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Spagat für Hillary Clinton
Zwischen Links- und Rechtspopulisten

Im Rennen um die US-Präsidentschaft hat die Demokratin Hillary Clinton einer jüngsten Umfrage zufolge weiterhin bessere Aussichten auf einen Sieg als der Republikaner Donald Trump. Doch da ist auch noch Clintons innerparteilicher Rivale Bernie Sanders. Er steht für den linken Flügel bei den Demokraten. Hillary Clinton muss jetzt versuchen, dessen Anhänger einzubinden.

Von Marcus Pindur | 11.06.2016
    Hillary Clinton und Bernie Sanders bei einer TV-Debatte im Januar.
    Hillary Clinton und Bernie Sanders bei einer TV-Debatte im Januar. (imago/stock&people/UPI photo)
    Es war die Woche der Entscheidung. Bernie Sanders, der demokratische Sozialist, hatte nach dem letzten Super Tuesday seine letzte, rein rechnerische Chance begraben müssen. In sechs Bundesstaaten, unter anderem im bevölkerungsreichen Kalifornien, war am Dienstag gewählt worden, und Hillary Clinton hatte sich klar durchgesetzt. Doch Bernie Sanders klingt auch Tage später immer noch wie ein Kandidat, der Präsident werden will – hier vorgestern auf einer Kundgebung in Washington D.C.
    "Thank you, Washington!"
    Alles scheint wie immer. Sanders betritt die Bühne, und seine Fans jubeln.
    "Bernie, Bernie, Bernie!"
    Der Kampf gehe weiter, ruft Sanders seinen Unterstützern zu. Doch den meisten ist klar, dass der Kampf zu Ende ist. Spätestens seitdem Barack Obama angekündigt hat, für Hillary Clinton Wahlkampf zu machen. Grace Harmon aus Tacoma Park in Maryland ist eine Sanders-Unterstützerin. Aber sie weiß, was die Uhr geschlagen hat. Die Kandidatenkür ist für den 74-jährigen Senator aus Vermont vorbei. Jetzt will Grace über ihren Schatten springen.
    "Ich werde Hillary Clinton wählen. Aber mir wird dabei wahrscheinlich schlecht werden, und ich werde es hassen, aber ich werde sie wählen. Ich werde sie wählen, aber ich werde keinen Wahlkampf für sie machen."
    Das ist ein Problem für Hillary Clinton. Denn sie will nach Möglichkeit viel von der Euphorie der Sanders-Kampagne in ihren eigenen Wahlkampf leiten. Schon in den Wochen zuvor war Clinton äußerst vorsichtig mit Sanders umgegangen. Sie wolle Senator Sanders zu seiner außerordentlichen Wahlkampagne gratulieren, so Clinton in ihrer Siegesrede am vergangenen Dienstag. Der konziliante Ton hat gute Gründe. Amerikanische Wahlkämpfe werden zum überwiegenden Teil von lokalen Helfern betrieben. Sie klopfen an Haustüren und bringen im Wortsinn die Wähler an die Urnen. Wer besser mobilisieren kann, ist im Vorteil. Junge Wähler sind zwar unzuverlässig – ihre Wahlbeteiligung liegt relativ niedrig –, aber junge Wahlhelfer und ihre Energie sind unbezahlbar.
    Clinton hat sich nach links bewegt
    Hillary Clinton betonte immer wieder, Sanders und sie unterscheide in vielen Fragen weniger das Ziel als der Weg.
    "Natürlich habe ich gesehen, dass Senator Sanders gut bei jungen Leuten angekommen ist. Sie haben viel Schwung in seine Kampagne gebracht. Wir werden diese jungen Leute, die Senator Sanders unterstützt haben, ansprechen und sagen ihnen: Wenn Einkommensungleichheit ein wichtiges Thema ist, oder ein bezahlbares Collegestudium oder Krankenversicherung für alle: Das sind Ziele, die wir teilen."
    Doch die Mitte-links-Politikerin Hillary Clinton hat sich in Folge des Drucks der Sanders-Kampagne in mehreren Fragen nach links bewegt. Clinton ist eine liberale Internationalistin, die als Senatorin und Außenministerin stets für Freihandelsverträge wie die Transpazifische Partnerschaft TPP eingetreten ist. Doch die Stimmung in den USA ist nicht dementsprechend. Freier Handel wird von Links- und Rechtspopulisten dämonisiert, zum Beispiel das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA. Dass die USA netto vom freien Handel mit Mexiko und Kanada profitieren, wird dabei ignoriert. Hillary Clinton entledigte sich des Themas bereits in der Anfangsphase des Vorwahlkampfes.
    "Ich habe in der Tat als Außenministerin gehofft, dass TPP der Goldstandard werden würde. Aber ich muss nach dem Abschluss des Vertrags sagen, dass er meinen Ansprüchen an Arbeitsplatzsicherung für die amerikanische Mittelschicht nicht genügt. Ich will aber der amerikanischen Mittelklasse in die Augen sehen und sagen können: Das wird euren Lebensstandard steigern, und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich das nicht kann."
    Auch beim Thema Mindestlohn rückte Clinton nach links. Ursprünglich war sie für regionale Erhöhungen eingetreten, je nach der Höhe der Lebenshaltungskosten. Dann schwenkte sie auf einen flächendeckenden Mindestlohn von 15 Dollar um. Bei der wichtigsten politischen Frage der letzten Jahre ist Hillary Clinton standhaft: Sie verteidigte stets die Gesundheitsreform Obamas. Im Vorwahlkampf rücken Kandidaten stets nach außen, um die ideologisierte Basis ihrer Parteien zu erreichen. Die allgemeinen Wahlen werden allerdings in der Mitte gewonnen. Vielleicht ist diese Regel weiterhin in Kraft.