Sonntag, 12. Mai 2024

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"So viel Onshore-Ausbau wie möglich und so viel Offshore-Ausbau wie nötig"

Greenpeace verteidigt den Bau küstenferner Windparks: Eine Kombination von On- und Offshore-Seewindanlagen bleibe sinnvoll, sagt Marcel Keiffenheim, bei der Umweltschutzorganisation zuständig für Energiepolitik. Verbraucherschützer hatten zuletzt einen Offshore-Ausstieg gefordert.

Marcel Keiffenheim im Gespräch mit Britta Fecke | 02.04.2013
    Britta Fecke: Mit Blick auf die Strompreise warnt der Bundesverband der Verbraucherzentralen vor dem Bau neuer Offshore-Anlagen, also neuer Windkraftparks weit vor den Küsten tief im Meer. In einer Analyse heißt es wörtlich: "Der Bau von Seewindanlagen stellt sich immer mehr als ein ökonomischer und technologischer Irrläufer heraus." Noch plant die Bundesregierung, in der Nord- und Ostsee Anlagen mit einer Leistung von 10.000 Megawatt zu installieren bis 2020. Bisher sind es nur zum Vergleich 200 Megawatt. Wenn alles nach den aktuellen Plänen liefe, dann müssten, um die geplanten Windparks anzuschließen, rund 3880 Kilometer Seekabel verlegt werden. Auch deshalb wird die Einspeisevergütung für den Strom von hoher See ebenfalls hoch sein. - Ich bin jetzt verbunden mit Marcel Keiffenheim, er ist Leiter Energiepolitik bei Greenpeace Energy. Herr Keiffenheim, tritt der Bundesverband der Verbraucherzentralen mit dieser Analyse auf die Bremse beim Ausbau der Erneuerbaren mit Blick auf die Strompreise, oder gibt es tatsächlich auch technologische Einwände?

    Marcel Keiffenheim: Im Moment ist es so, dass wir bei Offshore-Windkraftanlagen am Beginn der Lernkurve sind. Das heißt, die Windkraftanlagen müssen für den Einsatz auf hoher See optimiert werden, und auch wir halten es für klug, jetzt nicht den gesamten geplanten Ausbau zu Beginn der Lernkurve zu machen, wo die Kosten hoch und auch die teueren Lektionen, die zu lernen sind, entsprechend ins Geld gehen. Es wäre sinnvoller, den auch aus unserer Sicht weiterhin notwendigen Ausbau von Offshore zeitlich etwas nach hinten zu verlagern, um insgesamt ein günstigeres Ergebnis zu haben.

    Fecke: Wem sollte man denn bis dahin den Vorzug geben?

    Keiffenheim: Ja, wir haben an Land schon jetzt sehr günstige Stromerzeugung mit Windkraft. Die liegt im Vergleich bestimmt zehn Cent die Kilowattstunde unter den Stromkosten, die wir Offshore haben. Und der augenblickliche Kurs der Bundesregierung, die Stromerzeugung Onshore, Wind Onshore zu bremsen, fast abzubremsen jedenfalls, wenn man darauf schaut, was Altmaier mit seiner Strompreisbremse, der sogenannten Strompreisbremse vorgeschlagen hat, und hingegen Offshore ungebremst weiterzumachen, das hätte den gegenteiligen Effekt. Insofern stimmen wir dem Verbraucherzentrale Bundesverband zu, allerdings nur insofern, was Sie sagen: Es sei ein Irrläufer und es müsste ganz gestoppt werden, das geht natürlich viel zu weit. Es geht darum, so viel Onshore-Ausbau wie möglich und so viel Offshore-Ausbau wie nötig. Das wäre eine kluge Variante.

    Fecke: Aber Onshore, also auf dem Land, wird auch kritisiert, denn dort stehen die Anlagen oft relativ verstreut in der Landschaft. Wenn man die alle anschließen wollen würde, diese ganzen dezentralen Anlagen, dann wäre auch sehr viel Kabel notwendig und auch das wäre sehr teuer und umständlich.

    Keiffenheim: Ja, das ist richtig. Deswegen sind wir auch dagegen, jetzt so rigoros zu argumentieren, wie das der Verbraucherzentrale Bundesverband macht, der sagt, Offshore ist ein Irrläufer und man soll das Onshore machen, sondern Offshore bietet Vorteile, das sind im wesentlichen die hohen Volllast-Stunden von mehr als 4000 Volllast-Stunden. Das hat man an Land in dieser Form nicht, sondern da ist es etwas mehr als die Hälfte. Das ist der große Vorteil Offshore. Onshore hat man den großen Vorteil, dass die Stromerzeugung jetzt schon sehr, sehr günstig ist, viel günstiger auch als konventionelle Stromerzeugung. Also es hat aber natürlich auch seine Nachteile, Onshore: es ist kleinteiliger, man hat einen größeren Aufwand, ordentliche Strommengen praktisch aus vielen kleinen Anlagen zu generieren. Klug ist es, beides zu kombinieren und jetzt erst mal den Kostenvorteil Onshore zu nutzen und dort nicht zu bremsen.

    Fecke: Es wurde ja gesprochen von einem ökonomischen Irrläufer. Gibt es denn auch nach wie vor ökologische Bedenken, denn in dem Wattenmeer stehen die ja nicht, diese Parks?

    Keiffenheim: Das ist richtig. Das ist auch der eigentliche Kostenfaktor, dass wir uns in Deutschland klugerweise aus meiner Sicht aus Naturschutzgründen entschlossen haben, die Offshore-Parks wirklich weit draußen auf See zu bauen. Wenn Sie beispielsweise nach Dänemark fahren, oder in die Niederlande, dann finden Sie die Anlagen, die Offshore-Anlagen alle wenige Kilometer vor der Küste. Allerdings der Nachteil des weiten Baus sind die hohen Kosten. Im Wattenmeer, aber auch auf hoher See müssen wir allerdings auch die Auswirkungen auf die Meeresfauna beachten, und dort gilt es, zum Beispiel beim Thema Lärmschutz beim Bau Verbesserungen zu erwirken, denn wir dürfen jetzt nicht, nur weil es Erneuerbare-Energien-Anlagen sind, die möglichen Umweltnachteile praktisch damit vom Tisch wischen, sondern wir müssen die ordentlich angehen und eine möglichst naturschutzfreundliche Lösung finden. Da hat Offshore auch noch Nachholbedarf.

    Fecke: Vielen Dank für diese Einschätzungen - Marcel Keiffenheim war das, Leiter Energiepolitik bei Greenpeace Energy.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.