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Sondierungsgespräche
Brüssel will einen stabilen Partner

Mehr als dreieinhalb Monate liegen seit der Bundestagswahl in Deutschland nun zurück - eine Regierung lässt weiter auf sich warten. In Brüssel wünscht man sich ein schnelles Ende der Hängepartie und hofft auf schnelle Erfolge bei den Sondierungen zwischen Union und SPD.

Von Karin Bensch-Nadebusch | 08.01.2018
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    Dauerhafter Rettungsfonds, einen EU-Finanzminister - ohne eine stabile Regierung in Deutschland sind diese EU-Projekte schwierig (Uli Deck dpa/lsw)
    Brüssel blickt staunend nach Berlin. Gut dreieinhalb Monate ist es her, dass Menschen in Deutschland gewählt haben. Eine neue Regierung gibt es aber immer noch nicht. In Europa finden das viele ungewöhnlich, denn für sie hat Deutschland eher das Image – zügig, pünktlich, organisiert.
    Und: Bundeskanzlerin Merkel wirkt durch die Hängepartie in Berlin auch auf europäischer Ebene geschwächt. Bereits beim Weihnachtsgipfel Mitte Dezember wurde sie von anderen Staats- und Regierungschefs gefragt, was denn in Deutschland los sei. Merkel versuchte zu beschwichtigen: "Ich konnte ihnen sagen, dass wir als geschäftsführende Bundesregierung natürlich unseren europäischen Verpflichtungen voll nachkommen. Und, dass wir auch mit unserem Parlament natürlich eine Konsultation pflegen, sodass wir hier für die notwendigen Entscheidungen auch handlungsfähig sind."
    Angst vor weiterer Durststrecke
    Eine handlungsfähige Bundesregierung – und das so schnell wie möglich - das wünschen sich viele Politiker in Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten. Eine noch längere Durststrecke bei den Sondierungsgesprächen in Deutschland, einem der größten und wichtigsten Mitgliedsländer, könne sich die EU nicht leisten. Wir brauchen einen deutschen Partner, der eine stabile Regierung hat, sagte der luxemburgische Regierungschef Xavier Bettel:
    "Ich wünsche wirklich, dass in kurzer Zeit wir einen Partner hier in Brüssel wieder finden, der auch eine Mehrheit im Parlament findet. Für Deutschland, aber für uns auch."
    Große Projekte warten auf Europa
    Das gilt auch für Frankreich. Präsident Emmanuel Macron weiß, dass er neue Projekte in Europa nicht allein durchsetzen kann - er braucht Deutschland als politisches und wirtschaftliches Schwergewicht an seiner Seite. Und neue Projekte stehen in diesem Jahr einige an: zum Beispiel der Umbau der Eurozone. Geplant ist, dass es statt vieler einzelner Rettungspakete wie zum Beispiel für Griechenland, in Zukunft nur noch einen dauerhaften Rettungsfonds geben wird, der schwächelnden EU-Länder und europäischen Banken in Krisenzeiten hilft.
    Darüber hinaus soll es von 2019 an einen EU-Finanzminister geben, der europäische Geldprojekte koordiniert. Bis Ende Juni soll die große Reform des europäischen Asylsystems stehen. Auch Deutschland muss bei diesen neuen Projekten mitentscheiden, doch das geht nicht, solange es keine handlungsfähige Regierung gibt.
    "Wenn jetzt Deutschland ein halbes Jahr lang nichts hinkriegt und den Eindruck von einem gelähmten Partner macht, dann würde ich anfangen mir ernsthaft Gedanken zu machen", sagte der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer. Er wünscht sich keine Neuwahlen – auch aus zeitlichen Gründen.
    GroKo-Neuauflage oder Minderheitsregierung
    Eine deutsche Minderheitsregierung wäre für Europa auch schwierig. Denn Bundeskanzlerin Merkel müsste für jede Entscheidung, die in Brüssel getroffen wird, in Berlin um Mehrheiten kämpfen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, ein Parteikollege von Bundeskanzlerin Merkel, hofft auf eine Neuauflage der Großen Koalition. Juncker sagte dem ARD-Europamagazin:
    "Ich bin fest davon überzeugt, dass die beiden, die jetzt versuchen, sich aufeinander zuzubewegen, dies im europäischen Sinn und im europäischen Geist machen. Mir ist es, um die Position Deutschlands in der EU und um die deutsche Europapolitik nicht bange."
    In ihrer Neujahransprache forderte Bundeskanzlerin Merkel eine rasche Regierungsbildung. Das sei der Auftrag der deutschen Wähler und wichtig im Hinblick auf die globale Entwicklung. "Die Welt wartet nicht auf Deutschland."
    Aber Europa wartet auf Deutschland. Genauer gesagt auf eine handlungs- und entscheidungsfähige deutsche Regierung, für die die Wähler bereits vor gut dreieinhalb Monaten ihre Stimmen abgegeben hatten.