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Sozialdemokraten
"Die nächste Regierung wieder selbst führen"

Es sei wichtig, schon jetzt an die Wahl 2017 zu denken, sagte der SPD-Linke und Parteivize Ralf Stegner im Deutschlandfunk. Dafür sei es notwendig, am Profil der Gerechtigkeitspartei zu arbeiten - und sich für Bündnisse mit anderen Parteien offen zu zeigen. Die SPD-Führung berät derzeit auf einer Klausurtagung in Potsdam über die zukünftige Ausrichtung der Partei.

Ralf Stegner im Gespräch mit Dirk Müller | 03.02.2014
    Ralf Stegner (SPD) sitzt bei einer Pressekonferenz vor vielen Mikrofonen und schaut in die Kamera.
    Der SPD-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein und Vizechef der Bundespartei, Ralf Stegner. (picture alliance / dpa/ Maja Hitij)
    Dirk Müller: SPD-Klausur – schön und gut. Offizielle Tagesordnung – na ja. Ums Internet soll es gehen, um den Netzausbau, um die Rente, um die Energie, um die künftige Strategie. Wer wird etwas dagegen haben? Doch nun kommt das, was auf den Fluren diskutiert wird, was nicht offiziell auf der Tagesordnung steht: ein Bündnis, eine Koalition mit den Grünen und mit den Linken, sprich ein neues Linksbündnis. Dabei ist die ungeliebte Große Koalition gerade erst ein paar Wochen alt. Die Linken in der Partei wollen Rot-Rot-Grün forcieren, wollen das vorbereiten und könnten damit den Burgfrieden gefährden. Zur SPD-Linken gehört auch Parteivize Ralf Stegner. Guten Morgen!
    Ralf Stegner: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Herr Stegner, müssen Sie uns das antun?
    Stegner: Na ja, es ist doch so: Wir haben ja zwei Sachen zu tun. Auf der einen Seite müssen wir unsere Regierungsarbeit so gut wie möglich machen und den Menschen das auch liefern, was wir versprochen haben, bei Arbeit, bei Rente, bei Energie, bei anderen Themen.
    Müller: Rot-Rot-Grün – Die Linken in der Partei wollen ein solches Bündnis offenbar vorbereiten, den Weg dafür bereiten, und zu dieser SPD-Linken gehört auch Parteivize Ralf Stegner, der uns jetzt hoffentlich viel besser hören kann. Guten Morgen.
    Stegner: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Herr Stegner, eben habe ich Sie gefragt, müssen Sie uns das antun. Dann haben Sie schon eine Antwort gebracht, deswegen will ich das nicht noch mal fragen. Deswegen die andere Frage: Warum müssen Sie Sigmar Gabriel jetzt zu diesem frühen Zeitpunkt schon wieder ärgern?
    Stegner: Ach ich glaube, dass ich ihn gar nicht ärgere, sondern der Punkt ist: Wir haben zwei Aufgaben. Auf der einen Seite müssen wir innerhalb der Regierung jetzt das umsetzen, was wir den Menschen versprochen haben, wo unsere Mitglieder ja mit überwältigender Zustimmung gesagt haben, dass das gut so ist. Für gute Arbeit sorgen, dafür sorgen, dass die Energiewende klappt, dass eine gerechte Rente entwickelt wird und all diese Dinge.
    Gleichzeitig ist natürlich diese Große Koalition für uns ein Zweckbündnis auf Zeit, eine Lebensabschnittspartnerschaft. Die soll 2017 enden, und das kann sie nur aus unserer Sicht, indem wir danach die Regierung wieder führen, und dafür muss man am Profil arbeiten. Deswegen passt das, glaube ich, gut zusammen. Wenn Sie so wollen: Wir sind weder Opposition in der Regierung, noch braver Juniorpartner, sondern wir sind Gegengewicht mit der Perspektive, die nächste Regierung wieder selbst zu stellen.
    Müller: Ist das so wie damals bei Jupp Heynckes, der während seiner aktiven erfolgreichen Zeit gehört hat, dass Pep Guardiola ihm folgen wird?
    Stegner: Er war ja ausgesprochen erfolgreich und hat Bayern München zur Meisterschaft geführt. Wenn uns das mit der SPD auch gelingt, dann ist mir nicht Bange um die Wahl 2017. Aber im Ernst: Es ist ja so, dass wir natürlich zwei verschiedene Parteien sind und wir uns um unser Profil kümmern. Wir sind Gerechtigkeitspartei, das ist der Kern, und es schadet nicht, über den Tag hinauszudenken, wenn man will, dass das anders endet als 2009, und das wollen wir natürlich, dass wir Erfolg haben, nicht nur in den Ländern, sondern auch im Bund und die nächste Regierung wieder selbst stellen.
    "Man tut immer so, als seien das Wahlgeschenke"
    Müller: Das heißt, Ralf Stegner, es wäre eine Koalition denkbar, die noch mehr Geld ausgibt als die Große Koalition?
