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Soziale Medien in der Schule
Wenn Youtuber zu Lehrern werden

Youtube-Tutorials sind bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt. Die kurzen, anschaulichen Erklärvideos lassen sich auch gut im Schulunterricht einsetzen, glauben Bildungsforscher. Wegen ihrer authentischen Ansprache könnten die Tutorials zudem die Mediennutzungskompetenz fördern.

Von Alexander Haas | 01.10.2018
    Gruppe Schüler sitzt auf einer Treppe und kommuniziert mit Tablet-PCs und Smartphones | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer. | dpa / picture alliance / imageBROKER
    Besser lernen mit Youtube? Schüler mit Tablet-PCs und Smartphones (imageBROKER)
    Finn Dohrn ist der Macher des Youtube-Kanals "BYTEthinks". Die Abrufzahlen seiner Videos zeigen, dass die Tutorials des Mitte-20-Jährigen bei Jugendlichen beliebt sind. Sein Clip etwa zum Quadrieren im Kopf - also das Multiplizieren einer Zahl mit sich selbst - ist zwei Jahre alt und hat 95.000 Abrufe.
    Die Erziehungswissenschaftlerin Katrin Valentin hat zu Tutorials mit schulischen Inhalten geforscht. Sie glaubt, dass die Clips sich im Unterricht sinnvoll einsetzen lassen:
    "Also dieser Teil des instruktionellen Aspekts von Lehre, dazu kann es gut genutzt werden. Wenn eine anschauliche Einführung gegeben wird, oder wiederholende Momente in Übungsprozessen bei den Lernenden. Und natürlich verfügen Tutorials häufig über eine medial bedingte hohe Anschaulichkeit. Das heißt, sie können auch für Motivation sorgen, am Beginn eines Lernprozesses."
    Youtuber Finn Dohrn glaubt, dass die Schüler sich für seine Videos interessieren, weil sie kürzer sind als eine Unterrichtseinheit und weil sie das Wichtigste knapp auf den Punkt bringen.
    "Und vor allem was, wo ich sehr viel Wert drauf lege auf meinem Kanal 'BYTEthinks', vor allem dass es unterhaltsam ist, dass die Leute das Gerne gucken, das sie da mit Spaß dabei sind, auch mal ein kleinen Lächeln haben."
    Ein weiterer Vorteil: Oft ist der Altersunterschied zwischen Youtuber und Schüler nicht besonders groß, und die Youtuber sind nah dran an der Lebenswelt der Schüler.
    "Man ist ja unfassbar authentisch gegenüber Schülern, weil man eher auf einer Ebene ist, statt eine Autoritätsperson wie der Lehrer."
    Mehr Medienkompetenz in Zeiten von "Fake-News"
    Die Schüler lernen aber nicht nur das, was in den Videos thematisch vorkommt. Für Katrin Valentin bilden die Schüler mithilfe der Tutorials auch ihre Medienkompetenz aus:
    "Viele Schüler und Schülerinnen schauen die Tutorials ja in ihrer Freizeit an. Wenn sie in der Schule lernen, worauf sie sich in Bezug auf Google-Algorithmus einstellen müssen, inwiefern große Youtuber subtile oder auch mal weniger subtile Werbemaßnahmen durchführen, und wenn sie sensibel für Fake-Tutorials werden, dann hilft es natürlich auch für alle außerschulischen informellen Lernprozesse."
    Mai Thi Nguyen-Kim ist promovierte Chemikerin, WDR-Moderatorin - und ebenfalls Youtuberin. Ihr Kanal "maiLab" ist ein Angebot von funk, einer Netzplattform von ARD und ZDF. Ihre Top-Videos bringen es auf über 100.000 Abrufe. In den Clips erklärt Nguyen-Kim die naturwissenschaftlichen Prozesse, die zum Beispiel beim Essen oder Sport-Machen ablaufen. Also: Wie unterscheidet sich der Zucker in Cola von dem in Smoothies? Oder wie verbrennt unser Körper eigentlich Fett?
    "Olivia Wolke hat gefragt, was eigentlich mit unserem Hüftgold passiert, wenn wir abnehmen. Fett lagert in unseren Fettzellen. Wenn wir Sport machen oder abnehmen, wird das Fett in kleinere Teile zerbrochen - und in ATP umgewandelt."
    Mai Thi Ngyuen-Kim findet, dass die Schüler ihre Videos zum Beispiel gut im Unterricht analysieren könnten. Auch ihr geht es um Medienkompetenz in Zeiten von Falschmeldungen.
    "Da müssen wir erstens dagegen halten, aber zweitens müssen wir auch möglichst früh den Leuten mit an die Hand geben: Woran erkennt man eigentlich gute Quellen? Woran erkennt man zum Beispiel ein gutes Video? Sind jetzt meine Videos gut, weil sie dich amüsiert haben, oder stimmt das auch alles, was ich da sage? Und das fänd ich auch schön, wenn man meine Videos auch mal gerade in der Schule kritisch unters Auge nehmen würde. Und ihnen auch beizubringen, woran sie seriöse Quellen erkennen."
    Schule und Youtube können sich ergänzen
    Youtuber Finn Dohrn wiederum könnte es sich auch gut vorstellen, zusammen mit Schülern ein Tutorial zu produzieren. Das hält auch Katrin Valentin für sinnvoll. Die Schüler könnten dann für kurze Zeit zum Erklärer für andere Schüler werden:
    "Das heißt: Lernen durch Lehren. Das eröffnet den Schülern nicht nur einen unmittelbar als sinnvoll erlebten Zusammenhang ihres Lernprozesses - also, die unteren Klassen nutzen das von ihnen erstellte Tutorial. Sondern es macht auch einfach richtig viel Spaß, so ein Produkt zu erstellen."
    Bei allen Vorteilen, die sowohl die Youtuber als auch die Wissenschaftlerin sehen, sind sich alle Befragten auch einig, darunter Mai Thi Ngyuen Kim:
    "Man sollte Wege finden, wie sich Youtube und Schule gut ergänzen können. Aber Youtube sollte nicht den Anspruch erheben, die Schule zu ersetzen."