coches", einen "Tag ohne Autos". Die Menschen sollten ihr Auto stehen lassen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln, noch besser aber mit Fahrrädern, in die Stadt kommen. Einige Straßen wurden für Autos gesperrt.
    Das Ergebnis: Es gab noch mehr Staus als sonst. Weil weniger Fahrspuren zur Verfügung standen als üblich, kam es zum "Kollaps", wie die Zeitung "La Vanguardia" titelte. Madrids Bürgermeisterin Manuela Carmena wählt ebenso deutliche Worte:
    "Der 'Tag ohne Autos' war ein Reinfall. Das lag vor allem an einer Sache, die uns große Sorgen bereitet - und zwar an den Bauarbeiten an der Metro-Linie 1. Sie ist unterbrochen. Diese Linie ist eine der wichtigsten Verkehrsadern, die den Norden mit dem Süden der Stadt verbindet."
    Und weil die Bahn nicht fährt, steigen viele Pendler zusätzlich aufs Auto um. Ein weiterer Versuch, das Fahrrad in Madrid attraktiver zu machen, heißt BiciMAD. An inzwischen 165 Ecken in Madrid stehen vollautomatische Verleihstationen für E-Bikes. Sie könnten, so die Idee, beliebter sein als normale Fahrräder - weil Madrid an vielen Stellen hügelig ist. Wer sich ein BiciMAD-Rad leihen will, muss sich vorher registrieren. Man bekommt eine Chipkarte, lädt sie mit Geld auf und hält sie an das Lesegerät der Verleihstation. Wenn es denn funktioniert.
    Im vergangenen Jahr war fast die Hälfte der rund 2.000 BiciMAD-E-Bikes kaputt. Das größte Problem ist Vandalismus: Nachts werden abgestellte Räder oft beschädigt, außerdem die Technik der Verleihstationen - wenn die nicht von sich aus schon eine Störung hat. Das führt dazu, dass man selbst funktionstüchtige E-Bikes nicht aus den Stationen nehmen kann. Wer es versucht, hört ein Piepsen - immer wieder, bei allen Rädern in der Station. Der spanische Comedian David Broncano kann das Piepsen schon nicht mehr hören:
    "Immer wenn ich mir ein BiciMAD-Rad leihen will, komme ich mir vor wie im Computerspiel 'Super Mario' beim Sammeln der Sterne. Das Geräusch ist fast das gleiche."
    Der Umstieg aufs Rad: schwierig
    Das Unternehmen hinter BiciMAD macht wegen der ganzen Schwierigkeiten pro Monat einen Verlust von etwa 300.000 Euro. Darum sorgt sich auch die Stadtregierung, denn sie hatte die Kampagne vor gut zwei Jahren mit angestoßen. Inzwischen steht fest: Die städtischen Verkehrsbetriebe kaufen BiciMAD komplett auf - für gut zehn Millionen Euro, sagt Bürgermeisterin Carmena.
    Geparktes E-Bike von Bici-Mad in Madrid.
    Madrid baut das BiciMAD-System weiter aus. (Oliver Neuroth)
    "Ich glaube, das ist eine sehr interessante Firma und bietet ein gutes Produkt. Offenbar gab es Probleme im Management von BiciMAD. Denn das Unternehmen hatte vorher nur Fahrräder hergestellt. Madrid muss das BiciMAD-System weiter ausbauen. Wir brauchen Stationen in allen Vororten, auch jenseits der Ringautobahn um die Stadt."
    Madrid versucht, das Image der lauten und stinkenden Stadt loszuwerden - aber nur in kleinen Schritten. Die Mentalität der meisten Spanier kann die Stadt wohl kaum ändern, sie lieben einfach ihr Auto und steigen nicht freiwillig in einen Bus oder in die Bahn. Deshalb wird man in Madrid wohl noch längere Zeit morgens Autoschlangen sehen - und die Konsequenzen daraus im Radio hören.