    Stegner: Ach ich glaube, dass das wirklich eine falsche Betrachtung ist. Man tut immer so, als seien das Wahlgeschenke. Wir reden darüber zum Beispiel, dass Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, am Ende auch den Ertrag für Lebensleistung kriegen, den sie verdienen, und man tut so, als sei das eine Sozialleistung nach Kassenlage. Das ist nicht mein Verständnis von Rente und auch nicht das insgesamt der SPD.
    Gute Arbeit, ordentliche Rente und Investitionen nebenbei bemerkt in Bildung, das sind schon richtige Ausgaben für vernünftige Dinge. Dann sinken übrigens die Sozialtransfer-Kosten. Das sind Ausgaben, die wir auch haben, die die Steuerzahler auch haben. Oder wenn Sie Dumpinglöhne subventionieren mit den Aufstocker-Milliarden, die wir bezahlen, das wollen wir alles ändern. Am Ende ist das für die Volkswirtschaft besser und gerechter ist es auch.
    "Generationenvertrag muss funktionieren"
    Müller: Sie tun aber offenbar vor allem so, dass diese Rentenpläne, 160 Milliarden Euro bis 2030, vor allem der jungen Generation gar nicht schaden würden.
    Stegner: Nein, das tut es auch nicht. Wenn man jung ist und Glück hat, wird man älter, und wenn man dann noch mal Glück hat, dann ist die jüngere Generation genauso solidarisch mit einem wie umgekehrt. Ich finde, die Generationen gegeneinanderzuschieben ist ganz falsch, und nebenbei bemerkt wollen wir natürlich auch nicht nur was für die Älteren tun, sondern wenn wir in gute Arbeit investieren, wenn wir dafür sorgen, dass Frauen und Männer den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit bekommen, dann hilft das gerade auch Jüngeren und sorgt dafür, dass später dann auch die Rente ordentlich ist. Dieses Menschen gegeneinanderspielen, das halte ich für falsch. Wir haben einen Generationenvertrag, der muss funktionieren, und dazu gehört gute Arbeit und gute Rente.
    Müller: Funktioniert der auch, wenn der Rentenbeitrag dann in Zukunft immer höher wird und die Rente immer niedriger ausfällt?
    Stegner: Ich glaube nicht, dass das zutrifft, weil wenn Sie zum Beispiel flächendeckende gesetzliche Mindestlöhne haben, dann stabilisiert allein das das Rentenniveau schon um etwa zwei Prozent. Wenn sie gleiche Verhältnisse im Osten wie im Westen haben, wenn Männer und Frauen das gleiche bekommen, das ist das alles etwas, was nicht nur die Löhne steigert, sondern auch die Renten. Aber insgesamt geht es doch nicht darum, möglichst viel Geld auszugeben, sondern es geht darum, dass die, die unseren Wohlstand erarbeiten, am Ende auch was davon haben, und wir haben ein krasses Auseinanderklaffen von Arm und Reich in unserer Gesellschaft. Daran muss man was ändern. Die SPD ist die Partei der Arbeitnehmer und der guten Arbeit. Das ist sie in dieser Koalition, und mit dem Ziel profilieren wir uns auch als eine Partei der Gerechtigkeit, die sagt, dass wir die nächste Regierung dann wieder selbst führen.
    Müller: Ralf Stegner, wenn die SPD nicht mehr gut genug ist, selbst vernünftige Wahlergebnisse zu holen, dann wechseln die Sozialdemokraten ganz einfach die Partner, so wie es passt.
    Stegner: Also hören Sie, ich habe wirklich nur Leidenschaft für meine eigene Partei. Alle anderen Parteien betrachte ich nüchtern. Jetzt haben wir eine Lebensabschnittspartnerschaft mit der Union, die endet 2017, und ich finde, es ist klug, über den Tag hinauszudenken und die anderen Parteien, ob das die Grünen sind, unser bevorzugter Partner, aber auch Linke und FDP zu fordern. Ich möchte in eine Situation kommen 2017, dass wir uns das aussuchen können. In einer Demokratie ist es immer so: Wenn man keine absolute Mehrheit hat – davon sind wir leider noch ein bisschen entfernt -, dann braucht man Koalitionspartner. Und wenn das inhaltlich passt und wenn das stabil ist, dann kann man es machen. Ich halte weder was von dem Spiel "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern", wie das für die Linkspartei gegolten hat, und selbst die FDP, die ja nun wirklich im Augenblick als Egoistenpartei unterwegs ist, könnte ja, wenn sie mal das Wort Gerechtigkeit wieder buchstabieren lernte, auch ein Partner werden. Und mit den Grünen muss es halt auch so sein, dass unser Verhältnis stabil bleibt. Die sind mit der CDU in Hessen im Augenblick in der Regierung, sind im Bund in der Opposition. Aber ich zum Beispiel finde, in Schleswig-Holstein haben wir eine gute Koalition mit den Grünen. Das ist keine Konstellation von gestern. Also man muss mit anderen Parteien auch in einem vernünftigen Gespräch bleiben.
    "SPD will Gerechtigkeitsprofil schärfen"
    Müller: Warum, Herr Stegner, hören wir denn nie, wie die SPD in sich und an sich besser werden kann, wie die SPD wieder 30, 35 Prozent erreicht?
