Freitag, 26. April 2024

Kommentar
Die deutsche Solarindustrie ist nicht mehr zu retten

Die Bundesregierung hat entschieden: Es gibt doch keine Subventionen für die heimische Solarindustrie. Steffen Wurzel findet das richtig. Der Kampf mit China um die Solarindustrie sei verloren. Gegen China müsse man sich aber weiter wehren.

Ein Kommentar von Steffen Wurzel | 28.03.2024
Eine Hand mit einem weißen Stoffhandschuh hebt ein Solarpanel in einer Fabrik an.
Der beispiellosen Sonnenenergie-Boom in Deutschland war erst durch die günstige Ware aus China möglich. (IMAGO / Wolfgang Schmidt)
Deutschlands Energiewende hat in den vergangenen Jahren einen beispiellosen Sonnenenergie-Boom erlebt. Auf so gut wie jedes Neubau-Dach werden inzwischen Solarmodule geschraubt; Photovoltaik-Balkonkraftwerke gibt es für kleines Geld im Baumarkt.
Das ist nicht nur gut fürs eigene Portemonnaie, sondern auch gut für Deutschlands CO2-Bilanz und wichtig für die dringend notwendige Dezentralisierung der Stromerzeugung. All das wird möglich gemacht nicht etwa durch Solarmodule „Made in Germany“, sondern durch günstige Photovoltaik-Anlagen aus China. Sie sind der Treiber des bundesweiten Solar-Booms und das offenbart ein Dilemma. Denn einerseits schützt uns der Ausbau der Sonnenenergie vor zu viel Energie-Abhängigkeit vom Ausland – andererseits beschert er uns eine neue Abhängigkeit: Denn an China kommen wir, wenn es um Solarenergie geht, quasi nicht mehr vorbei.
Die chinesische Staats- und Parteiführung betreibt seit vielen Jahren eine Industriepolitik, die massive Überkapazitäten in Kauf nimmt. Mit dieser Politik treibt sie das Wirtschaftswachstum nach oben, und zwar dadurch, dass sie die Industrie-Produktion heimischer Unternehmen subventioniert.
Diese stellen in der Folge so viele Produkte her, dass die Waren innerhalb des Landes längst nicht alle verkauft werden können, weil es selbst für den riesigen Absatzmarkt China viel zu viel ist. Stattdessen werden die Produkte weltweit zu Dumpingpreisen verkauft. So passiert das zum Beispiel mit Solarmodulen.
Wer ernsthaft glaubt, man könne dieser unfairen Industriepolitik Chinas beikommen, in dem man Solar-Hersteller in Deutschland mit Steuergeld subventioniert, der irrt. So bitter es auch ist: Die deutsche Solarindustrie ist qualitätsmäßig kaum besser als die chinesische Konkurrenz und teurer sind ihre Produkte obendrein - deswegen würden Subventionen nichts nützen, die deutsche Solarindustrie ist wohl nicht mehr zu retten – auch nicht durch Geld vom Staat.

Kanzler Scholz sollte unfaire Handelspraktiken Chinas ansprechen

Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis muss sein, darauf zu achten, dass in anderen für Deutschland wichtigen Branchen nicht das Gleiche passiert. Im Bereich der E-Autos zum Beispiel. Chinesische Elektroautos sind konkurrenzfähig. Sie sind attraktiv, weil sie technisch mindestens so gut sind wie die der europäischen Auto-Hersteller.
Dennoch muss die deutsche Politik darauf achten, dass die chinesischen E-Autokonzerne ihre Pkw nicht zu Preisen unter Marktwert bei uns auf den Markt bringen, und so die heimische Auto-Industrie kaputt machen.
Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz Mitte April in die Volksrepublik reist, muss er die Staatsführung noch deutlicher als bisher auf die oft unfairen Handelspraktiken ansprechen und darauf hinweisen, dass sich die Europäische Union durchaus wehren kann: Die laufende Untersuchung der EU-Kommission gegen chinesische Hersteller ist ein gutes Beispiel. Mit ihr will die Europäische Kommission herausfinden, inwiefern Chinas Führung wettbewerbswidrig eigene Autofirmen subventioniert.
Gegen Chinas oft unfaire Wirtschaftspolitik muss sich Europa wehren – eine schärfere Durchsetzung bestehender Handelsregeln ist dringend nötig.
Steffen Wurzel in Jacket und Hemd
Steffen Wurzel wurde 1979 in Rastatt geboren. Studium der Geschichte in Karlsruhe. Trimediales Volontariat beim Südwestrundfunk (SWR) in Mainz, Baden-Baden, Stuttgart, Berlin und Washington, danach Redakteur im Newsroom des SWR. 2010 bis 2011 Juniorkorrespondent im ARD-Hörfunkstudio Istanbul und Athen. Von 2016 bis 2021 leitete er das ARD-Hörfunkstudio Shanghai. 2011 wurde Steffen Wurzel für eine Reportage von der türkisch-griechischen Grenze mit dem Journalistenpreis des Europäischen Parlaments ausgezeichnet. Für eine Recherche über deutsche Firmen in Xinjiang erhielt er 2022 den Friedrich-und-Isabel-Vogel-Preis. Seit 2024 arbeitet Steffen Wurzel im Berliner Hauptstadtstudio des Deutschlandradios.