    Stegner: Darüber habe ich die ganze Zeit gesprochen, indem wir unser Gerechtigkeitsprofil schärfen, indem die Menschen merken, Politik taugt nur was, wie Willy Brandt gesagt hat, wenn sie das Leben der Menschen besser macht. Daran arbeiten wir bei Arbeit, bei Rente, bei Energiewende, bei Hilfe für die Kommunen, bei Investitionen in Bildung, bei Investitionen in Pflege. Das sind alles Punkte, die das Leben der Menschen besser machen, und das ist ja das, was Sie teure Wahlgeschenke genannt haben vorhin. Das sehe ich ganz anders. Ich glaube, dass die Menschen, die hart arbeiten, auch den gerechten Ertrag dafür kriegen müssen, wenn die SPD sich darum kümmert, die Partei der kleinen, die Partei der fleißigen Leute zu sein, so wie Sie es vorhin dargestellt haben.
    "Die Veränderungen gehen von uns aus"
    Müller: Aber das hat sie ja vorher auch schon versucht, das hat nicht funktioniert, Herr Stegner. Da gibt es Sigmar Gabriel, der hat eine ganz große Wahlniederlage zu verantworten, Frank-Walter Steinmeier ohnehin die größte historische Wahlniederlage der SPD, die sind beide in Spitzenpositionen. Ist das gut?
    Stegner: Aber was ist denn die Alternative? Aufzugeben? Ich kann nur sagen, die Union ist am Gipfel angekommen. Von dort an geht es nur noch abwärts. Wir haben noch Luft nach oben, keine Frage, daran arbeiten wir aber. Und in dieser SPD, die ist 150 Jahre alt, steckt noch genug Power, sich zu erneuern und dafür zu sorgen, dass wir wieder eine bessere Zukunft haben, und die anderen sollen uns das mal zeigen. Schauen Sie sich mal die Regierung an. Wir haben 25 Prozent gehabt, ganz schlechtes Wahlergebnis; der Koalitionsvertrag sieht ganz anders aus, da ist mehr als 25 Prozent SPD drin. Wir machen im Augenblick die Pays in dieser Regierung, die Veränderungen gehen von uns aus, ob das bei Arbeit, ob das bei Rente, ob das bei Energie der Fall ist. Das heißt, wir lehnen uns nicht zurück, sondern wir arbeiten daran, besser zu werden, und insofern bin ich zuversichtlich, dass das auch gelingt.
    Müller: Das sagen ja jetzt viele, Sie brauchen gar keine andere Koalition, weil Sie haben das wichtigste durchgesetzt und die CDU und vor allen Dingen Angela Merkel ist längst sozialdemokratisch.
    Stegner: Da kann ich nur sagen, Sozialdemokratie kann die SPD am besten. Ich finde das ja schön, wenn die anderen unsere klugen Rezepte übernehmen, aber im Ernst: Wir können das schon am besten. Und natürlich hat mich das geärgert, dass andere so getan haben, als seien sie auch für den Mindestlohn, als seien sie auch für eine moderne Familienpolitik, als seien sie auch für Liberalität. Das sind sie gar nicht.
    Schauen Sie mal, was die CSU für eine Kampagne gemacht hat, was das Thema Freizügigkeit in Europa angeht. Da blinkt man ganz stark rechts wegen des Europawahlkampfs und des bayerischen Kommunalwahlkampfs. Das ist bei der SPD wirklich anders. Noch mal: Das Original ist immer besser als falsche Kopien. Das gilt nicht nur für die Doktorarbeit des CSU-Generalsekretärs, sondern das gilt auch für die Politik.
    Müller: Halten wir das fest, Ralf Stegner, weil Sie gelten ja als besonders kritisch, auch nach innen betrachtet: Die Niederlage der SPD ist aufgearbeitet?
    Stegner: Nein, das ist sie natürlich nicht und wir müssen in der Tat auch an unseren eigenen Schwächen arbeiten. Das will ich ja gar nicht bestreiten. Wir sind regional nicht gut genug, gerade im Osten zum Beispiel oder auch im Süden. Da müssen wir natürlich besser werden. Wir sind auch ein Stück überaltert. Wir müssen uns um moderne Politikvermittlung kümmern. Wir müssen uns um die Menschen kümmern, die mit Politik abgeschlossen haben, die sagen, die Politik hilft mir gar nichts mehr, ganz viele Milieus, in die wir nicht kommen. Also es ist genug zu tun, das machen wir auch. Aber im Kern geht es jetzt zunächst mal darum zu zeigen, dass wir das, was wir versprochen haben, bei Arbeit, bei Rente, bei Energie, auch liefern, daran messen uns die Menschen am Ende, dass sie auch Vertrauen haben in die Leute, die Frauen und Männer, die da für uns tätig sind. Mein Eindruck ist, wir sind ganz gut in die Regierung gekommen und die Umfragen werden auch noch nach oben gehen und die Wahlergebnisse auch.
    Müller: Der stellvertretende SPD-Parteichef Ralf Stegner bei uns heute morgen. Danke für das Gespräch.
    Stegner: Sehr gerne! Tschüß, Herr Müller.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.